Im Widerstand gegen Nazis

geschrieben von Dorothee Schmitz-Köster

8. September 2024

Frauen bekämpfen die faschistische Diktatur. Eine großartige Ausstellung in Berlin

1994 erschien ein umfangreiches »Lexikon des deutschen Widerstands«. Neben Hintergrund-essays und einer Übersicht über die zahlreichen Widerstandsgruppen stellte das Buch Personen vor, die sich gegen die Nazidiktatur gewehrt hatten – und zwar 510 Männer und 47 Frauen. Unter ihnen viele, die als »Frau von …« bekannt geworden waren, als Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Schwestern. Hilde Coppi bekam im Lexikon nicht einmal einen eigenen Eintrag, sondern wurde unter dem Namen ihres Mannes mitaufgeführt. So war das 1994 – unglaublich, aber wahr.

Menschlichkeit und Anstand

25 Jahre später (!) würdigte der Deutsche Bundestag dann offiziell »den Mut und die Leistungen« von Frauen im Widerstand – und gab dazu ein Forschungsprojekt in Auftrag. Jetzt liegen Ergebnisse vor, die Ausstellung »Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus«, die aktuell in der »Gedenkstätte Deutscher Widerstand« zu sehen ist, basiert darauf. Um erst einmal bei den Zahlen zu bleiben: Versammelt sind hier »mehr als 250 Porträts«. Porträts von Frauen, die sich aus politischen oder religiösen Motiven, aus Menschlichkeit und Anstand gegen die mörderische Diktatur zur Wehr setzten. Die gegen den Krieg, gegen den Rassismus, gegen die Unterdrückung und Gleichschaltung opponierten, aktiv wurden, den Mund aufmachten …

Zum Beispiel Hildegard Loewy, die der Ausstellung das Gesicht gibt. 1922 in Berlin geboren, 1940 Abitur am Jüdischen Gymnasium, als eine der letzten. Eine Ausbildung zur Grafikerin konnte sie nicht beenden. Also arbeitete sie als Sekretärin – und engagierte sich gegen den grassierenden Antisemitismus und den Krieg. Sie machte bei Flugblattaktionen mit, stellte ihre Wohnung für Treffen zur Verfügung, unterstützte Aktionen gegen die Propagandaausstellung »Das Sowjetparadies«. 1942 wurde sie verhaftet, schwer misshandelt, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, im März 1943 in Plötzensee hingerichtet. Da war sie 21 Jahre alt!

Wenn man die Ausstellung betritt, blickt man zuerst in unzählige Frauengesichter. In junge und alte, freundliche und ernste, traurige und fröhliche – bekannte und vor allem unbekannte. Drei Wände sind mit Porträtfotos bedeckt, eins neben dem anderen – und es könnten noch viel mehr sein. Dreht man sich um, sieht man sich 30 Frauen gegenüber, die genauer porträtiert werden.

Die AusstellungsmacherInnen haben die Fotos aufrecht hingestellt, so dass man den Frauen direkt ins Gesicht schaut. Auch während der Lektüre der Kurzbiografien und der wenigen, prägnanten Dokumente verliert man sie nicht aus den Augen. Ich habe all diese Geschichten Wort für Wort gelesen, es war wie ein Sog. Ich hätte noch mehr verkraftet. So viel Mut! Solch ein Ideenreichtum! So viel Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit! Diese Frauen haben ihr Leben riskiert, als sie JüdInnen versteckten, Lebensmittel und Ausweise für sie beschafften, ihre Wohnungen für Treffen zur Verfügung stellten, Flugblätter verteilten, Kurierdienste erledigten, den Hitlergruß verweigerten … Selbst die kleinste Widerstandsgeste wurde vom Volksgerichtshof mit der Todesstrafe geahndet. Immer wieder enden Lebensgeschichten mit den Satz: Hinrichtung in Berlin-Plötzensee.

Zum Beispiel Elfriede Scholz, geborene Remark – ja, eine Schwester des Schriftstellers Erich Maria Remarque. Sie war Schneiderin, hatte in Dresden ein eigenes Atelier – und sprach mit ihren Kundinnen offen über den Krieg. Die Soldaten seien »Schlachtvieh«, erklärte sie, und Hitler wünschte sie den Tod. Sie wurde denunziert, von der Gestapo verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt – und hingerichtet. Ihr Bruder widmete ihr später den Roman »Der Funke Leben«.

Unbekannte Frauen faszinieren

Natürlich zeigt die Ausstellung auch prominente Frauen wie Freya von Moltke oder Marlene Dietrich (»Jungs, opfert euch nicht. Der Krieg ist doch Scheiße, Hitler ist ein Idiot«), aber gerade die unbekannten faszinieren wegen der Vielfalt ihrer Motive, Aktivitäten, Identitäten. Man begegnet den Hamburger »Swing Girls« Inga und Jutta -Madlung, die im KZ Ravensbrück eingesperrt wurden. Der links engagierten Jüdin Lisa Fittko, die immer weiter floh (Prag, Schweiz, Paris), bis sie irgendwann an der spanischen Grenze landete und dort Verfolgten bei der Flucht über die -Pyrenäen half. Sie selbst konnte schließlich nach Kuba entkommen. Der Katholikin Margarete Sommer, die Informationen über Deportation, Gettos, Lager – die Auslöschung der Juden zusammentrug. Einer ihrer Berichte gelangte sogar in den Vatikan. Der weiter schwieg. Und Sofie Schlegel aus Pfullingen, die im April 1945 gegen die sinnlose Verteidigung der Stadt protestierte, mit anderen Frauen Panzersperren abbaute, sich von den Drohungen des Volkssturms nicht einschüchtern ließ und schließlich – zusammen mit anderen Frauen – weiß gekleidet den französischen Panzern entgegenging. Pfullingen blieb verschont. 2023 (!) wurden die Frauen dort mit einer Stele geehrt …

Die Ausstellung »Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus« wird in der »Gedenkstätte Deutscher Widerstand« (Stauffenbergstraße 13, Berlin) bis zum 3. November 2024 gezeigt. Von Montag bis Freitag ist sie zwischen 9 und 18 Uhr geöffnet, am Wochenende zwischen 10 und 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Zu empfehlen ist auch die Website zu »Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus«: frauen-im-widerstand-33-45.de. Dort werden über 300 Biografien vorgestellt, zu sehen sind Fotos der Ausstellung, zu hören ist ein Mitschnitt der Ausstellungseröffnung.

Der Katalog zur Ausstellung ist momentan vergriffen, wird aber nachgedruckt.