Externe Kontrolle nötig
7. Januar 2022
Ein Blick auf den neuen Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP
Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird zur Kenntnis genommen, dass die extreme Rechte die größte Bedrohung für die Demokratie in der Bundesrepublik darstellt. Anerkennenderweise lässt sich sagen: In dieser Klarheit fand sich diese Feststellung bisher in keinem Koalitionsvertrag. Doch was aus dieser Zustandsbeschreibung heraus folgen soll, kennt Licht wie Schatten.
Zur Erinnerungspolitik gibt es wichtige Bekenntnisse. So heißt es, Gedenkstättenarbeit wolle man »auskömmlich finanzieren«. Entstehen sollen ein Dokumentationszentrum »Zweiter Weltkrieg und Besatzungsherrschaft in Europa« und ein Erinnerungs- und Begegnungsort im Gedenken an die Opfer der Besatzung Polens. Opfer der »Euthanasiemorde« sowie Zwangssterilisation sollen offiziell als NS-Opfer anerkannt werden. Vorantreiben wolle man die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext werde unterstützt.
Bei geförderten »Demokratieprojekten« steht zu befürchten, dass abermals die »Extremismusklausel« Einzug hält. So heißt es im Vertrag: Organisationen, die diese Projekte ausrichten, haben dafür Sorge zu tragen, dass alle Beteiligten »auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen«. Die Klausel geht auf einen Erlass der früheren CDU-Familienministerin Kristina Schröder aus dem Jahr 2011 zurück und war 2014 durch ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) wieder abgeschafft worden. Das Wording im aktuellen Koalitionsvertrag erinnert stark an Formulierungen aus dem früheren Erlass. Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung (BMB) erklärte: »Nun klingt es so, als würden sie (die Koalitionär:innen, Red.) die Klausel gutheißen. Damit laufen sie Gefahr, diejenigen zu schwächen, die sie eigentlich stärken wollen«.
Der BMB beklagt zudem, dass mit keinem Wort im Vertrag die NSU-Untersuchungsausschüsse Erwähnung finden bzw. deren Forderungen. Positiv sei, dass er »wirksame Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus« beinhalte. Die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) hebt in einer Erklärung hervor, dass zum ersten Mal Frauen- und Queerfeindlichkeit als Bedrohung eingeordnet werde und als Hasskriminalität gelte. AAS und der BMB beklagen unisono, dass rechte Machenschaften innerhalb von Polizei und Bundeswehr abermals quasi unter sich geklärt werden sollten, beispielsweise wenn der AAS zufolge von »Selbstkontrolle im Sinne der Supervision« die Rede sei oder laut BMB polizeiliche Aus- und Fortbildung ohne externe Expertise durch »zivilgesellschaftliche Expert:innen« stattfinden solle.