Mittendrin statt nur dabei

geschrieben von Jürgen Weber

27. April 2024

Konstanzer VVN-BdA punktet durch sichtbare Bündnisarbeit

In der Konstanzer VVN-BdA dreht sich alles um breite Bündnisse. In der Regel werden diese aus der Kreisvereinigung initiiert und von Mitgliedern weiter mitgestaltet. Das ist auch so bei der Initiative »Stolpersteine für Konstanz – gegen Vergessen und Intoleranz«, und ganz aktuell gilt das für das Bündnis »Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen rechts in Stadt und Landkreis«.

Die Kreisvereinigung am Bodensee hat etwas über 40 Mitglieder, ein knappes Dutzend davon sind aktiv. Der Altersdurchschnitt der Aktiven liegt unter 60 Jahren. Durch die sichtbare Bündnisarbeit ist die VVN-BdA eine feste Größe im zivilgesellschaftlichen Engagement in der Stadt und der Region. Nur wenige der Aktiven sind Gesichter örtlicher Parteistrukturen. Die meisten »haben den Hut der VVN-BdA« auf. Das macht die Organisation öffentlich sichtbar und schafft ihr ein eigenes Profil. Die Bündnisse sind für alle Interessierten offen, und keine Gruppierung im Hintergrund versucht diese zu dominieren oder zu beeinflussen. Das schafft ein vertrauensvolles und konstruktives Klima. Mit großem Zulauf in den Bündnissen und Erfolg in der Sache.

So entstand die Initiative »Stolpersteine für Konstanz« 2005 zwar auf Einladung der VVN-BdA, wird aber heute von einem breiten, überwiegend zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen. Diese Struktur ermöglicht die Zusammenarbeit mit den städtischen Schulen. Höhepunkt dieser Zusammenarbeit ist das von Schüler:innen gestaltete Mahnmal am Bahnhof Petershausen, von dem am 22. Oktober 1940 die jüdischen Konstanzer:innen deportiert wurden. Jahr für Jahr wechselt die Gestaltung des Gedenktags von Schule zu Schule. Bisher wurden die Biografien für 272 Stolpersteine recherchiert und bis auf wenige Ausnahmen vom Kölner Künstler Gunter Demnig selbst verlegt. Die Initiative versucht zur Verlegung der Steine auch Angehörige der Opfer ausfindig zu machen und einzuladen. In einer Kooperation mit der Stadt Konstanz konnten so Angehörige beispielsweise aus Israel, den USA oder Argentinien eingeladen und die Flugkosten und Unterbringung mit einem Budget der Stadt Konstanz übernommen werden. VVN-BdA-Mitglieder sind über die Initiative so eingebunden in die städtische Gedenkarbeit. Sie sitzen am Runden Tisch »jüdischer Veranstaltungen« und sind zuständig für die offizielle Ausrichtung der Veranstaltungen der Stadt zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar und am 9. November. Das Bündnis realisierte im laufenden Jahr zur Erinnerung an die Opfer von Zwangssterilisationen die Ausstellung »Es konnte alle treffen« und verlegt im Mai die erste »Stolperschwelle« am Eingang zum Konstanzer Amtsgericht, einst Erbgesundheitsgericht.

Mahnmal für die im Oktober 1942 von den Nazis deportierten Konstanzer Juden am Bahnhof Petershausen.Foto: »Stolpersteine für Konstanz – gegen Vergessen und Intoleranz«

Mahnmal für die im Oktober 1942 von den Nazis deportierten Konstanzer Juden am Bahnhof Petershausen.
Foto: »Stolpersteine für Konstanz – gegen Vergessen und Intoleranz«

Im vergangenen November beschloss die Mitgliederversammlung der Kreisvereinigung, ein breites Bündnis zur anstehenden Kommunal- und Europawahl im Juni ins Leben zu rufen. Mitstreitende wurden in Person der Intendantin des Theaters Konstanz und eines Gastronomen, für dessen Vorfahren wegen ihrer politischen Verfolgung während der NS-Zeit Stolpersteine verlegt sind, gefunden. Sie riefen gemeinsam zur Gründung eines Bündnisses auf, welches »klare Kante gegen rechts« aus der Zivilgesellschaft zeigt. Zu den Gesichtern des Bündnisses zählt auch die Sprecherin der VVN-BdA-Kreisvereinigung, Katrin Brüggemann, der bereits 2022 das Bundesverdienstkreuz für ihr ehrenamtliches Engagement in der Stadt verliehen wurde.

Der Zeitpunkt war glücklich gewählt, denn vor der Gründungsveranstaltung demonstrierten im Zuge des Bekanntwerdens der rassistischen »Remigrations«-Pläne der Rechten 15.000 Menschen in der 90.000-Einwohner-Stadt gegen die AfD. Zur Gründung des Bündnisses »Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen rechts in Stadt und Landkreis« kamen rund 200 Menschen, von denen heute mehr als 100 in insgesamt acht Arbeitsgruppen aktiv sind. Die meisten von ihnen stehen mitten im Berufsleben, sind in verschiedenen Bereichen wie IT, PR, Bildung oder Kultur beruflich aktiv und bringen eine enorme Fachkompetenz in die Arbeit des Bündnisses. Der gemeinsame Nenner, die AfD auf allen Ebenen zu isolieren und den Faschismus in Europa zu verhindern, trägt die ganze Breite des Bündnisses. Eine Massenbewegung, wie es die Kreisvereinigung im Rahmen ihres Bestehens noch nicht erlebt hat. Dies in ihrem Kernthema, dem Kampf gegen Faschismus. Das Bündnis ist auch Teil der Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus«. Während die überwiegende Zahl der Kreisvereinigungen in Baden-Württemberg mit voller Energie um eine Position zum Ukrainefeldzug Russlands, der Rolle Deutschlands und der VVN-BdA dabei ringen, unterstützt man in Konstanz die Arbeit gegen rechts mit Erfahrung und Inhalten der Kampagnen der Bundesvereinigung.

Durch die Veröffentlichung von Recherchen des Bündnisses über die AfD und ihre Akteure im Landkreis, Aufklärungs- und Bildungsarbeit über die Inhalte der AfD, eine professionelle Kampagne zum Wählen demokratischer Parteien, Kooperationen mit Sport- und Kulturvereinen im Landkreis, Proteste gegen alle AfD-Veranstaltungen, auch auf den Dörfern im Umland, ist die AfD regional schon jetzt mächtig unter Druck geraten. So konnte sie nur in wenigen Gemeinden genügend Kandidat:innen für ihre Wahlliste zur Kommunalwahl mobilisieren und kann nun nur sehr eingeschränkt kandidieren.