Wieder kriegstüchtig sein

geschrieben von Florian Gutsche

11. Januar 2024

Wehrpflicht, Aufrüstung und sprudelnde Gewinne für Rheinmetall & Co.

Ausgerechnet am 27. Januar 2023 fiel »Verteidigungsminister« Boris Pistorius (SPD) nichts Besseres ein, als das Aussetzen der Wehrpflicht als Fehler zu bezeichnen. Vor ihm hatten u.a. bereits Patrick Sens-burg (CDU), auch Präsident des Bundeswehr-Reservistenverbandes, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), Friedrich Merz (CDU) die Wiedereinführung eines Pflichtjahres gefordert. Nach der Äußerung von Pistorius riss auch 2023 der Strom an Äußerungen von denjenigen, die sich die Wiedereinführung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes (billige Arbeitskräfte im Pflegesektor) wünschen, nicht ab. Am 9. November 2023 kulminierte dies in der Weissagung von Pistorius, dass die Wehrpflicht-Diskussion wieder Fahrt aufnehmen würde.

Beide Äußerungen an diesen für uns als Antifaschist*innen so wichtigen Daten, lassen für 2024 Schlimmes erahnen. Die Zahl der Soldat*innen soll zunehmen, mittlerweile ist auch die Wehrpflicht von Frauen im Bund kein Tabu mehr. Gleichzeitig geht die ausrüstungsbezogene Aufrüstung des BRD-Militärs rasant voran. Mehr Munition, mehr Waffen und ausgefeiltere Systeme sollen in größerer Geschwindigkeit gekauft werden. Das freut die Aktionäre von Rheinmetall & Co., zumal das Exportvolumen deutscher Waffen und Munition in alle Welt mit 11,7 Milliarden Euro (Zeitraum: 1. Januar – 12. Dezember 2023) nie gekannte Ausmaße hat.

Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsplanung der Bundesregierung waren die Ampelparteien nicht Willens, die notwendigen Schritte zur Rettung des Planeten zu unternehmen. Statt bei der Rüstung zu sparen, musste der Klimatransformationsfonds dran glauben, um zwölf Milliarden Euro einzusparen. Weiterhin kommen 2024 diverse Mehrbelastungen auf die Menschen in Deutschland zu. Lediglich Rüstungsgüter im Wert von etwa 500 Millionen Euro werden bei der Bundeswehr nun statt aus dem laufenden Haushalt aus dem Sondervermögen der Bundeswehr bezahlt werden müssen. Bei einem der größten Klimakiller, dem Militär, den Rotstift anzusetzen, ist auch für die Grünen augenscheinlich unmöglich.

Trotz der eindeutig falschen Priorisierung durch die Bundesregierung, bei der insbesondere Gesundheit und Soziales zu kurz kommen, tritt die Friedensbewegung auf der Stelle. Dafür gibt es mehrere Gründe. Kurz gesagt sind es die verschiedenen Analysen der multipolaren Welt und die daraus gezogenen Schlüsse sowie die Ausrichtung in der Bündnispolitik mit »neuen« Akteur*innen, über die keine Einigkeit herzustellen ist. Der Bundesausschuss der VVN-BdA lehnt aus guten Gründen eine Kooperation mit der Partei »die Basis« und anderen Akteur*innen aus dem verschwörungsideologischen und pandemieleugnenden Spektrum ab. Leider gilt dieser Grundsatz nicht für alle, so waren auch 2023 beim sogenannten Kasseler Friedensratschlag Vertreter*innen der Partei »die Basis« anwesend und veröffentlichten im Nachgang ein Video auf ihrem Telegram-Kanal. Die fehlende Abgrenzung von Akteur*innen aus diesem Spektrum wird im übrigen auch einer der Gründe für das massive Überalterungsproblem der Friedensbewegung sein, denn Aktivist*innen aus der Klimabewegung oder den Gewerkschaften haben zu Recht keinen Bock, ihre Positionen und Glaubwürdigkeit mit einer solchen Bündnispolitik zu untergraben. So verhindern einige, dass das wichtige Anliegen von Abrüstung und Frieden eine nennenswerte gesellschaftliche Unterstützung und Mobilisierung erfährt.

Doch was tun? Das Thema der Wehrpflicht im Rahmen der Kriegstüchtigkeitskampagne von SPD und CDU wird auch dafür sorgen, dass sich wieder vermehrt junge Menschen mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie sie es ganz persönlich mit dem Dienst an der Waffe halten. Hier bestehen Ansatzpunkte, die rasende Militarisierung schärfer zu kritisieren und Menschen davon zu überzeugen, diese abzulehnen. Es gibt auch die Möglichkeit, den internationalen Aspekt der Kriegsdienstverweigerung und der Arbeit für den Frieden stärker hervorzuheben. Denn Menschen, die beispielsweise aus Russ-land geflohen sind, weil sie in diesem Krieg nicht mitkämpfen wollen, bekommen bis heute kein Asyl in Deutschland. Ähnliches gilt für junge Männer aus der Ukraine, denen Vertreter*innen des ukrainischen Staates damit drohen, dass sie auch außerhalb des ukrainischen Staatsgebietes zum Kriegsdienst eingezogen werden können. Alle eint, dass sie nicht bereit sind, in einem Krieg zu morden, und schon gar nicht sterben wollen. Diesen Menschen Unterstützung zukommen zu lassen, sie in ihren Ländern und in Deutschland vor staatlichen Übergriffen zu schützen, sollte ein Anliegen der gesamten Friedensbewegung sein. Denn »Antifaschismus ist Humanismus in Aktion«.