Lebt der »Flügel« erneut auf?

geschrieben von Janka Kluge

7. Januar 2023

AfD: Das »Debatten-Netzwerk Idearium« bringt sich als möglicher Nachfolger in Stellung

Thorsten Weiß, AfD-Mandatsträger im Berliner Abgeordnetenhaus, tat sich nach einem Bericht der taz (20.10.2022) als Organisator einer brisanten Parteiveranstaltung am 10. Oktober in Berlin hervor. Bereits rund einen Monat zuvor hatte er die Gründung des »Debatten-Netzwerks Idearium« auf Telegram bekannt gemacht. In der Beschreibung der geschlossenen Gruppe (Abonnent:innen Ende Dezember 2022: 470) heißt es: »So wichtig die Einheit nach außen ist, so notwendig ist nach innen das offene Wort und die Debatte um eine stetige programmatische und personelle Optimierung«. Die neue Telegram-Gruppe solle »den Austausch zwischen unseren Mitgliedern fördern und eine neue, produktive Debattenkultur entwickeln«, so die vollmundigen Ankündigungen.

Zu der besagten Veranstaltung in Berlin war auch Björn Höcke eingeladen, um über den »Heißen Herbst« und was dieser für die AfD bedeutet, zu sprechen. Nach Veranstalterangaben nahmen mehr als 100 Mitglieder der AfD daran teil. Dabei ist auch ein Bild entstanden, auf dem mutmaßlich Mitglieder der Jungen Alternative Brandenburg eine Antifafahne verkehrt herum halten. Neben ihnen ein grinsender Höcke und Weiß selbst. Die Fahne ist mit rechten Aufklebern »verziert«. Neben Weiß waren mit Jeannette Auricht, Gunnar Lindemann, Hugh Bronson, Harald Laatsch und Andreas Wild weitere AfD-Abgeordnetenhausmitglieder unter den Besuchern. Teilnehmen konnten nur AfDler, die sich bei Weiß angemeldet hatten.

Weiß war auch Obmann des 2020 aufgelösten »Flügels«. Dieser wurde als Vernetzungs- und Mobilisierungsgruppe für den offen völkischen Teil der AfD gegründet. Im März 2015 hatten Björn Höcke und André Poggenburg in der sogenannten Erfurter Resolution gefordert, dass der AfD-Parteivorstand seinen Kurs deutlich nach rechts verschieben solle. Laut der Resolution soll die AfD eine »Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Identität Deutschlands« sein. Besonders in Ostdeutschland unterstützten viele Parteimitglieder den »Flügel«. Innerhalb kurzer Zeit waren dort viele Posten mit dessen Mitgliedern besetzt. Auch andernorts in der Bundesrepublik konnten Mitglieder des »Flügels« strategisch wichtige Parteiposten erlangen. Schließlich wurde die Gruppierung im Frühjahr 2020 offiziell aufgelöst. Seitdem gibt es den Verdacht, dass der »Flügel« als Vernetzungsstruktur weiter besteht. Ein offizieller Rahmen konnte bis jetzt aber nicht nachgewiesen werden. Das »Idearium Debatten-Netzwerk« wäre als eine solche Neuauflage denkbar.