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1. Juli 2022
Studie vorgestellt
Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung hat Anfang Mai den Rassismusmonitor vorgestellt. Danach erkennen 90 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass es Rassismus gibt, 49 Prozent kennen eine Person, die schon selbst rassistische Erfahrungen gemacht hat, 22 Prozent haben ihn selbst erfahren. Allerdings bewerten 52 Prozent Beschwerden über Rassismus als »ängstlich«, ein Drittel als »überempfindlich«. 45 Prozent glauben, dass Rassismusvorwürfe und »politische Korrektheit« die Meinungsfreiheit beschränkten. Für die Studie wurden 5.000 Menschen befragt.
Untätige Polizei
Mitte Mai wurde bekannt, dass der spätere Attentäter von Hanau, bereits im März 2018 eine Studentin mit einer Waffe bedroht hatte. Tobias Rathjen soll von der als Escort-Arbeiterin »Gala« tätigen Frau verlangt haben, dass sie Mordszenen aus dem Hitchcock-Klassiker »Psycho« mit ihm nachspielt. Die von der Frau gerufene Polizei kümmerte sich lediglich um einen Joint und ging weder den Bedrohungsschilderungen noch dem Hinweis auf eine Schusswaffe nach. Auch ein späteres Ermittlungsverfahren wegen des Anzündens seines eigenen Pkw im Wald wurde eingestellt. Die Behörden in München, wo Rathjen von 2013 bis 2018 wohnte, sahen keine Grund zur Einziehung seines Waffenscheins.
Eklat bei documenta
Ein großes Bild der Künstler:innengruppe »Taring Padi« mit dem Namen »People’s Justice« ist am 21. Juni wegen antisemitischer Bildsprache durch den Aufsichtsrat der documenta fifteen in Kassel abgehängt worden. In dem Werk ist u. a. eine Figur in Anzug mit Reißzähnen eines Raubfisches zu sehen, die Augen sind rot unterlaufen. Die dargestellte Person zieren Schläfenlocken, das Revers der Jacke ist gelb. Am Hut befinden sich SS-Runen. Nachdem die Leitung der documenta darauf hingewiesen wurde, war das Bild zunächst verhüllt worden. Sabine Schürmann, Generaldirektorin der documenta, erklärte, eine »antisemitische Lesart« sei durch die indonesischen Künstler:innen nicht intendiert gewesen.
Rassistisch motiviert
Ein 18jähriger hat am 14. Mai in Buffalo (Bundesstaat New York) in einem Supermarkt zehn Menschen erschossen und drei weitere verletzt. Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus. Einen Tag später sagte US-Präsident Joe Biden dem rassistischen Hass den Kampf an. »Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den durch Hass geschürten Inlandsterrorismus zu beenden«, erklärte er bei einem Besuch in der Stadt.
Bayern spitze
Nach Mitte Mai veröffentlichten Recherchen von Journalisten tauchen in Bayern neofaschistische Straftäter deutlich häufiger unter als in anderen Bundesländern. Von den 596 extrem Rechten, nach denen laut Bundeskriminalamt (Stand 30.9.2021) gefahndet wird, stammen 128 aus Bayern, 98 aus NRW, 56 aus Berlin, 47 aus Sachsen, 42 aus Thüringen, 30 aus Niedersachsen und 21 aus Hessen. Das bayrische Landeskriminalamt erklärt seine »Spitzenposition« damit, dass andere Bundesländer Haftbefehle gegen extreme Rechte öfter unveröffentlicht lassen würden.
A.i.d.a.-Gründer tot
Am 19. Mai ist Marcus Buschmüller in München 58jährig verstorben. Das Oktoberfest-Attentat prägte den damals Siebzehnjährigen. 1989 war er Mitbegründer der »Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München«. A.i.d.a. sammelt Informationen über rechte Aktivitäten. Zwischen 2008 und 2011 starteten die bayrische Landesregierung und ihr Verfassungsschutz eine Kampagne gegen A.i.d.a. Erst 2011 veranlasste das Verwaltungsgericht München die Schwärzung der Passagen im Verfassungsschutzbericht (siehe auch Länderseite 5).
Evangelikaler Hass
Das Landgericht Bremen hat den evangelikalen Pastor Olaf Latzel am 20. Mai freigesprochen. Latzel war wegen Volksverhetzung vom Amtsgericht Bremen Ende 2020 verurteilt worden. Er hatte bei einem Eheseminar von »Genderdreck« und »Verbrechern« beim Christopher Street Day gesprochen. Nach zwei konträren Gutachten sah das Gericht die Äußerungen insbesondere durch die Religionsfreiheit gedeckt. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.
Geld verwehrt
Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung erhält kein Geld aus dem Bundeshaushalt. Die staatliche Finanzierung parteinaher Stiftung ist nur im Haushaltsgesetz geregelt. Entsprechend einer »Gemeinsamen Erklärung« der im Bundestag vertretenen demokratischen Partien erhalten parteinahe Stiftungen dann Haushaltsgelder, wenn ihre Parteien zweimal nacheinander in den Bundestag gewählt wurden. In einer »Erläuterung« zum Haushalt ist die AfD ausgenommen worden. Einige Verfassungsrechtler befürchten, dass dies verfassungswidrig sei. Der Bundeshaushalt ist Ende Mai verabschiedet worden.
98jährig verstorben
Carlo Smuraglia, zuletzt Ehrenpräsident der Fédération Internationale des Résistants (FIR) und der Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI), ist am 30. Mai in Mailand gestorben. Smuraglia war italienischer Partisan, von 2011 bis 2017 Präsident der ANPI. Von 1992 bis 2001 saß der Jurist im italienischen Senat. Smuraglia wurde 98 Jahre alt.
Rechte Söldner
Anfang Juni meldete die Ukraine erstmals den Tod eines Deutschen, der in der ukrainischen »Internationalen Legion der Territorialverteidigung der Ukraine« kämpfte. In diesem Verband können sich Nichtukrainer mit militärischer Erfahrung als Kombattanten freiwillig zu den Kämpfen melden. Dies betrifft vornehmlich Personen, die sich eher dem rechten Lager zugehörig fühlen. Auch auf russischer Seite dürften deutsche Freiwillige aus dem rechten Lager kämpfen. Bereits länger ist bekannt, dass sich Neofaschisten von den Jungen Nationalisten (NPD-Jugendorganisation) und vom »III. Weg« von der »Russian Imperial Movement« (Russische Reichsbewegung) ausbilden ließen. Diese Gruppe und die Söldner der »Wagner-Gruppe« kämpfen inzwischen in der Ukraine. Beide gelten als extrem rechts. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den deutschen Legionären im Ukrainekrieg Straffreiheit zugesichert, will aber die Ausreise von »Extremisten« verhindern.
Wieder Polizist
Anfang Juni wurde bekannt, dass der Ex-AfD-Abgeordnete Mario Lehmann aus dem Landtag in Magdeburg bereits Anfang des Jahres ohne Beanstandung in den Polizeidienst zurückgekehrt ist. Lehmann hatte in seiner Abgeordnetenzeit (2016 bis 2021) mehrmals durch rassistische und die NS-Zeit verharmlosende Äußerungen Aufsehen erregt. Ein 2018 eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Körperverletzung und Nötigung wurde eingestellt. Er werde nun im Bekleidungs-Service-Center der Polizei eingesetzt.
Zusammengestellt von Ulrich Stuwe
(in memoriam P. C. Walther