Potsdam ist überall
2. März 2024
Treffen offenbarte enge Verbindungen von Neonazis mit Rechtskonservativen
Das Ende November in einem Potdamer Hotel ausgerichtete Treffen von Neonazis und Rechtskonservativen bestimmte im Januar wochenlang die Berichterstattung. Mitglieder von Werteunion, CDU, AfD und andere Rechte – darunter einige Unternehmer – diskutierten dort über einen »Masterplan Remigration«. Das Treffen wurde von Correctiv beobachtet, dann in mehreren Artikeln aufgearbeitet und unzählige Mal medial aufgegriffen. Die 30 Teilnehmer mussten jeweils 5.000 Euro Spende zahlen, die an eine bisher nicht genannte rechte Organisation weitergegeben worden sein sollen. In der Ankündigung, die nur an ausgesuchte Personen ging, wurde der österreichische »Identitäre« Martin Sellner als Hauptredner angekündigt und dass er dabei seinen »Masterplan« präsentiere. Sellner ist eng mit Götz Kubitschek und dem Institut für Staatspolitik in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) verbunden. Die Ideen, die Sellner vorstellte, werden im Umfeld von Kubitschek und AfD schon lange diskutiert – aus heiterem Himmel gefallen sind diese Vorstellungen für diejenigen, die sich über die rechte Szene informieren, also nicht.
Es ging bei dem Treffen vordergründig darum, alle nach Deutschland geflüchteten Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, abzuschieben – teilweise heißt es in eine »Musterstadt« oder einen »Musterstaat« in Nordafrika. Die Äußerungen Sellners zeigen aber, dass es bei den Überlegungen um viel mehr geht. Nach seinen Ausführungen sollen mehrere Gruppen Deutschland verlassen: Zusätzlich zu der ersten Gruppe sollen Geflüchtete mit einem Aufenthaltsstatus und »nicht assimilierte« deutsche Staatsbürger:innen abgeschoben werden. Hinzu kommen dann noch viele Migrant:innen und alle, die sich für Geflüchtete einsetzen oder Menschen allgemein, die sich in so einem völkischen Staat nicht wohlfühlen würden.
Sellner sagte dann auch, dass es sich bei den Überlegungen um kein Projekt handelt, das sich sofort umsetzen lasse, sondern dass Gesetze geschaffen werden müssten, die den Betroffenen zeigen, dass sie in Deutschland nicht willkommen sind. Dazu gehören auch Ideen, Menschen mit einer doppelten Staatsangehörigkeit die deutsche zu entziehen. Björn Höcke, der erklärt, dass Kubitschek ein wichtiger Impulsgeber für ihn ist, sprach in seinem Buch »Nie zweimal in denselben Fluss« von »wohltemperierten Grausamkeiten«, die dann nötig seien. Er führt darin weiter aus, das heiße, »dass sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden« ließen. Eine »neue Regierung« müsse »schwere moralische Spannungen« aushalten und »aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen«. Höcke schreibt zudem: »Wenn wir weniger Hidschab- oder Burka-Trägerinnen auf unseren Straßen und Plätzen haben wollen, dann ist es meines Erachtens der falsche Weg, diesen Frauen ihre kleidungsmäßigen Gepflogenheiten auszutreiben, sondern man sollte darüber nachdenken, die Zahl der hier lebenden Muslime zu verringern.« In dem Buch kündigt er ebenso an, dass Deutsche, die sich nicht an das von der AfD errichtete Deutschland anpassen wollen, aus dem »Volkskörper« ausgeschlossen werden müssten.
Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD bei der anstehenden EU-Wahl, äußert sich laut Spiegel ähnlich. In seinem Buch »Politik von rechts« schreibt er über die Zahl der Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden sollen, »(…) prognostisch über 25 Millionen, davon über 15 Millionen deutsche Staatsangehörige«.
Nicht nur in Potsdam fanden strategische Treffen von Vertretern verschiedener rechter Gruppen statt. Nach Recherchen des Spiegels hatte eines vorigen Sommer in einer Berliner Privatwohnung stattgefunden. Brisant ist, dass die Wohnung dem ehemaligen Finanzsenator von Berlin, Peter Kurth (bis Oktober 2023 Mitglied der CDU, seitdem parteilos), gehört. Krah konnte vor dem illustren Kreis sein Buch vorstellen und über seine Ideen sprechen. Zu den geladenen Gästen gehörten auch wieder Sellner und Kubitschek. Das Buch von Krah ist im Antaios Verlag von Kubitschek erschienen. Anwesend war auch die Berliner Vorsitzende der AfD Kristin Brinker. Gegenüber dem Tagesspiegel gab sie an, dass bei diesem Treffen Sellner ebenfalls über die Thesen seines Buches zur »Remigration« gesprochen habe.
Kurth gehörte auch zu den Finanziers eines Hauses der »Identitären Bewegung« in Steyregg bei Linz. Dem Spiegel liegt die Kopie einer Überweisung vor, die belegt, dass Kurth, als er noch CDU-Mitglied war, 120.000 Euro an eine Firma überwiesen habe, die den »Identitären« nahesteht und Gelder gesammelt habe, um das Haus kaufen zu können.
Maximilian Krah ist in Sozialen Medien sehr aktiv. Hinter seinem Engagement, das er besonders auf der Plattform TikTok zeigt, steckt Erik Ahrens. Dieser gehört ebenfalls zur »Identitären Bewegung«. Kaum verwunderlich, dass auch Ahrens gern gesehener Gast in Schnellroda bei Kubitschek ist. Ahrens schrieb laut einer Recherche von Zeit online auf X: »Erbliche Veranlagung ist der Schlüssel« für zukünftige Politik. Damit schreibt er offen, was hinter den ganzen Ideen steckt. Deutschland soll ein ethnisch »reines« Land der Deutschen werden. Alle, die in der Blutlinie nicht dazugehören, sollen mit der Zeit abgeschoben werden. Immer mehr Menschen erkennen zum Glück diese völkischen und faschistischen Vorstellungen und gehen dagegen auf die Straße.