Planlos unorganisiert
6. November 2021
Die Mobilisierungsfähigkeit der »Querdenker«
Die Corona-Krise brachte in vielen Ländern mit »Querdenkern« und Corona-Leugnern Bewegungen hervor, die politisch äußerst diffus und von ihrer Mobilisierungsfähigkeit schwer einzuschätzen sind. Während in Frankreich, Italien oder Spanien, Länder in denen das Corona-Virus 2020 verheerend gewütet hat, diese Bewegung zumeist in der Verbindung mit Protesten gegen die sozial ungerechte Verteilung der Krisenlasten einhergeht, haben wir in Deutschland ein Sammelsurium von Esoterikern, »Lebensschützern«, rassistischen Pegida-Anhängern, »Reichsbürgern«, extremen Rechten und Verschwörungsanhängern, die sich in einer Corona-Diktatur wähnen und glauben, dass dagegen jede Form von Widerstand zulässig sei.
Sichtbar wurde dies bei den Protestwochenenden in Berlin, für die man zeitgleich mehrere Dutzend Aufmärsche anmeldete, und zu denen – trotz gerichtlicher Verbote wegen zu erwartender Verstöße gegen Demoauflagen – mobilisiert wurde. Hinter dieser Bewegung steckt jedoch keine einheitliche Organisation, auch wenn verschiedene »Führer« versuchen, dort die Strippen zu ziehen. Sichtbar wurde dies bei den bislang letzten Versuchen, in Berlin entsprechende Aufmärsche zu organisieren. Zwar kamen Ende August mehrere tausend Anhänger dieser Bewegung – zumeist aus den östlichen und den südlichen Bundesländern – in die Hauptstadt, es fehlte aber ein Konzept für ein gemeinsames Vorgehen. Versuche der Partei »Die Basis«, die Führung zu übernehmen, wurden von zahlreichen Aktivisten abgelehnt oder ignoriert. Die Polizei sah sich vielerorts nicht in der Lage, zuvor verfügte gerichtliche Auflagen tatsächlich durchzusetzen. Vielfach wurde die Show als Reaktion »wildgewordener Kleinbürger«, die planlos »den Sturz des Merkel-Regimes« probten, wahrgenommen. Mit einsetzendem Regen schwand auch die Kampfbegeisterung. Angesichts der gesellschaftlichen Bereitschaft zur Einhaltung der Corona-Regeln sehen sich die Anhänger dieser Bewegung zunehmend auf einem Rückzugsgefecht. Dass dies zu Radikalisierung führen kann, musste ein Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein erleben, der seinen Hinweis auf die Einhaltung der Maskenregel mit dem Leben bezahlte. Ein Corona-Leugner erschoss ihn.
»Die Basis« kam über 1,4 Prozent bei der Bundestagswahl nicht hinaus. Auch die AfD, die sich in ihrer Propaganda als »parlamentarischer Arm« der Bewegung darstellte, konnte von diesem diffusen Haufen wenig profitieren.