Extreme Rechte stoppen!
27. April 2024
Neofaschisten und die Europawahlen
Anfang Juni finden in allen Ländern der Europäischen Union die Wahlen zum Europaparlament statt. Seit einiger Zeit kommt auch medial der Wahlkampf in Gang. Dennoch besteht in verschiedenen europäischen Ländern die Sorge, dass die Wahlbeteiligung deutlich hinter nationalen Stimmengängen zurückbleiben wird, da die Frage, was die EU den Menschen bringt, oft nicht überzeugend beantwortet werden kann. Nationalistische Parteien, die genau dieses Defizit zum Wahlkampfthema machen, werden in der medialen Debatte gerne als »europa-skeptisch« abqualifiziert, statt darüber zu diskutieren, welche Politik im Interesse aller Menschen in Europa betrieben werden müsste, um die Unterstützung der Wähler*innen zu gewinnen.
Die Wahlergebnisse in den letzten Monaten in den verschiedenen europäischen Ländern machen deutlich, dass die Parteien und Kandidaten, die mit europakritischen Themen in den Wahlkampf ziehen, stabile Ergebnisse, oftmals sogar Zuwächse zu verzeichnen haben. So erreichte bei der Präsidentschaftswahl in Finnland der Kandidat der extrem rechten »Wahren Finnen« im Januar 2024 mit knapp 20 Prozent der Stimmen den dritten Platz und unterstützte anschließend den Vertreter der »Nationalen Sammlungspartei«, der jetzt weiß, in wessen Interesse er politisch agieren muss. In Portugal verdoppelte die Partei »Chega« ihren Stimmenanteil bei der Parlamentswahl im März 2024 und ist nun drittstärkste Kraft. Damit wird sie die zukünftige Regierungspolitik beeinflussen. Bei den Regionalwahlen in Polen Anfang April konnte die rechte PiS-Partei ihre starke Stellung verteidigen. Die mit EU-Unterstützung geförderte Partei von Donald Tusk bleibt Nummer zwei, und, was viel problematischer ist, die Wahlbeteiligung in den großen Städten ging deutlich zurück.
Eine zweite problematische Tendenz sind die Bestrebungen der extrem rechten Parteien, sich im Vorfeld der Wahlen politisch zu vernetzen und mögliche Störpotenziale für einen erfolgreichen Wahlauftritt zu vermeiden. So ist zum Beispiel zu erklären, warum Marine Le Pen und ihre Partei Rassemblement National die AfD nach dem Correctiv-Bericht über die Potsdamer Tagung aufgefordert haben, sich von solchen Aussagen (»Remigration«) offiziell zu distanzieren. Das hat nichts mit politischen Differenzen in der jeweiligen rassistischen Politik zu tun, sondern mit Wahltaktik und der »Anschlussfähigkeit« an die dominanten Parteien im Europaparlament. Man will offenbar im kommenden Parlament nicht mehr aufgeteilt in den drei Fraktionen »Identität und Demokratie« (ID), Europäische Konservative und Reformer (EKR) und Europäische Volkspartei (EVP) Politik machen, sondern als geeinte Kraft der extremen Rechten in Europa. Dabei erwartet man – ausgehend von der Demoskopie –, möglicherweise die drittstärkste Kraft zu werden, mit Konsequenzen für den Einfluss in Ausschüssen, den Zugängen zu Geldquellen und anderen Privilegien der Parlamentsarbeit. Wozu man solche Gelder nutzen will, zeigte bereits der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah, der extrem rechte Ideologen zu einer Konferenz nach Brüssel einlud, in ein Nobelhotel und mit gemütlichem Beisammensein in exklusiven Lokalitäten – auf Kosten der Europäischen Union. Aufgrund öffentlicher Proteste zogen das Hotel und die Restaurants ihre Zusagen zurück. Sollte die extreme Rechte stärker werden, dürften solche antifaschistischen Erfolge schwieriger werden.
In Italien konnte man im Dezember erleben, wie intensiv an einer rechten Vernetzung gearbeitet wird. Zuerst organisierte Matteo Salvini (Lega) eine Konferenz der ID in Florenz unter dem harmlosen Motto »Arbeit, Sicherheit, Gemeinsinn«. Beteiligt waren Marine Le Pen und Geert Wilders (Niederlande) – beide schickten Videobotschaften, Harald -Vilimsky (FPÖ) und Tino Chrupalla (Co-Chef der AfD). Vertreten waren Kostadin Kostadinow (Bulgarien), Roman Fritz (Polen) und George Simion (Rumänien), der Europa als »Inferno« bezeichnete und als Probleme auflistete: »Illegale Migranten, Deindustrialisierung, Zerstörung der nationalen Identität, Absturz des Christentums. Immer weniger Mutter, Vater, Weihnachten.« Man kämpfe gegen die »Eliten«, gegen das Establishment, gegen die »Klimareligion«, gegen »diese Verrückten und Kranken«, die einen europäischen Superstaat wollen, erklärte Salvini.
Danach lud die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (»Fratelli d’Italia«) zum traditionellen Atréju-Festival ein, darunter Albaniens Ministerpräsidenten Edi Rama, Großbritanniens Premier Rishi Sunak, US-Multimilliardär Elon Musk und Santiago Abascal (Vorsitzender der spanischen Vox-Partei). In ihrer Abschlussrede lobte sich Meloni dafür, dass auf europäischer Ebene in Bezug auf die Migranten bereits ein Paradigmenwechsel durchgesetzt werden konnte. Jetzt gehe es darum, die Außengrenzen zu sichern. Ausdrücklich bedankte sie sich bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Wahlergebnisse und solche Treffen zeigen, wie die extreme Rechte auf dem Weg ist, ihre Netzwerke für ein anderes Europa zu stärken und auf ein gemeinsames Handeln im Wahlkampf einzustimmen. Dagegen entwickelt die FIR gemeinsam mit den Mitgliedsverbänden politischen Widerstand – im Bündnis mit zivilgesellschaftlichen Kräften, Gewerkschaften, Sozialverbänden, migrantischen Organisationen sowie Frauen- und Jugendverbänden.