»Querfront« in der Weimarer Republik?

geschrieben von Bernd Kant

14. September 2023

Leserbrief zu antifa Juli/August 2023, Seite 17, »Als es keine Brandmauer gab«

Im »Spezial« wurde mit Blick auf die Weimarer Republik darüber nachgedacht, ob es damals nicht – aus heutiger Perspektive – problematische Querfronten der Arbeiterparteien gegenüber der NSDAP gegeben habe und welche Lehren wir für heute daraus ziehen müssten. So verdienstvoll ein historischer Rückblick in dieser Hinsicht ist, so bleibt er jedoch lückenhaft, wenn der einzige tatsächliche Querfrontansatz, bei dem es um die Stabilisierung der Macht der Herrschenden ging, aus der Betrachtung gerät.

Als nach der Novemberwahl 1932, bei der die NSDAP ihre erste – durchaus krachende – Niederlage erlitt und sich in der Novemberpetition wichtige Vertreter von Kapital, Großgrundbesitz und Militär beim Reichspräsidenten für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einsetzten, entschieden sich die politisch Herrschenden für eine andere antiparlamentarische Form der Herrschaftssicherung. Hindenburg ernannte den Vertreter des Militärs General von Schleicher zum Reichkanzler, der – im Gegensatz zu Papen, der im Hintergrund mit der NSDAP und Hitler kungelte – eine elitäre »Querfront« (so nannte er das politische Konzept selber) unter Einbindung von Teilen der SPD, der Gewerkschaften und dem Strasser-Flügel der NSDAP als Regierungskonzept versuchte auf d≠en Weg zu bringen. Er besaß bereits die Zustimmung aus der SPD und von Gewerkschaftsvertretern. Diese Querfront scheiterte jedoch, weil innerhalb der NSDAP die Riege um Hitler dagegen votierte und sich für einen vollen Machtanspruch aussprach, der dann Ende Januar 1933 mit Paul von Hindenburg umgesetzt wurde. »Querfront« in der Weimarer Republik bezeichnet also nicht nur ein Ideologiekonstrukt extremer Rechter, sondern war – unter den spezifischen Bedingungen – auch ein Machtkonstrukt der Herrschenden (in dem Fall des Militärs, Teilen der wirtschaftlichen Eliten und Vertretern der politischen Klasse) zur Einbindung gesellschaftlicher Gruppen, denen man Masseneinfluss zutraute.