Angriffe trotz Einordnung
6. Mai 2025
Christliche Kirchen und NSDAP
In der Bewegung gegen AfD und Rechtsentwicklung in den vergangenen Monaten waren oftmals klare und deutliche Worte kirchlicher Institutionen aus dem protestantischen und katholischen Milieu zu hören. Es waren nicht nur die »üblichen Verdächtigen«, wie pax christi oder andere christliche Friedensinitiativen, sondern selbst die Deutsche Bischofskonferenz und evangelische Landeskirchen formulierten eine klare Haltung gegen die AfD und ihre menschenverachtende Ideologie. Dies ist auch insofern auffällig, da die Kirchen gegenüber dem aufkommenden Faschismus in der Weimarer Zeit eine deutlich andere Haltung an den Tag gelegt haben.
Die katholische Kirche könnte sich heute noch mit gewisser Berechtigung auf ihre ablehnende Haltung vor 1933 gegenüber der NSDAP berufen. Es gab im März 1931 einen Hirtenbrief der Bischöfe der Paderborner Kirchenprovinz, der die Mitgliedschaft von Katholiken in der NSDAP ausschloss. Auch die Verlautbarungen des Vatikans vor 1933 konnten für gläubige Katholiken als Verbot der Wahl der NSDAP und der Mitwirkung in der Nazibewegung verstanden werden. Der Katholizismus hatte es insofern leicht, als er selbst mit dem Zentrum eine eigene politische Partei besaß, und mit der Bayerischen Volkspartei eine süddeutsche Abspaltung, mit der gläubige Katholiken Einfluss auf die Politik nehmen konnten. Dass diese vatikanische Botschaft nicht bei allen Katholiken ankam, zeigen die Wahlergebnisse von 1930 und 1932, als zwar das Zentrum relativ stabil blieb, aber die NSDAP auch im katholischen Milieu aus dem Kreis der Nichtwähler eine große Zahl von Unterstützern gewinnen konnte.
Für den Vatikan ging es nach der Machtübertragung an die Hitler-Papen-Hugenberg-Regierung darum, eigene Interessen abzusichern. Daraus entstanden die Verhandlungen mit dem Vatikan, die im Reichskonkordat von Sommer 1933 mündeten. Dieses Abkommen war nicht nur die erste diplomatische Anerkennung der Reichsregierung, sondern ermöglichte auch den deutschen Katholiken, sich in großer Zahl in die Zielsetzungen des Faschismus einzuordnen. Dass trotz dieses Reichskonkordats, das eigentlich die Rechtspositionen der katholischen Kirche im Deutschen Reich absichern sollte, die Angriffe des NS-Regimes auf den Katholizismus nicht nachließen, ist bekannt. Priester und Klöster wurden angegriffen, katholische Jugendarbeit wurde unmöglich gemacht. Zwar ließ man einzelnen Repräsentanten Freiräume – nicht anders ist die Predigt von Bischof von Galen gegen die Euthanasie zu verstehen –, solange sie den Expansionsbestrebungen und dem eliminatorischen Rassismus nicht im Wege standen, aber der politische Katholizismus musste erleben, dass er ebenfalls auf der »Feindesliste« des NS-Regimes stand.
Ähnlich ging es der evangelischen Kirche, wobei diese in ihrer überwiegenden Mehrheit Ende der Weimarer Republik eine große Offenheit für die faschistische Bewegung zeigte. Schon 1931/1932 diskutierten Bischöfe und andere hohe Repräsentanten der evangelischen Landeskirchen über »Die Kirche und das Dritte Reich«, was in zwei umfangreichen Broschüren publiziert wurde. Dort war erkennbar, dass nur eine Minderheit, zu der Karl Barth oder die Religiösen Sozialisten gehörten, sich klar gegen den Faschismus aussprach. Die Majorität war begeistert von dem »volkskirchlichen Wollen« der neuen nationalen Bewegung. Und so konnte es nicht überraschen, dass in faktisch allen evangelischen Kirchen nach der Machteinsetzung der Hitler-Regierung Dankgottesdienste abgehalten wurden, in denen »Gottes Segen« für die neue Regierung erfleht wurde.
Diese Begeisterung wandelte sich, als 1933 die »Deutschen Christen« mit aller Macht versuchten, die evangelische Kirche im Sinne des Regimes gleichzuschalten und ihre ideologischen Vorgaben durchzusetzen, beispielsweise einen »Arierparagraphen« in der Kirche. Nun gründete sich ein »Pfarrernotbund«, aus dem später die »Bekennende Kirche«1 hervorging. Dass im Laufe der Zeit wichtige Repräsentanten dieser Bewegung, wie Martin Niemöller, verhaftet und als Hitlers »persönlicher Gefangener« in das KZ Dachau verschleppt oder, wie Pfarrer Paul Schneider, im KZ Buchenwald 1939 ermordet wurden, zeigte, dass sich diese innerkirchliche Opposition objektiv als antifaschistisches Störpotenzial erwies.
In beiden christlichen Kirchen gab es nach 1945 Prozesse den Umdenkens. In der katholischen Kirche erinnerte man an die große Zahl von »Blutzeugen«, Priester, die in den faschistischen Lagern ermordet worden waren. In der evangelischen Kirche tat man sich schwerer. Nur eine Minderheit folgte dem »Darmstädter Wort« des Reichsbruderrates, der in aller Klarheit formulierte, man sei bei der Unterstützung des NS-Regimes »in die Irre gegangen«. Auch die verhängnisvolle Rolle beider Kirchen gegenüber der »Entnazifizierung« war kein Ausdruck von antifaschistischem Bewusstsein. Doch bewirkten diese Klärungsprozesse, dass in beiden christlichen Kirchen die Ablehnung extrem rechter Ideologie als Leitlinie durchsetzbar war, eine Grundlage, dass heute die oben genannten konsequenten Stellungnahmen der Amtskirchen gegenüber der AfD möglich wurden.
1 Eine innerkirchliche Opposition, die sich zwar nicht gegen das NS-Regime aussprach, aber die Eingriffe in die kirchliche Autonomie ablehnte.