Es beginnt vor Ort
2. März 2024
Dörfer gegen rechts
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die bereit sind, sich für eine demokratische, offene und vielfältige Gesellschaft einzusetzen. Sie haben sichtbar gemacht, wie unterschiedlich die Voraussetzungen dafür sind und wie wichtig ein offener und stetiger Austausch darüber ist. In der Fläche, über mehrere Bundesländer verteilt, ist eine neue Vernetzung von unten entstanden. Unter dem Slogan »Dörfer gegen rechts« treffen sich Menschen, die sich rechter Politik eben da, in den Dörfern und Kleinstädten entschlossen entgegenstellen.
Dabei treten lokale Besonderheiten, aber auch gemeinsame Probleme hervor. Es geht um Protest und Einschüchterungsversuche; um Sozialräume und die Sichtbarkeit politischer ländlicher Lebensrealitäten, die aktiv daran arbeiten, den Hegemoniebestrebungen von rechts entgegenzutreten und ihr »Recht auf Dorf« einzufordern. Antifaschistische Jugendgruppen, soziokulturelle Projekte und breite lokale Bündnisse entstehen aus den konkreten Auseinandersetzungen vor Ort.
Die Basis dieser Vernetzung ist das gegenseitige Publikmachen und zur Kenntnis nehmen auf der Social-Media-Plattform Instagram. Anfangs lag der Fokus auf Mobilisierung durch Solidarisierung. Es entstand Aufmerksamkeit, Ansprechbarkeit, der Im- und Export von Ideen und Handlungsmöglichkeiten. Die Solidarisierung – die häufig aus der Ferne stattfindet – beschränkt sich nicht nur auf das Bekunden und Weitererzählen, sondern äußert sich mittlerweile auch darin, Kommentarspalten im Blick zu behalten, um online direkt zu unterstützen.
Menschenverachtende Ideologien finden sich auf dem Land tradiert in einer Kultur der Abwertung, des Ausschlusses sowie der patriarchalen Dominanz und verhindern eine eigenständige und unabhängige Gestaltung ländlicher Gesellschaften. Rechte Politik ist auch in der Kommunalpolitik von Raumaneignung bestimmt. In Gremien werden besonders Frauen angegriffen, Anträge werden ideologisch aufgeladen, Themen mit Anfragen gekapert. Machogehabe, das statt mit konstruktiven Vorschlägen versucht mit vielen Kommentaren zu punkten. Sich nicht Auskennen wird zur Strategie. Durch diese Abwertungen und Angriffe werden andere Menschen, die versuchen, ernsthaft etwas in der Lokalpolitik zum besseren zu bewegen in einer konstanten Verteidigungsposition gehalten. Das führt unter Umständen zum Ausscheiden wichtiger Akteure. Die fehlende Verhandlung führt zur Durchsetzung zu kurz greifender Ideen. Strukturelle Versäumnisse und daraus resultierende Krisen lassen sich nicht anhand von Scheinlösungen und Vorurteilen reparieren. Aber eben diese können Leben zerstören, Nachbarschaften vergiften und für eine Spirale der Gewalt sorgen.
Dabei zählt es gerade auf dem Land zur Lebensqualität, aufeinander angewiesen zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen – in aller Unterschiedlichkeit. Eine schwache Zivilgesellschaft führt dann dazu, dass Konflikte schnell unter den Teppich der »Sorgen um den Ruf der Gemeinde« gekehrt werden oder sich eine Gewöhnung an die Gewalt und Deprivation einstellt. Dabei hat die ländliche Übersichtlichkeit, das »sich gegenseitig kennen«, verbunden mit einer Kultur der Dorfplätze und einer lösungsorientierten Politik der Wertschätzung und Verbindlichkeit, das Potenzial, Probleme, Leerstellen und Differenzen grundständig zu verhandeln und Lebensqualität für verschiedene Lebensformen auch in strukturell »armen« Regionen umzusetzen.
Dörfer gegen rechts zeigt auch, dass es ein geteiltes Unbehagen darüber gibt, wie Kommunalpolitik aller demokratischen Parteien rechte Muster des Erzählens und Ablenkens übernimmt und lieber einen bürokratischen Aktionismus entfaltet, statt sich der eigenen Kompetenzen, Aufgaben und Ressourcen bewusst zu werden. Die lokale Politik und Verwaltung muss in der Lage sein, progressive demokratische Bewegungen aus der ländlichen Zivilgesellschaft zu unterstützen. Nur so können sich dringende Fragen von Nachhaltigkeit, Teilhabe und Daseinsvorsorge klären. Das bedarf einer offenen und kreativen Grundhaltung, gekoppelt an eine pragmatische, auf akute Herausforderungen reagierende Herangehensweise. Das bedeutet auch das Kontextualisieren von technologischer Innovation und sozialer Praxis sowie die Förderung von lokaler Kultur durch Selbstorganisation, von Versorgungs-, Begegnungs- und Wohnorten mit diversem und inklusivem Anspruch.
Für den Moment sind die Dörfer mit Kundgebungen oder Demonstrationen beschäftigt. Das ist wichtig, denn dadurch werden Räume (wieder-)eröffnet, um überhaupt Debatten führen zu können, um dominanten Konzepten (wie z.B. den AfD-Stammtischen) etwas entgegenzusetzen. Umso fataler ist der versuchte Ausschluss von Antifas, zumal diese in den vergangenen Jahren vielerorts die einzige Praxis gegen rechte Raumnahmen waren und aktiv für die Menschenrechte und Würde, die nicht ethnisch relativert werden darf, gestritten haben.
Interessante Anregungen finden bei:
aktionsbuendnis-brandenburg.de
bundesverband-mobile-beratung.de
Bunte Perlen Waldheim
Queeres Döbeln
Elbe-Elster gegen Rechts