Bestseller gegen die AfD
1. November 2024
Philipp Ruch warnt vor einer Regierungsverantwortung für die extrem rechte Partei
»Dieses Buch macht Sie, macht unser Land zu Sehenden. Es lädt dazu ein, jetzt schon zu ahnen. Jetzt schon zu wissen. Was sehen wir von den Plänen, die das Antlitz der Welt und unser aller Leben verändern könnten?« Diesen hehren Anspruch an sein Buch erhebt der Autor schon im ersten Kapitel seines neuen Werkes. Philipp Ruch lässt dort erkennen, dass er kein wissenschaftlicher Publizist ist, der bierernst seine politischen Thesen darlegt. Ironisch wird er vor allem, wenn es um die Wichtigkeit dieser Publikation, ihres Autors und seiner Tätigkeit im antifaschistischen Kampf geht. Ruch ist maßgeblich am »Zentrum für Politische Schönheit« beteiligt, das bereits 2017 ein Holocaustmahnmal vor dem Wohnhaus von Björn Höcke errichtete. Seitdem kämpft das »Zentrum« gegen die AfD.
Ruch fordert AfD-Verbot
Ruchs Lösung setzt nicht darauf, die AfD durch eine antifaschistische Massenbewegung aus der Gesellschaft zu spülen. Er steht völlig hinter den im Frühjahr 2024 durchgeführten Massendemonstrationen gegen die Politik der AfD und die in der extremen Rechten geeinten »Remigrationspläne« auch gegen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Die Politik hat diesen Impuls seiner Ansicht nach aber verpuffen lassen. Vom derzeit vor allem auf Seiten der Unionsparteien und des »Bündnisses Sahra Wagenknecht« praktizierten Versuch, durch Übernahme der politischen Inhalte der AfD diese kleinzuhalten, hält Ruch gar nichts. Seine Lösung ist, die AfD durchs Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verbieten zu lassen.
Philipp Ruch liefert auch gleich das Material für das Verbotsverfahren mit. Eine der Stärken des Buches ist die Vielzahl wiedergegebener Aussagen sowie die Darstellung anderer Handlungen von Politikerinnen und Politikern der AfD, mit denen sich die Verfassungswidrigkeit der Partei belegen lässt. Im Vordergrund stehen hierbei die Tätigkeit von Spitzenvertretern der Partei und Mandatsträgern in der Bundesrepublik und hauptsächlich in den östlichen Bundesländern. Einiges ist vielleicht bekannt, anderes dürfte auch Interessierten neu sein.
Gelungen ist dem Autor die Darstellung des Propagandaapparates der AfD und der Auswirkungen auf die Anhängerschaft. Die enorme Vorherrschaft der AfD im Social-Media-Bereich wird mit dem riesigen Mehraufwand erklärt, den die Partei gegenüber den anderen Parteien betreibt. AfDler wissen nicht nur, dass sich Investitionen im Onlinebereich lohnen. Sie wissen auch, wie Propaganda bei der eigenen Anhängerschaft wirkt. Dass Ruch an vielen anderen Stellen immer wieder auf die Propaganda der NSDAP und des NS-Staates verweist und entsprechende Parallelen zieht, scheint hilfreich. Doch macht er es sich an manchen Stellen zu einfach. Zum Beispiel, wenn er die AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA) einfach mit der NSDAP-Schlägertruppe »Sturmabteilung« (SA) gleichsetzt.
Licht und Schatten hat seine Bewertung der aktuellen Politik. Er hat sicherlich recht mit seiner Kritik, dass das häufig zaghafte Vorgehen von Scholz, Merz und Co. im Kampf gegen die AfD zu sehr von kurzfristigem Denken und parteipolitischen Interessen geprägt ist. Er macht es sich aber zu leicht, wenn er Befürchtungen zurückweist, dass ein Scheitern des Verbotsverfahrens auch gesellschaftliche Folgen hätte. Nach einem Scheitern wären immer neue Verbotsanträge zwar rechtlich möglich, tatsächlich doch sehr unwahrscheinlich.
Ruchs historische Einordnungen sind die Schwachstelle des Buches. Weimar und die frühe Bundesrepublik werden – im stark akzentuierten Gegensatz zur heutigen Politik – heroisiert. So tut er so, als hätte das längere Leben einiger weniger führender Politiker der Weimarer Republik bereits ausgereicht, um die Naziherrschaft zu verhindern. Ruch nennt hier ausdrücklich Ebert, Rathenau und Stresemann. Diese These ist zweifelhaft. Ihre in ihren ausgeübten Machtpositionen vorhandenen Möglichkeiten, frühzeitig und durchgreifend die NSDAP und ihre Anführer aus dem politischen Leben der Republik auszuschalten, wollte oder konnte keiner von ihnen nutzen.
Argumentation für Verbot nicht übertragbar
Doch auch beim Antifaschismus der jungen Bundesrepublik hat Ruchs Ansatz Lücken. So glaubt er, ein AfD-Verbot ließe sich ähnlich leicht begründen wie das Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) von 1952. Ruch verkennt hierbei völlig die Tatsache, dass die SRP nicht nur mit dem Nationalsozialismus »wesensverwandt« war. Die Mitglieder der SRP waren teilweise sogar die mittlere Partei- und Staatsebene des Naziregimes. Das ist auf die AfD nicht übertragbar.
Wie bei vielen anderen steht auch bei Ruch das Bundesverfassungsgericht außerhalb jeglicher Kritik. Dass seit 1952 keine rechte Partei mehr verboten wurde, erwähnt er nicht. Dass die Ablehnungsgründe für die Verbotsverfahren seit 1952 vielleicht nachvollziehbar, aber nie unbedingt zwingend waren, ist Ruch kein Wort wert. Philipp Ruch ist völlig authentisch in der Beschreibung der AfD und darin, welche Gefahren er in ihr für Demokratie, Gesellschaft und Menschenrechte sieht. Wer sein Wissen hierüber erweitern will, dem sei das Buch empfohlen.