Morts pour la France

geschrieben von Bernd Kant

9. September 2021

Missak Manouchian – ein armenischer Resistance-Kämpfer

Die Resistance in Frankreich wurde vielfältig von Emigranten unterstützt. Arbeitsmigranten und politische Flüchtlinge waren Mitstreiter auch in den bewaffneten Partisaneneinheiten. Eine der bekanntesten Persönlichkeit ist der Armenier Missak Manouchian. Er wurde am 1. September 1906 in Adıyaman im Osmanischen Reich geboren. Weil sie Armenier waren, flohen er und seine Geschwister vor türkischen Nationalisten 1925 zu Verwandten nach Frankreich. Dort arbeitete er als Fabrikarbeiter bei Citroën und wurde Mitglied der französischen KP. Dabei vergaß er seine armenischen Wurzeln nicht. Für die armenischen Migranten in Frankreich arbeitete er als Journalist und gründete eine Lyrikzeitschrift.

Da Missak Manouchian als Ausländer und Kommunist mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Frankreich im Juni 1940 in doppelter Hinsicht bedroht war, gab es für ihn nur die Entscheidung, sich in die migrantische kommunistische Partisanenorganisation FTP-MOI (Francs-tireurs et partisans – main-d’œuvre immigrée) im Bezirk Paris einzureihen. Die Basis dieser Arbeit waren die sozialen Netzwerke der Migranten, die weder für die Gestapo noch für den kollaborierenden französischen Geheimdienst zu durchdringen waren.

Die Gruppe bzw. ihre Mitglieder taten sich seit Mitte 1942 mit verschiedenen – teils spektakulären – Aktionen gegen die deutschen Besatzer im Großraum Paris hervor. Erst nach mehreren Monaten und auch nur mit Hilfe eines Spitzels gelang es dem französischen Geheimdienst, diese Kampfgruppe zu enttarnen. 23 Kämpfer der etwa 40 Mitglieder umfassenden Manouchian-Gruppe wurden 1943 verhaftet. Manouchian selber wurde am 16. November 1943 im Bahnhof von Évry-Petit Bourg geschnappt, der deutschen Geheimen Feldpolizei überstellt und ins Gefängnis nach Fresnes gebracht.

Das Propagandaplakat gegen die Gruppe um Manouchian ist bis heute unter dem Namen »l’Affiche rouge« populär

Das Propagandaplakat gegen die Gruppe um Manouchian ist bis heute unter dem Namen »l’Affiche rouge« populär

Nach wochenlangen Verhören und Folterungen gab es einen Prozess gegen Missak Manouchian. Mit ihm waren ein Spanier, eine Rumänin, fünf Italiener, neun Polen, zwei Armenier, drei Ungarn und drei Franzosen angeklagt. Die Mehrheit von ihnen war unter 30 Jahren alt. Es waren Juden und Nicht-Juden, in Frankreich geboren oder mit ihrer Familie dorthin geflüchtet, Arbeiter verschiedener Berufe, ein Bauer und Intellektuelle verschiedener Bereiche.

In der Anklage wurden allein Manouchian 50 Attentate mit 150 Toten und 600 Verletzten vorgewor-
fen. Zudem gingen Entgleisungen von Zügen, Sabo-
tageaktionen gegen Verkehrswege, Sprengstoffattentate und bewaffnete Überfälle auf deutsche Einrichtungen und Besatzungssoldaten auf ihr Konto.

Der Schauprozess vor dem deutschen Militärtribunal im Hôtel Continental begann am 17. Februar 1944. Nach drei Tagen wurden alle verhafteten Mitglieder der Gruppe ohne Recht auf Revision zum Tode verurteilt. Zusammen mit 22 Kameraden wurde Manouchian am 21. Februar 1944 auf dem Mont Valérien durch ein deutsches Erschießungskommando ermordet. Nur die Rumänin Olga Bancic wurde nach Deutschland überführt, in einem weiteren Prozess angeklagt und verurteilt und im Mai 1944 in Stuttgart enthauptet.

Der Prozess wurde seitens der Besatzer und der kollaborierenden französischen Administration von Vichy propagandistisch ausgeschlachtet. Die Presse und die Besatzungszeitungen berichteten ausführlich über die »Terroristen«, wobei vor keinem Stereotyp des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit zurückgeschreckt wurde. Vor der Erschießung wurden die Verurteilten sogar der Presse vorgeführt. Diese Berichte waren im Sinne der Besatzer ambivalent, erfuhren doch damit alle Franzosen, wie breit der bewaffnete Widerstand bereits im Jahr 1943 war. Als Höhepunkt der Propagandakampagne wurde ein Plakat erstellt, das zehn der Hingerichteten mit Namen und Porträt auf rotem Hintergrund zeigt sowie Fotos von ihnen zugeordneten Sabotageakten. Es wurden 15.000 Exemplare gedruckt und in Paris sowie mehreren französischen Städten öffentlich aufgehängt. Ziel der Besatzungsmacht und des Vichy-Regimes war es, die bewaffneten Widerstandskämpfer als »kriminelle Ausländer« und »Nicht-Franzosen« zu zeigen. Damit sollten fremdenfeindliche Ressentiments gegen die Migranten geschürt werden.

Doch die Wirkung war eine andere. Die »Nationale Bewegung gegen den Rassismus« (M. N. R.) erklärte in einem Flugblatt: »Die Franzosen wissen (…), dass der Kampf, der jetzt in Frankreich geführt wird, nur eine Episode der ungeheuren Schlacht ist, die sich zwischen den unterdrückten Völkern und den Nazihenkern abspielt. Sie wissen, dass es die gleiche Schlacht ist, die sich in den Ebenen Polens, unter der Sonne Griechenlands, in der bretonischen Heide, in Jugoslawien und in der Haute-Savoie oder unter dem grauen Himmel Flanderns abspielt, und dass jeder Mensch, der kämpft, wo immer er kämpft, für die gemeinsame Verteidigung von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde aller kämpft.« Am Ort der von den Besatzern geklebten Plakate wurden frische Blumen niedergelegt. Andere Plakate wurden mit Losungen versehen, wie »Morts pour la France!« (Gestorben für Frankreich!).