Schlichte Notwendigkeit
1. November 2024
AfD-Verbot jetzt! Verharmlosung, Beschwichtigung und Legitimierung befördern Aufstieg extrem rechter Partei
Noch während der von Wohlstandschauvinismus und Ressentiment geprägten Debatte um den »EU-Rettungsschirm« war 2010 das rassistische Machwerk »Deutschland schafft sich ab« des damaligen Bundesbankvorstands und Berliner Exfinanzsenators Sarrazin schnell zum Bestseller hochgejazzt worden. So schien es fast folgerichtig, dass ermittelt werden musste, welche Chancen eine »Sarrazin-Partei« hätte. Mit prognostizierten 18 Prozent lag das Ergebnis im Rahmen der damals schon bekannten Studien zur Verbreitung rechter Einstellungsmuster in Deutschland. Es gab also gute Chancen für ein Partei, die »faule Griechen« und »Integration verweigernde« Einwanderer »in unsere Sozialsysteme« den »hart arbeitenden Menschen« gegenüberstellte.
2011 trat ein »Bündnis Bürgerwille« an die Öffentlichkeit, dessen wesentliche Köpfe der ordoliberale Professor Bernd Lucke (noch CDU), der Industrievertreter Hans-Olaf Henkel und die in reaktionären Netzwerken aktive Adelslobbyistin Beatrix von Storch waren. 2012 erweiterte sich der Kreis um Alexander Gauland (noch CDU), den FAZ- und Welt-Redakteur Konrad Adam und Joachim Starbatty, der zehn Jahre zuvor mit Manfred Brunner den »Bund freier Bürger« (BfB) gegründet hatte, zur »Wahlalternative 2013«. So wie das antifeministische Projekt »Zivile Koalition«, mit dem von Storch gegen Gender-Themen und Abtreibung mobil machte, wurde auch der BfB durch Millionen-Zuwendungen des in der Schweiz lebenden Milliardärs August von Finck finanziert; er gehörte zudem zu den Förderern der dann aus der »Wahlalternative« heraus gegründeten AfD.
Start als rechtes Elitenprojekt
Trotzdem wurde das rechte Elitenprojekt als »Euro-kritische Professorenpartei« gelabelt, obwohl schnell klar war, dass der Slogan »Mut zur Wahrheit« als Anspruch und Aufforderung zur Verschiebung des Sagbaren nach rechts zu verstehen war. Zugleich war in Wahlkämpfen das Thema »Migration« bereits zum Kernthema der AfD geworden. Im Oktober 2014 fand in Dresden die erste »Pegida«-Demo statt, die unsere Kamerad:innen dort schnell an Erzählungen ihrer Eltern aus der Zeit des aufkommenden Faschismus Anfang der 1930er-Jahre erinnerte.
Verhielt sich die AfD insgesamt gegenüber Pegida zunächst abwartend, baute der Höcke-»Flügel« schnell direkte Kontakte auf, ebenso zum Umfeld der NPD und der Neuen Rechten. Die enge Verbindung zu Götz Kubitschek und dem Institut für Staatspolitik ist lange bekannt, im gleichen Umfeld bewegt sich der Frontmann der »Identitären Bewegung«, Martin Sellner. Spätestens seit der Demo der AfD mit der gewalttätigen Naziszene 2018 in Chemnitz, ist die Rolle der AfD als organisierendes Zentrum der extremen Rechten öffentlich sichtbar. »Diese Tage in Chemnitz«, so Matthias Quent 2023 in einem Beitrag für das ARD-Magazin »Monitor«, »waren eine Art Inkubator, ein Beschleuniger für rechtsterroristische Mobilisierungen, für rechtsterroristische Kampagnen. Weil dieses Erwachungserlebnis, das dort inszeniert wurde, das Fanal [war], »das gesetzt wurde: jetzt beginnt der nationale Aufbruch«. Auch der spätere Lübcke-Attentäter Stephan Ernst marschierte dort mit.
Drohung an alle
2018 war Höcke vom Parteiausschluss bedroht. Heute führt er die AfD – auch ohne Amt. 2018 lösten die aus dem Aufmarsch resultierenden Menschenjagden in Chemnitz noch Entsetzen aus. Heute gehören Aufmärsche gewaltorientierter Nazis als Drohung an alle, die sich ihnen in den Weg stellen könnten, an vielen Orten zum Alltag. Heute ist das zentrale Thema der AfD – Migration als »Mutter aller Probleme« – jenes, das den öffentlichen Diskurs bestimmt und die Regierenden zum Handeln bringt.
Die AfD tritt die Menschenwürde täglich mit Füßen, sie will Verfassungsgrundsätze aushebeln und sagt das auch genau so. Sie strebt nach der Macht, ihr Politik- und Gesellschaftsmodell durchzusetzen. Die AfD-Wähler:innen tun das nicht trotz, sondern wegen ihres Programms, ihres Auftretens, der Gewaltfantasien, die mit dem Versprechen »Wir holen uns unser Land zurück« verbunden sind. In Chemnitz war es zu sehen. In Gera war es am 3. Oktober 2022 zu vernehmen, als 10.000 zu allem bereite extrem rechte Anhänger:innen zu Höckes NS-Grundsatzrede mobilisiert hatten.
Die politische Auseinandersetzung mit der AfD, die von Verbotsgegner:innen immer wieder beschworen wird, haben diese bisher nicht geführt. Im Gegenteil: Verharmlosung, Beschwichtigung und letzten Endes Legitimierung durch Übernahme von Themen und Forderungen haben zum AfD-Aufstieg beigetragen.
Für Antifaschist:innen ist und bleibt die Auseinandersetzung mit der Partei des neuen Faschismus eine schlichte Notwendigkeit. Sie ist aber keine Alternative zum Verbot einer Partei, deren Geschichtsrevisionismus wesentlich getragen ist von dem Ziel, die Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus zu relativieren und seine Opfer zu verhöhnen, um politisch seine Nachfolge antreten zu können. Dem halten wir in Erinnerung an die Verbrechen der Nazis, an ihre Opfer und ganz besonders an das Wertvollste, das die jüngere deutsche Geschichte aufzuweisen hat, den antifaschistischen Widerstand, entgegen.
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Darum: AfD-Verbot jetzt!
AfD: Bezahlt vom »System«, auf dessen Zerstörung sie hinarbeitet
Die AfD, die Höcke folgt, ist eine im Kern faschistische völkisch-nationale, antidemokratische, gewerkschaftsfeindliche und antiemanzipatorische Partei, die die Parlamente als Bühne für ihre menschenverachtende Ideologie nutzt. Sie ist der parlamentarische Arm der extremen Rechten und zugleich ihr organisierendes Zentrum, denn sie beschäftigt in den Parlamenten hunderte Mitarbeiter aus allen Teilen der Bewegung, die ihre Ideologie in die »sozialen Medien« streuen und in politische Intervention umsetzen – bezahlt von dem »System«, auf dessen Zerstörung sie hinarbeiten. Die AfD stellt schon heute eine Bedrohung für alle dar, die nicht in ihr Gesellschaftsmodell passen, die sie in Anträgen, Reden und Pamphleten stigmatisiert, ausgrenzt, verächtlich macht, bedroht: wer nicht den Stolz auf die »Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen« teilt, nicht von ihnen abstammt, wer auf der Flucht nach Deutschland gekommen ist, wer ein selbstbestimmtes Leben abseits von »Vater-Mutter-Kind«-Modellen führen möchte, sich ihrer Politik in den Weg stellt, kritisch berichtet oder einfach nur nicht der Norm entspricht, die sie setzt.