Kämpfer für Gerechtigkeit

geschrieben von Ulrich Sander

13. September 2023

Fritz-Bauer-Forum in Bochum: Lebendiges Denkmal für Antifaschisten und Ankläger gegen Naziverbrecher

In Bochum befindet sich ein Fritz-Bauer-Forum im Aufbau, das dem Kampf um Demokratie und Menschenrechte, konkret der Forschung zum Widerstand und zur Erinnerungsarbeit dienen soll. Die Historikerin Dr. Irmtrud Wojak soll es leiten, sie ist auch Autorin der bedeutenden Biografie »Fritz Bauer 1903–1968«. Eine Forschungsbibliothek mit Videos und Literatur sowie Zeitzeugeninterviews, ferner Veranstaltungs- wie auch Ausstellungsräume werden aktuell geschaffen. Die BUXUS-Stiftung und andere private und öffentliche Stellen bezuschussen das Projekt.

Mit dem Forum wird dem großen Kämpfer für Gerechtigkeit und Menschlichkeit ein Denkmal gesetzt. Fritz Bauer (1903–1968) hat als Widerstandskämpfer gegen die Nazis, Verfechter der antifaschistischen Einheit der Arbeiterbewegung, als Generalstaatsanwalt in Braunschweig und Hessen und als Ankläger gegen Naziverbrecher Geschichte geschrieben. Besonders in Erinnerung geblieben ist sein Wirken zum Aufspüren Adolf Eichmanns und vor allem zur Durchsetzung des Auschwitzprozesses von 1963 bis 1965.

Fritz Bauer war im Jahr 1930 der jüngste Amtsrichter Deutschlands, zugleich SPD-Reichsbannerführer, dann KZ-Häftling, Emigrant in Dänemark und Schweden. Erst 1949 konnte der jüdische Überlebende nach Deutschland zurückkehren. Bei dem von ihm initiierten Auschwitzprozess – und auch in anderen NS-Verfahren – kam es zu Bauers Leidwesen zu keinen Verurteilungen wegen Morden, sondern allenfalls wurde wegen Beihilfe verurteilt. Die Verbrecher galten als Helfer der Täter Hitler und Himmler.

Schnell wieder im Dienst

In den »Euthanasie«-Prozessen kamen die Angeklagten oft damit durch zu sagen: Ich hatte kein Unrechtsbewusstsein, mein Bewusstsein war der Nationalsozialismus. In solchen Prozessen wurden oft Beamte, Polizisten und Ärzte angeklagt, doch derartige »Persönlichkeiten« wurden geschont, waren oft wieder im Staatsdienst. Bauer wies immer wieder auch auf die Unterwanderung der Justiz durch ehemalige Nazirichter und Staatsanwälte hin. Auch der Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (NSDAP, später CDU) war zuvor führender Mitarbeiter im Auswärtigen Amt des Nazireiches. In ihren »Erinnerungen« haben die Nazijäger Beate und Serge Klarsfeld nachgewiesen, dass Kiesinger vom Schicksal der deportierten Juden in den Vernichtungslagern wusste. Dennoch trat er in einem Nachkriegsprozess zugunsten eines Diplomaten auf, um zu bekunden, dass dieser als Mann des Auswärtigen Amtes nichts vom Mord an den von diesem deportierten bulgarischen Juden wissen konnte. Ein glatter Meineid. Das Wichtigste war für Fritz Bauer: »Nach Auffassung der hessischen Staatsanwälte können und sollen die Prozesse der politischen Aufklärung dienen.« Die Durchschnittsdeutschen fühlten sich oft als Opfer, sogar erwiesene Mitschuldige verstanden sich so. Und da war Aufklärung dringend nötig.

Dr. Irmtrud Wojak initiierte 2019 das Fritz-Bauer-Forum in Bochum.Foto: TobiasFetzerBUXUS

Dr. Irmtrud Wojak initiierte 2019 das Fritz-Bauer-Forum in Bochum.
Foto: Tobias Fetzer BUXUS

Seit dem Bekanntwerden des gigantischen Massakers von Babyn Jar bei Kiew, wo SS-Einsatzgruppen gemeinsam mit gewöhnlichen Soldaten und Offizieren mordeten, wurde auch die Wehrmacht von Fritz Bauer als verbrecherisch entlarvt. Sie wurde bis dahin als sauber angesehen, und das galt in starkem Maße auch noch lange danach – bis zur Wehrmachtsausstellung Anfang der 2000er-Jahre. Wurde ein Beschuldigter aus der Wehrmacht Angehöriger der Bundeswehr, so galt er ohnehin als »unverdächtig«, keiner der mutmaßlichen 1.000 NS-Täter aus der Bundeswehr kam vor Gericht.

Nicht vor Gericht kam auch der Mitschuldige am Holocaust Hans Globke – er kommentierte die NS-Rassengesetze und wurde später als Staatssekretär Kanzler Konrad Adenauers rechte Hand. Ihn wollte Bauer vor Gericht bringen. Vergebens.

Rolle der Industriellen und Banker

Der Richter weise nur auf Taten hin, doch leider nicht auf ihre Ursachen, stellte Fritz Bauer einmal fest. Im Falle der Verbrecher aus den Reihen der ökonomischen Eliten hat selbst Fritz Bauer nicht auf die Ursachen, nämlich die Rolle der Industriellen und Banker zugunsten von Krieg und Nazismus und als Profiteure der Verbrechen hingewiesen. Das verwundert, denn Fritz Bauer war Wirtschaftswissenschaftler, bevor er Jurist wurde.

Sollte er geplant haben, sich dieses Themas noch anzunehmen? Er wollte noch drei Jahre nach seiner Pensionierung im Amt bleiben. Doch der Tod kam zu früh. Vielleicht ist das Thema »Kapitalismus und Faschismus« ja noch eines für das Fritz-Bauer-Forum?

Zwei entscheidende Veränderungen in NS-Prozessen wurden erst lange nach Fritz Bauers Tod gültig. Erst seit dem Prozess gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk im Mai 2011 war nicht mehr die konkret nachgewiesene Tat des einzelnen Voraussetzung für die Verurteilung, sondern die Mitwirkung in der Mordmaschinerie galt als entscheidend. Auch die Nichtverjährung von Mord und Beihilfe dazu trat erst 1979 nach langen Kämpfen der Antifaschisten in Kraft. Fritz Bauers Mahnung darf nicht vergessen werden: »Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.«

Bekannt wurde Fritz Bauer im März 1952 auch durch sein Plädoyer im Prozess gegen den Naziverbrecher Otto Ernst Remer, der zur Ermordung der Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 beigetragen hatte. Bauer würdigte im Prozess »in brillanter Weise den Widerstand im Dritten Reich«. Dies schrieb die FAZ in einem Nachruf im Juli 1968 und ebenso dies: »Der Widerstand war immer eines seiner Hauptthemen gewesen«. In einem anderen Nachruf, dem des hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (SPD), hieß es: Fritz Bauer »hat sich nicht gescheut, mancherlei Anfeindungen in Kauf zu nehmen«. Das war allerdings noch mild ausgedrückt: Bauer wurde überschwemmt mit Morddrohungen. Er sagte einmal, wenn er sein Amtszimmer verlasse, betrete er feindliches Ausland. Allerdings wusste er auch: »Wer nicht aneckt, wird nicht gehört.« Als Kind hatte Fritz Bauer seine Mutter gefragt: »Was ist Gott?«, und sie sagte: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu«. Das wurde seine Lebensmaxime.

Informationen zum Fritz-Bauer-Forum finden sich auf dessen Website: fritz-bauer-forum.de