Behauptendes Behaupten
1. Juli 2022
Zu »Warum dieser Krieg?«, antifa Mai/Juni 2022
Thomas Willms neigt dazu, Argumente großer Aussagekraft und Heftigkeit zu formulieren, ohne diese herzuleiten. Ich nenne das das Prinzip des behauptenden Behauptens. Ich bin Kritiker des Krieges Russ-lands gegen die Ukraine, wie meine Texte dazu in Telepolis belegen. Dies vorab, wenn ich nun den Text »Warum dieser Krieg?« des Bundesgeschäftsführers der VVN-BdA kritisiere. Etwa der Satz: »Putin versteht sich … als der aktuelle Sachwalter der heiligen Entität, die Iwan der Schreckliche … begründete« stellt eine Behauptung ohne inhaltlich herleitendes Argument dar. Die Beweisführung ersetzt Thomas Willms durch einen unspezifischen Verweis auf russische Militärs und Fernsehsendungen. Ähnlich problematisch ist das nächste Argument: »Es wird so getan, als gäbe es eine Art Einmaleins der politischen Geografie, nach der der vorwärtskriechenden -NATO … mit Gewalt begegnet werden müsse. … diese Denkschule – gipfelnd im Konzept des ›Lebensraums‹ …«, kritisiert Thomas Willms ebenfalls ohne Absicherung seiner Diagnose. In einem Text mit diesem Titel als Ausgangsfrage streicht Thomas Willms die NATO-Osterweiterung als spannungssteigerndes Element der Vorgeschichte des Krieges vom Tisch: »Die harte Wahrheit ist, dass der Westen … Russland nach 1991 … als besiegte Macht von gestern, die man getrost ignorieren kann«, abgetan habe. Dem alleine widersprechen die Texte unter anderem von George F. Kennan, Robert McNamara, CIA-Chef Burns, Egon Bahr und Klaus v. Dohnanyi. Ich setze mich seit Beginn meines politischen Engagements für das Prinzip des beweisenden und herleitenden Behauptens ein. Die Strategie der Verkürzung und der schnellen Unterstellungen ist seit jeher die unserer Gegner. Von ihr und von ihnen halten wir uns lieber fern. Und ich freue mich, wenn ein Diskurs dazu führt, dass Fragen, die am Anfang standen (siehe die Überschrift »Warum dieser Krieg?«), am Ende so präzise wie möglich beantwortet sind. Mit kameradschaftlichen Grüßen
Anmerkung der Redaktion
Für eine Vielzahl an vorwiegend ablehnenden E-Mail-Reaktionen hat der Artikel in der letzten Ausgabe gesorgt, der sich mit den innenpolitischen Bedingungen in Russland auseinandersetzte. Die Redaktion erreichten 22 kurze und lange Stellungnahmen dazu. Die meisten als klassische Leser*innenbriefe, es gab auch einige Austrittsschreiben, aber ebenso Glückwünsche. Wir bedanken uns für die Einsendungen. Alle wurden von der Redaktion und Autor Thomas Willms zur Kenntnis genommen und diskutiert.