Botschaft der Solidarität
27. April 2024
Zum Tod von Stefan Jerzy Zweig (1941–2024)
Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/Freundeskreis und die LAG Buchenwald-Dora trauern um den Tod eines Zeitzeugen, Stefan Jerzy Zweig. Er war als »Buchenwald-Kind« einer der bekanntesten Überlebenden des KZ Buchenwald. Bruno Apitz hatte ihm mit dem Roman »Nackt unter Wölfen« quasi ein Denkmal gesetzt. Sein Überleben galt für Nachgeborene als symbolisches Zeichen für Humanismus und Überlebenswillen der Häftlinge.
Das Leben von Stefan J. Zweig war von Anfang an vom faschistischen Terror geprägt. Geboren wurde er im Januar 1941 im Ghetto von Krakau (heute: Kraków). Als das Ghetto liquidiert wurde, brachte ihn sein Vater Zacharias Zweig unter abenteuerlichen Umständen im August 1944 mit dem Transport nach Buchenwald. Dort nahmen sich die politischen Häftlinge Willi Bleichert und Robert Siewert seiner an und halfen in Abstimmung mit dem illegalen Häftlingswiderstand, dass Stefan nicht nach Auschwitz deportiert wurde. Er wurde mit elf anderen von der Transportliste gestrichen, die dann jedoch mit neuen Namen aufgefüllt werden musste – der Transportbefehl der SS musste erfüllt werden. Auf diese Weise kam der damals 16jährige Sinto Willy Blum auf die Liste. Er begleitete seinen jüngeren Bruder nach Auschwitz. Zu ihrem Schutz wurden Stefan und sein Vater anschließend im »kleinen Lager« untergebracht, da dort die SS seltener auftauchte. Tatsächlich überlebten beide und erlebten die Selbstbefreiung des Lagers am 11. April 1945. Stefan J. Zweig nahm als jüngster Häftling an dem Freiheitsappell am 19. April 1945 teil.
In der DDR wurde die Erinnerung an das »Buchenwald-Kind« als Teil der Erinnerungsarbeit gepflegt. Bei der Errichtung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte wurde eine Tafel angebracht: »In diesem Gebäude befanden sich die Effektenkammer, die Häftlingsbekleidungskammer und die Gerätekammer. In der Effektenkammer versorgten Häftlinge den zwischen Säcken versteckten dreijährigen Stefan Zweig. Unter Einsatz ihres Lebens retteten sie das Kind vor der Vernichtung.« Bruno Apitz fokussierte seinen 1958 erschienenen Roman auf die Rettung des Kindes, Frank Beyers Verfilmung von 1963 verdichtete den Roman auf die Botschaft der Solidarität, des Überlebenswillens und des Widerstandes der Häftlinge.
Nach 1989/1990 geriet auch die Erinnerung an Stefan J. Zweig in die Mühlen der Abwicklung des Antifaschismus. Der damalige Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge ließ die Gedenktafel entfernen und behauptete, es habe keine Rettung gegeben, sondern nur ein »Opfertausch« stattgefunden. Erst ein Gericht musste 2012 dafür sorgen, dass Knigge den Begriff im Fall von Stefan J. Zweig nicht mehr in Interviews verwendete.
Durch solche Angriffe tief verletzt und gesundheitlich zunehmend eingeschränkt, zog sich Stefan J. Zweig in den letzten Jahren aus der Öffentlichkeit zurück. Er starb im Alter von 83 Jahren Anfang Februar 2024 in Wien, wo er seit Mitte der 1970er Jahre lebte.