Ein langer Weg

geschrieben von Janka Kluge

9. September 2021

Ravensbrück: Gedenkkugel zur Erinnerung an lesbische Opfer kann endlich kommen

Mitte Juli hat die Brandenburgische Gedenkstättenstiftung nach langer Auseinandersetzung beschlossen, dass auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück eine Gedenkkugel zur Erinnerung an verfolgte lesbische Frauen aufgestellt werden soll. Die Auseinandersetzung darüber reichte bis in die achtziger Jahre zurück. Bereits in der DDR hatten Lesbengruppen regelmäßig gefordert, dass im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück auch an die inhaftierten lesbischen Frauen erinnert wird. Die von ihnen abgelegten Kränze wurden immer sofort entfernt und aus einem Gästebuch der Mahn- und Gedenkstätte die Seiten herausgetrennt, auf denen sie an die lesbischen Frauen erinnert hatten.

Die Forderung nach einem Ort der Erinnerung für lesbische Opfer wurde nach 1990 von der Frauen- und Lesbenbewegung aus Deutschland und Österreich übernommen. Zu den Unterstützern gehören sowohl das Internationale Ravensbrück-Komitee als auch die Lagergemeinschaft Ravensbrück. Als Hauptargument gegen ein eigenständiges Gedenken wurde regelmäßig vorgebracht, dass lesbische Frauen im Nationalsozialismus wegen ihrer Liebe und Sexualität nicht verfolgt worden seien. Der Paragraph 175 Strafgesetzbuch, unter dem Zehntausende homosexuelle Männer ins Gefängnis und oft nach der Verbüßung der Haftstrafe ins KZ gesperrt wurden, galt zu Zeiten des Faschismus nicht für Frauen. Es war ein langer Weg, um zu belegen, dass lesbische Frauen dennoch verfolgt wurden. Sie wurden in Deutschland oft als sogenannte Asoziale inhaftiert. Unberücksichtigt bleibt bei der Argumentation, dass es in Österreich und Tschechien auch Gesetze gab, die Homosexualität unter Strafe stellten. Im Gegensatz zu Deutschland waren dort auch lesbische Frauen betroffen.

Gedenken an der provisorischen Gedenkkugel für die verfolgten und ermordeten lesbischen Frauen bei den Feierlichkeiten zur Befreiung des KZ im April 2019. In der Zeit von 1939 bis 1945 waren in Ravensbrück mehr als 140.000 Frauen, Kinder und Männer inhaftiert Foto: Twitter/LAG QueerGrün Brandenburg

Gedenken an der provisorischen Gedenkkugel für die verfolgten und ermordeten lesbischen Frauen bei den Feierlichkeiten zur Befreiung des KZ im April 2019. In der Zeit von 1939 bis 1945 waren in Ravensbrück mehr als 140.000 Frauen, Kinder und Männer inhaftiert
Foto: Twitter/LAG QueerGrün Brandenburg

Bereits im Jahr 2000 wurde in den informationen des Studienkreises Deutscher Widerstand ein langer Artikel zur Verfolgung lesbischer Frauen veröffentlicht. Die Autorinnen Doris Seekamp und Cora Mohr schrieben darin: »Auch in der antifaschistischen Literatur wird das Widerstehen und der Widerstand lesbischer Frauen gegen den Nationalsozialismus nicht erwähnt. Das bedeutet nicht, dass es dies nicht gegeben hat, sondern allenfalls, dass dieser weibliche Lebensentwurf nicht akzeptiert und aus diesem Grund nicht benannt wurde. Ein Verschweigen, in dem sich die Bandbreite des antifaschistischen Widerstands mit der herrschenden Geschichtsschreibung zu treffen scheint.«

2016 haben autonome Frauen- und Lesbengruppen aus Österreich und Deutschland eine Gedenkkugel auf dem Gelände des früheren Hauptlagers des KZ Ravensbrück niedergelegt. Der Stein ist kurz danach von der Gedenkstättenleitung wieder entfernt worden. Erst nachdem der öffentliche Druck so stark angewachsen war, dass die Stiftung der Brandenburgischen Gedenkstätten reagieren musste, wurde im Frühjahr 2021 ein Gutachten bei der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und Prof. Martin Lücke in Auftrag gegeben. In einer Presseerklärung der Stiftung heißt es: »Auf Grundlage dieses Gutachtens und nach intensiver Beratung sah die Fachkommission der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten den Nachweis der Verfolgung lesbischer Frauen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Konzentrationslagers als erbracht an. Einstimmig erfolgte die Empfehlung an die Gedenkstätte und die Stiftung, das Gedenkzeichen vor Ort zu ermöglichen.«

In dem 2016 verfassten Brief des Internationalen Ravensbrück-Komitees heißt es: »Das antifaschistische Gedenken, ein widerständiges gesellschaftliches Bewusstsein und die kritische Forschung sind gefordert, die patriarchalen Machtverhältnisse mitzudenken. Die Gedenkkugel regt an, gesellschaftliche Zusammenhänge und patriarchale und andere Machtstrukturen zu hinterfragen, kritisch und solidarisch weiterzudenken und sich zu engagieren. Das macht sie für uns bedeutungsvoll.«

Bei der Feier zur Befreiung des Konzentrationslagers Ende April 2022 soll die Gedenkkugel feierlich eingeweiht werden. Der eingravierte Text steht schon fest: »In Gedenken aller lesbischen Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. – Ihr seid nicht vergessen.«

Weitere Informationen zum Thema:

feminismus-widerstand.de, mh-stiftung.de, lg-ravensbrueck.vvn-bda.de, gedenkort-kz-uckermark.de