Widerstand trotz Angst

geschrieben von Christa Bröcher, »Kinder des Widerstandes«, Mitglied im Aktionskomitee DIZ Emslandlager

5. November 2023

90 Jahre »Lied der Moorsoldaten«

»Dann ziehn die Moorsoldaten NICHT mehr mit dem Spaten ins Moor!« So endet das weltweit bekannte, in viele Sprachen übersetzte und bis heute in mehreren hundert Adaptionen gesungene und gespielte »Lied der Moorsoldaten«. Es zeugt vom Willen, sich durch die Misshandlungen der SS und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen nicht beugen zu lassen. Häftlinge hatten den Liedtext geschrieben (Johann Esser), überarbeitet (Wolfgang Langhoff), die Melodie notiert (Rudi Goguel), das Liedblatt illustriert (Hanns Kralik). Gesungen von einem 40 Mann starken Häftlingschor, wurde das Lied im Rahmen eines von den Lagerinsassen gestalteten Kulturprogramms – initiiert von dem Schauspieler Wolfgang Langhoff – am 27. August 1933 im KZ Börgermoor uraufgeführt.

Das Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager e. V. veranstaltete zum 90. Jahrestag gleich zwei Gedenk- und Kulturveranstaltungen mit einem vielfältigen Programm, in denen das »Lied der Moorsoldaten« im Mittelpunkt stand.

90. Jahrestag der Uraufführung

Eine der hölzernen Moorsoldaten in der Gedenkstätte Emslandlager. Foto: Gedenkstätte

Eine der hölzernen Moorsoldaten in der Gedenkstätte Emslandlager. Foto: Gedenkstätte

Am Nachmittag des 27. August trafen sich am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Börgermoor am Denkmal für die Häftlinge des KZ etwa 60 Personen. Sie gedachten des 90. Jahrestages der Uraufführung. Unter den Gästen waren Nachkommen von KZ-Insassen, die an der Aufführung beteiligt waren. Begrüßt wurden die Anwesenden vom Bürgermeister der Gemeinde Surwold und von der 2. Vorsitzenden des Aktionskomitees DIZ Emslandlager, Sabine Mithöfer. Dann folgte die berührende Lesung einiger Kapitel aus dem 1935 erschienenen Buch »Die Moorsoldaten« von Wolfgang Langhoff, dem nach seiner Entlassung aus dem Moorlager die Flucht in die Schweiz gelungen war.

Am Abend spielte die Gruppe »Die Grenzgänger« im vollen Theater in Papenburg ihr Programm »Und weil der Mensch ein Mensch ist«. Zur Einführung des Konzerts sprach der Vorsitzende des Aktionskomitees DIZ Emslandlager, Prof. Dr. Habbo Knoch. Das DIZ als bürgerschaftliche Initiative hatte sich seit den 1980er-Jahren um die Erinnerungsarbeit zu den Emslandlagern gekümmert. Diese Arbeit führte schließlich zur Errichtung der Gedenkstätte Emslandlager in Esterwegen. Vom Träger der Gedenkstätte, der »Stiftung Gedenkstätte Esterwegen«, wird das DIZ inzwischen politisch ausgegrenzt.

Sehnsucht nach einer besseren, gerechteren Welt

Mit antifaschistischen Liedern und weiteren Liedern, die in Konzentrationslagern entstanden sind, zum Beispiel in Sachsenhausen oder Buchenwald, erinnerten »Die Grenzgänger« an die Schicksale der Menschen hinter diesen Liedern, an ihren Widerstand trotz Angst, Gewalt und Tod, an ihre Sehnsucht nach einer besseren, gerechteren Welt und ihren Kampf dafür. Das Programm gab auch Hoffnung: Es bewies, dass es trotz aller Schikanen den Nazischergen nicht gelungen ist zu verhindern, dass sich in den Lagern und im antifaschistischen Widerstand eine reiche humanistische Kulturszene entwickelte!

Zum Abschluss des Abends sang die Gruppe, auf den Stufen der Bühne sitzend, gemeinsam mit dem textsicheren Publikum das »Lied der Moorsoldaten« – ein emotionaler Ausklang eines nachdenklich machenden Programms!

Lied als Kulturerbe?

Ende August hat die Gedenkstätte Esterwegen bei der Deutschen UNESCO-Kommission die Anerkennung des »Lieds der Moorsoldaten« als Weltkulturerbe beantragt. Es gilt als das bekannteste Lied aus den Konzentrationslagern, und es existieren schätzungsweise 500 Versionen des Liedes in diversen Sprachen.     (red)