Antikommunistische Jagd

geschrieben von Regina Girod

7. Januar 2022

Berufsverbot für Ilja Hausladen: Fundstück aus dem Bundesarchiv der VVN-BdA

Im Bundesarchiv der VVN-BdA befinden sich neun Akten, die Berufsverbotsverfahren gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten dokumentieren. Eine davon, die Akte »Berufsverbote / Einzelfälle / alle Unterlagen« dokumentiert 22 Verfahren aus den Jahren 1974 bis 1978. In den meisten Fällen geht es um die Verhinderung von Einstellungen oder um Entlassungen aus dem Schuldienst, aber auch bei der Bundesbahn und der Post, ein Fall betrifft sogar eine Gerichtsmedizinerin. Unter den behördlichen Begründungen für die Zweifel an der Verfassungstreue der Betroffenen finden sich erschütternde Beweise antikommunistischer Hexenjagden, etwa beim Fall eines Lehrers aus dem Bayerischen Wald, der (selbst Mitglied der SPD) aus dem Schuldienst entlassen wurde, weil seine Ehefrau Mitglied der DKP war. Die Begründung lautete, »durch ihn sei der Schulfrieden bedroht, auch durch seine bekannte häusliche Situation«.

Der Zwischenbescheid der Regierung Schwaben aus dem Dezember 1976.

Der Zwischenbescheid der Regierung Schwaben aus dem Dezember 1976.

Allein der Vorwurf, aktives Mitglied der VVN-BdA zu sein, reichte zur Eröffnung eines Berufsverbotsverfahrens, wie beim Göttinger Kreisvorsitzenden Rolf Gerdes, dem zudem vorgehalten wurde, an einer Präsidiumssitzung und einer Landesvorstandssitzung der VVN-BdA teilgenommen zu haben. Diese tiefgründige Erkenntnis stammte offensichtlich vom Verfassungsschutz, bei dem die Regelanfragen der zuständigen Behörden landeten.

Bei einigen der in der Akte dokumentierten Fälle handelt es sich um Kinder von politisch Verfolgten des Naziregimes, insbesondere aus den Reihen des kommunistischen Widerstands. Ein Beispiel dafür ist der Junglehrer Ilja Hausladen aus Fürth, dem die Regierung Schwaben nach dem Studium die Zulassung zum Vorbereitungsdienst als Grund- und Volksschullehrer verweigerte. Ilja Hausladen stammte aus einer antifaschistischen Familie. Sein Großvater, Anton Hausladen, verbrachte fast elf Jahre in faschistischer Haft, die längste Zeit davon im KZ Dachau. Seine Großmutter wurde von den Nazis sechs Jahre lang inhaftiert, zuletzt im KZ Ravensbrück. Sein Vater, Georg Hausladen, emigrierte 18jährig, kämpfte in den Internationalen Brigaden in Spanien, wurde von Frankreich an Nazideutschland ausgeliefert, fünf Jahre lang eingesperrt und anschließend ins Strafbataillon 999 eingezogen. Nach dem Krieg war er als Funktionär der KPD und der Deutschen Friedens-union (DFU) tätig.

Der Zwischenbescheid der Regierung Schwaben aus dem Dezember 1976.

Der Zwischenbescheid der Regierung Schwaben aus dem Dezember 1976.

Ilja Hausladen war durch diese Familiengeschichte antifaschistisch geprägt, die Zweifel an seiner »Verfassungstreue« wurden, da er keiner Partei angehörte, folgendermaßen begründet:

  1. Er war Betreuer der Kinder- und Schülergruppe »Etgar André« und Mitglied der »Jungen Pioniere«
  2. Er nahm mit seiner Kindergruppe an einem internationalen Ferienlager der FIR in der DDR teil.
  3. Er weigerte sich in der Anhörung, unzusammenhängende Zitate (aus Forderungen der DKP), die ihm vorgelesen wurden, als verfassungsfeindlich zu bezeichnen.

Dass die Kindergruppe den Namen Etgar André trug, veranlasste die Regierung Schwaben in ihrem Zwischenbescheid an den Anwalt Hans E. Schmitt-Lermann, der viele Berufsverbotsbetroffene vertrat, zu folgendem Schluss: »André war schon vor 1933 aktiver Kommunist und betätigte sich u. a. in Spanien als Widerstandskämpfer auf kommunistischer Seite; aus diesem Umstand lässt sich der Schluss ableiten, dass die fragliche Kindergruppe eine kommunistisch gesteuerte Einrichtung gewesen sein muss.«

In seiner Stellungnahme zu diesem Schreiben der Regierung betont Ilja Hausladen: »Wenn Herzer (der Unterzeichner des Schreibens R. G.) glaubt, das Schicksal der Familie, in der ich aufgewachsen bin, bedauern zu müssen und für ihn daraus verständlich wird, weshalb meine politische Einstellung antifaschistisch orientiert ist, er aber trotzdem Zweifel an meiner Verfassungstreue haben müsse, stelle ich dazu fest: Ich will keine Privilegien, etwa weil ich aus einer antifaschistischen Familie stamme, ich wehre mich aber gegen eine Benachteiligung, die auf ein Demokratieverständnis der verantwortlichen Einstellungsbehörde zurückgeht, die offenbar überhaupt keinen Bezug zum antifaschistischen Widerstandskampf und damit zu dem daraus resultierenden antifaschistischen Grundgehalt unserer Verfassung hat …«