Austausch über Gegenstrategien
2. März 2024
Netzwerk »Couragiert« organisierte Kongress im sächsischen Plauen. Gespräch mit Doritta Kolb-Unglaub
antifa: Ihr habt am 17. und 18. Februar in Plauen einen Kongress des bundesweiten Netzwerks »Couragiert« mitorganisiert. Warum das Ganze?
Doritta Kolb-Unglaub: Uns ging es mit dem Kongress um den Austausch über Gegenstrategien angesichts rechter Bedrohungen – auch über die Großstädte hinaus. Der Alltag klimapolitischen und antifaschistischen Engagements in der Provinz nahm bei den Gesprächen viel Raum ein. Unser bundesweites Netzwerk »Couragiert« gibt es seit zwei Jahren, Hauptinitiator bei der Gründung war das Bündnis »Siegen gegen Rechts«, das sich damals vernetzen wollte und überregional Verbündete suchte. Sie haben dazu insbesondere Organisationen angeschrieben, in deren Gegend die Neonazipartei »Der III. Weg« mit Stützpunkten aktiv war. Dies betraf neben uns unter anderem Gruppen aus Schweinfurt, Wunsiedel und Angermünde. Dann haben wir uns etwa alle zwei bis drei Monate getroffen, dies geschah aber nur digital per Zoom. Die Idee zu der Konferenz entstand aus dem Wunsch, sich auch mal in Präsenz zu sehen. Die Wahl fiel auf Plauen, weil wir in diesem Jahr das Empfangsgebäude des Oberen Bahnhofs als Multifunktionsfläche bespielen dürfen. Die 200 Quadratmeter dort bieten genügend Platz und sind voll ausgestattet mit Tischen, Stühlen, Flipcharts. Alles, was man so braucht, ist also da.
antifa: Wen hat die Veranstaltung zusammengebracht, und was ist passiert?
D. K.-U.: Zum Kongress sind Leute aus dem ganzen Bundesgebiet gekommen, zum Beispiel aus Angermünde, Köln, Essen, Reutlingen, Berlin, Naumburg, Leipzig, Dresden, Brandenburg, Wunsiedel und Schwarzenbach an der Saale – insgesamt 80 Personen. Unsere Teilnehmenden stellten ein wirklich abwechslungsreiches Spektrum dar: Von jung bis alt, konservativ oder ganz links. Dennoch gab es keinen Stress, jeder hat den anderen respektiert und akzeptiert. Unter den Referenten hatten wir mit Marco Wanderwitz einen Politiker der CDU, mit dem wir die Frage diskutiert haben, was passieren kann, wenn die AfD verboten wird. Jakob Springfeld hat aus seinem Buch »Unter Nazis« gelesen, danach war viel Raum für lebendige Gespräche und Austausch. Dann folgten Workshops, ein wenig zu kurz kam leider der Dialog untereinander. Wir hatten auch die »Radikalen Töchter« aus Berlin zu Gast, die den Teilnehmenden näherbrachten, wie sich mit verrückten Aktionen öffentlich viel Aufmerksamkeit erzeugen lässt. Weiterhin hatten wir die »Komplizenschaft« aus Leipzig dabei, das ist eine Vereinigung von Grafikern und Künstlern, die für Vereine in ländlichen Räumen Geld sammelt – was auch uns schon zugute kam. Und schließlich konnten wir Bernd Langer aus Berlin mit seiner Ausstellung »Kunst und Kampf« und Bettina Pour-Imani von »Siegen gegen Rechts« begrüßen, beide haben auch über die inflationäre Verwendung des Faschismusbegriffs diskutiert.
antifa: Was folgt nun nach dem Kongress?
D. K.-U.: Wir haben festgestellt, dass uns dieser ermutigt und Aufwind gegeben hat. Wir wollen mehr Austausch untereinander und arbeiten an einem Aktionsplan, um weiter etwas zu bewegen und gemeinsam entscheiden zu können, wohin die Reise geht. Was wir unterstützen werden, ist ein AfD-Verbot. Antifaschistinnen und Antifaschisten insbesondere auf dem Land brauchen zudem ein starkes Netzwerk im Rücken, auch um nicht als Nestbeschmutzer rüberzukommen. Diesen Vorwurf müssen wir uns angesichts der rechten Stimmungsmache in Plauen immer wieder anhören. Hier gibt es also ein Problem, das einigen Leuten, insbesondere aus dem Westen oder größeren Städten, so gar nicht bekannt war. Konsens bestand, dass wir nicht mit einschlägigen Rechten diskutieren wollen, sondern Formate brauchen, unsere Ideen weit in die Gesellschaft zu tragen. In die Gespräche in der Schule, am Arbeitsplatz, beim Sport, in den Familien und so weiter. Jedenfalls wird es ein nächstes Präsenztreffen nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg geben.
antifa: Mehrere Millionen waren in den letzten Wochen bundesweit bei Protesten gegen den Rechtsruck und die AfD auf den Straßen. Wie kann die Sache in Schwung bleiben?
D. K.-U.: Das passiert leider nicht automatisch, was wir in Plauen besonders merken: Bei der ersten Demo waren hier 1.800 Menschen auf der Straße, kurz darauf waren es nicht einmal mehr 500. Zum Faschingsumzug durch Plauen kamen hingegen kurz darauf bei strömendem Regen 15.000 Menschen. Da können wir uns ausrechnen, was im ländlichen Raum passiert, nämlich nichts. Da gibt es mal ein kurzes Aufploppen, und dann ist das in den kleineren Städten wieder weg. Ich bezweifle, dass es lohnt, seine ganze Kraft da hereinzuhängen. Das miteinander reden ist wichtig, Formate zu finden, miteinander zu sprechen, halt der Austausch untereinander.
antifa: Inzwischen wird breit ein Verbot der AfD diskutiert. Wie wurde das bei euch beraten?
D. K.-U.: Wir stehen dem nicht ablehnend gegenüber, haben aber auch einige Zweifel und Bedenken. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit dem NPD-Verbotsverfahren und dem gegen das neonazistische »Freie Netz Süd«, das hier ja auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft aktiv war. In den Jahren des Verbotsverfahrens hatten die gleichen Leute schon die Partei »Der III. Weg« als Ersatzorganisation gegründet. Dass sich das so lange hinzieht, bringt also auch Gefahren mit sich. Wir haben uns auf dem Kongress mal das Szenario vorgestellt: Man verbietet, meinetwegen in einer kürzeren Zeit als es bei der NPD versucht wurde, die AfD. Durch ein Verbot löst man ja das Problem nicht, dass wesentliche Teile der Bevölkerung AfD-Positionen vertreten. Viele Leute in den Parlamenten wären nach einem Verbot arbeitslos, das geht bis runter in die Kommunalparlamente, und es sind diese ganzen Wähler der Partei natürlich nicht verschwunden. Was kann uns da im schlimmsten Falle blühen? Welche Saat geht dann auf? Greifen die Nazis dann zu den Waffen? Dennoch werden wir alle Bemühungen, mit denen die Möglichkeit eines AfD-Verbots befördert wird, unterstützen. Sie sind einfach viel zu weit gekommen, man hat zu lange geschlafen. Es braucht diese gesamtgesellschaftliche Diskussion über Gefahren von rechts – und gerade geeignete Strategien dagegen, die mit Verboten nicht aufhören dürfen.
antifa: Gab es denn von rechter Seite Versuche, euren Kongress zu stören?
D. K.-U.: Mehrfach sind lokale Rechte vorbeigelaufen und haben den Hitlergruß gezeigt. Wir hatten aber ein gutes Schutzkonzept, um zu vermeiden, dass welche reinkommen. Aktuell ist die Neonaziszene in Plauen eher ruhig, Aufmärsche martialischer Art gibt es nicht mehr. Aber was wir zunehmend im gesamten Stadtgebiet haben, sind geschmierte SS-Runen und Hakenkreuze. Teilweise gibt es dann Streitereien zwischen den Behörden um die Zuständigkeiten, wer die Nazisprüche wegmacht.
Doritta Kolb-Unglaub von colorido e. V. aus Plauen zur Geschichte und den Aktivitäten des Vereins:
»Uns gibt es in Plauen seit 2017 als Verein. 2019 haben wir den ersten Raum am Dittrichplatz 8 bezogen. Dort haben wir allerlei Veranstaltungen gemacht, waren aber ab 2020 schwer ausgebremst durch die Pandemie. Inzwischen gibt es gleich zwei Räumlichkeiten, Räume am Dittrichplatz 9 kamen dazu. Wir sind also ein sozialer Ort in Sachsen mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern, gefördert durch die Sächsische Aufbaubank. Wir haben ein Begegnungscafé, einen Buchclub und einen »Bring-und-Nimm-Laden«. Der läuft wie verrückt. Wir haben zwei Tage die Woche drei Stunden auf, und da sind bis zu 100 Personen zu bewältigen, die kommen. Das Interesse nimmt stark zu, ähnlich wie das an den Tafeln. Im Rahmen der politischen Bildung richten wir aktuell unser Hauptaugenmerk auf die Arbeit gegen die extreme Rechte und Rassismus, was aber auch schon seit Jahren zu unseren Schwerpunkten zählt. Dazu zählt auch unsere Arbeit im bundesweiten Netzwerk ›Couragiert‹.«
Fotos: colorido e.V.
Das Gespräch führte Andreas Siegmund-Schultze
Das Gespräch erscheint hier in einer umfangreicheren Version als in der Printausgabe