Stets gleich

geschrieben von Jan Hansen

4. September 2022

Bundeswehr-Webserie über Wachbataillon mit Naziskandal

Die Bundeswehr hat eine neue Youtube-Serie: »Semper talis« zeigt angeblich den Alltag im Wachbataillon in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin. Die Einheit ist für das Zeremoniell bei Staatsbesuchen zuständig, hat aber auch einen für Häuserkampf ausgebildeten Sicherungszug. Die Nazigruppe im Bataillon, die im Herbst 2021 bekannt wurde, blendet die Serie aus. Die Serie lässt jedoch befürchten, dass es nicht die letzte war. »Semper talis« zeigt vor allem Soldat*innen beim Marschieren, beim Drill oder beim Sport. Dazwischen darf der Sicherungszug immer wieder Gefechtsübungen und Waffen vorführen. Derweil äußern die Rekruten allerlei Belanglosigkeiten, und Ausbilder bewerten den Fortschritt ihrer Schutzbefohlenen.

Herausforderung divers zu casten

Die Werbeagentur Crossmedia, die die Serie erstellt hat, gibt sich große Mühe, die Bundeswehr als diversen Arbeitgeber darzustellen. Porträtiert werden eine Feldjägerin, eine Musikerin und eine Artilleristin. Welche Herausforderung das Casting für die Agentur gewesen sein muss, lässt sich anhand der gezeigten Akteur*innen erahnen: Die Frauen sind in der Regel Vorgesetzte, die von der Kamera während der Ausbildung begleiteten Rekruten und Ausbilder sind alle männlich.

Semper talis (lateinisch: stets gleich) ist der Wahlspruch des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung und des mit ihm verbundenen Traditionsverbands des 1. Garde-Regiments zu Fuß und seiner Nachfolgeverbände (Semper talis Bund e. V.).

Semper talis (lateinisch: stets gleich) ist der Wahlspruch des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung und des mit ihm verbundenen Traditionsverbands des 1. Garde-Regiments zu Fuß und seiner Nachfolgeverbände (Semper talis Bund e. V.).

Bedenklich ist, was die Soldat*innen über ihre Motivation für den Dienst an der Waffe in die Kamera sagen. Es ist zum einen offene Begeisterung für Waffen (»endlich den Karabiner 98k in der Hand halten, das will ich, seit ich in der Bundeswehr bin«), zum anderen, dass der Vater oder Großvater auch schon gedient habe. Die Motive, die die Bundeswehr-Serie herausstellt, sind Technik, Waffen und Sport. Jugendliche, die sich hierfür begeistern können, dürfte die Bundeswehr erreichen. Alle anderen werden eher abgeschreckt sein von Drill und Ausbildersprüchen wie »(…) Ihr werdet einfach immer wieder durch zu viel Nachdenken (…) ausgebremst«.

Für das Filmteam fährt die Sicherungsgruppe auf dem Übungsplatz spektakulär im Panzer mit feuerndem MG auf ein Haus zu, die Soldaten klettern durch die obere Luke aufs Fahrzeug, um von dort den ersten Stock des Gebäudes anzuleitern. Dabei verwenden sie einen Teil einer handelsüblichen Klappleiter, die aussieht, als wäre sie von der*dem Hausmeister*in geborgt. Die Leiter platzieren sie auf einem winzigen Vorsprung an der Wanne des Panzers. »Die klappert ja jetzt schon!«, bemerkt ein Soldat. Dieser Ausblick auf die Arbeitssicherheit bei der Bundeswehr sollte sämtlichen Bewerber*innen zeigen, dass es sich beim Militär um keinen normalen Arbeitgeber handelt. Denn gegenüber ganz normalen Arbeitgeber*innen ist dort das Risiko, zu verunglücken oder zu sterben, bereits ohne Auslandseinsatz oder Feindkontakt deutlich erhöht.

Im Gegensatz zu anderen Bundeswehr-Serien zeigt »Semper talis« keinerlei Unterricht im Bereich politische Bildung. Die wenigen Stellen, die das Traditionsverständnis der Einheit behandeln, zeigen unkritische Positivbezüge auf preußische und kaiserliche Armeen. Dass diese Militärs autoritäre Staaten schützten, die selbstverständlich Angriffskriege für eine imperiale Politik führten, wird ausgeblendet. Passend dazu sind die in der Serie gezeigten Innenräume der Kaserne flächendeckend mit altdeutscher Schrift verziert.

»Ehrenvoller Auftrag«

Die hölzernen staatstragenden Sätze, die die Protagonist*innen in anderen Bundeswehr-Serien von sich geben, fehlen in »Semper talis« größtenteils. Lediglich in einer Bonusfolge sagt der das Regiment kommandierende Oberstleutnant Hans Domrich: »Wir sind exzellente Kämpfer, (…) die die freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigen. Weil wir darin so gut sind, (…) haben wir den ehrenvollen Auftrag, diesen Staat zu repräsentieren durch unseren protokollarischen Dienst«.

Wie wenig exzellent das Wachregiment im Verteidigen der freiheitlich-demokratischen Grundrechte ist, zeigt ein handfester Naziskandal. Im Oktober 2021 meldete der Spiegel, dass es im Wachregiment eine Nazigruppe namens »Wolfsrudel« gebe. Auch gegen Unteroffiziere werde ermittelt. Im Alltag des Regiments hätten Ausbilder Soldat*innen rassistisch beschimpft, Rektrut*innen hätten T-Shirts mit einer schwarzen Sonne und der Aufschrift »Sonnenstudio 88« getragen. Auf der Rückseite sei der Schriftzug »Wir sind braun« zu lesen gewesen. Kein Einzelfall: Ein bereits 2017 an den MAD gemeldeter Sympathisant der »Identitären Bewegung« durfte dort bis Sommer 2021 weiter Dienst leisten.

Dass im Wachregiment so etwas möglich ist, versteht man nach Szenen aus »Semper talis«. Man sieht einen Ausbilder, der die Rekruten mit der Drohung »Disziplin ist das A und O. Macht mich unglücklich, und ich mach euch unglücklich« begrüßt und nach einem Stramm-steh-Wettbewerb einen anderen Ausbilder schikaniert. Beim Sport trägt der Unteroffizier ein selbstgemachtes Fanshirt seiner Kompanie, das altdeutsche Schrift und eine drohend geschlossene Faust zeigt. Kein Wunder, dass unter solchen Ausbildern das »Wolfsrudel« nicht unangenehm auffiel.

Die Werbeagentur Crossmedia GmbH mit Zweigstelle in Berlin-Kreuzberg verdient prächtig an der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Sie ist seit langem an diversen Werbekampagnen der Armee beteiligt. Dazu gehören die Kampagnen »Mach, was wirklich zählt« und die Webserien »Die Rekruten«, »Mali« und »KSK«. Die Bundeswehr hat im Jahr 2020 allein für die Nachwuchswerbung Mittel in Höhe von 33,6 Millionen Euro ausgegeben.