Eine Auszeichung
5. November 2023
Nürnberger Antifaschist*innen wegen Graffiti unter Druck
antifa: In Nürnberg hat die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Warum?
Kim Karl: Anlass zu den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München seien Graffiti-Sprühereien, die sich konkret zum sogenannten Antifa-Ost-Verfahren geäußert haben sollen. Offensichtlich reicht es in Bayern jetzt schon, sich angeblich über Graffiti antifaschistisch zu positionieren, um ein Verfahren nach Paragraph 129, also die Bildung einer kriminellen Vereinigung, aufgedrückt zu bekommen. Für uns als Solikreis ist klar, dass diese Verfolgung nicht normal ist, bedenkt man, dass es hier lediglich um Lappalien wie Sachbeschädigung gehen soll. Wir fragen uns, was dann als nächstes ein 129-Verfahren in den Augen der Generalstaatsanwaltschaft München rechtfertigt. Das tragen von Antifashirts oder die Teilnahme an einer Demonstration?
antifa: Graffiti sind ein »Aufstand der Zeichen« – also vor allem symbolische Akte im öffentlichen Raum. Die bayerischen Ermittlungsbehörden nehmen die Sache so ernst, dass sie den Organisierungsgrad, den es offenbar für Graffiti braucht, in den Bereich der Kapitalverbrechen einsortieren. Wie kommt das?
K. K.: Wir gehen klar davon aus, dass dieses Ermittlungsverfahren politisch motiviert ist. Graffiti werden ja ohnehin schon stark verfolgt, weil sie etwas in der BRD Heiliges beschädigen, nämlich Privateigentum. Dass nun zusätzlich für antifaschistische Graffiti eine kriminelle Vereinigung konstruiert wird, zeigt deutlich, dass es in diesem Fall darum geht, Antifaschismus im Allgemeinen zu delegitimieren und anzugreifen. Außerdem dürfte es eine Rolle gespielt haben, dass sich die Malereien mit den im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren Verfolgten solidarisch gezeigt haben sollen. Hier möchte man demonstrieren, dass schon die Solidarität mit Antifas ausreicht, um selbst kriminalisiert zu werden.
antifa: Der Vorwurf lautet, dass »die Antifa verherrlicht« werde. Eigentlich eine Steilvorlage zur Positionierung für Antifaschist*innen, oder?
K. K.: Es ist schon besonders absurd, dass drei Tage nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, in denen rechte Kräfte massive Zugewinne verzeichnen konnten, der Generalstaatsanwaltschaft München nichts Besseres einfällt, als groß angelegte Hausdurchsuchungen gegen Antifaschist:innen durchzuführen. Wir fordern alle antifaschistischen Kräfte auf, sich solidarisch zu zeigen und diesen Angriff auf unsere Bewegung eine Absage zu erteilen. Wir sagen: Gerade in diesen Zeiten ist Antifaschismus wichtig und bleibt legitim. Wir sind alle Antifa!
In den frühen Morgenstunden des 11. Oktober wurden sechs Durchsuchungsbeschlüsse gegen Nürnberger Antifaschist*innen vollstreckt. Die Beschlüsse wurden auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft München durch das Amtsgericht München erlassen. Fast zeitgleich wurden vier Wohnungen im Stadtgebiet von Einheiten des sogenannten Unterstützungskommandos (USK) durchsucht. Auf der Suche nach »umfangreichem Beweismaterial« wurden insbesondere Mobiltelefone und sonstige Datenträger und Unterlagen »sichergestellt«.
Informationen u.a. unter www.nazistopp-nuernberg.de
Kim Karl ist Sprecher des Solikreises.