Antifeministischer Kampf
6. Juli 2025
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Untersuchung über die Auseinandersetzung der AfD mit den Themen Gender und Geschlecht
Die Politologin und Historikerin Daniela Rüther hat eine Untersuchung über die Auseinandersetzung der AfD mit den Themen Gender und Geschlecht vorgelegt. Die Partei kopiert dabei eine Strategie, die bereits von der extrem rechten NPD (heute: »Die Heimat«) im Sächsischen Landtag angewandt wurde, als sie dort noch über eine Fraktion verfügte. »Die Anti-Gender-Anträge der NPD in den Landtagen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zu Beginn der 2000er-Jahre illustrieren nicht nur, wie nahe die AfD mit ihrer Anti-Gender-Politik der NPD ist, einer Partei, die sich ganz offen am nationalsozialistischen Vorbild orientierte.« (Seite 55)
Beide Parteien knüpfen bewusst an das Geschlechterbild während der »Konservativen Revolution« der 1920er-Jahre an. Bereits vor hundert Jahren wurde von rechten Autoren ein antifeministischer Kampf geführt, der die Rolle der Frau auf »Kinder, Küche, Kirche« reduzieren wollte. Einer der wichtigen Vordenker dieser Bewegung war Friedrich Burgdörfer. Rüther schreibt: »Auf Burgdörfer bezog sich einer der Lieblingsautoren der Neuen Rechten, Edgar Julius Jung, in seiner einflussreichen Schrift ›Die Herrschaft der Minderwertigen‹« (S. 25). Jung sah in der Familie die »Zelle des Volkes« und meinte, dass von den Frauen »die heilige Flamme der Mütterlichkeit gehütet« werden müsse. Pikanterweise ähneln Formulierungen aus dem AfD-Grundsatzprogramm auffallend solchen der Schrift von Jung.
Für die AfD hat das Thema Gender mehrere Vorteile. Sie bedienen sich vieler in der Gesellschaft bestehender Vorurteile gegen homosexuelle oder trans Menschen. So werden ähnlich wie bei der Auseinandersetzung um Zuwanderung und Asyl Menschen angesprochen, die nicht im direkten Umfeld der AfD zu verorten sind. »Für die AfD ist Gender ein Etikett, was nicht zum rechtskonservativen heteronormativen Denken passt, das rückwärtsgewandt jeden Wandel der Geschlechterverhältnisse negiert.« (S. 42) Die AfD spannt dabei einen Bogen über geschlechtergerechte Sprache, über Aufklärungsarbeit an Schulen und Jugendeinrichtungen, bis hin zu Selbsthilfegruppen zum Coming Out.

Daniela Rüther: Die Sex-Besessenheit der AfD. Rechte im »Genderwahn«. Dietz-Verlag, Bonn 2025, 144 Seiten, 18 Euro
Hinter der Vorstellung steht der Gedanke, dass es eine Lobby gäbe, die durch die Verführung zur gleichgeschlechtlichen Sexualität und Liebe Menschen davon abhalten würde, Kinder in die Welt zu setzen. An dem Punkt verbindet die AfD den Kampf gegen »Genderismus« mit dem Kampf gegen die Zuwanderung. In einer Grundsatzrede der AfD im Dezember 2020 im Bundestag zum Thema »Kampf gegen Genderismus« hat der als Parteiphilosoph bekannte Marc Jongen geäußert, dass es der »Genderlobby« darum ginge, »heterosexuelle Normalbeziehungen zwischen Männern und Frauen in den Bereich des Unterdrückerischen und Abseitigen zu rücken«. Außerdem sollten »schon die Kleinsten im Kindergarten (…) irre gemacht« werden. Jongen bediente in der Rede alle Klischees und Vorurteile, die es gegen queere Menschen gibt. Die Vorstellung einer geheimen Macht, die im Hintergrund die Fäden zusammenführt, entspricht einer alten antisemitischen Erzählung, von einer jüdischen Geheimorganisation, die die eigentlichen Herrscher der Welt sind.
Zu den Punkten, die die AfD immer wieder skandalisiert, gehört das vor einem Jahr beschlossene Selbstbestimmungsgesetz. Dabei hat die AfD Vorurteile gegen trans Menschen in den Bundestag getragen. Auch die Fachrichtung Gender Studies an Hochschulen und Universitäten steht stets im Fokus von Parlamentsanfragen der AfD. Die Partei fordert offen, dass der Studienbereich abgeschafft und alle Professor*innen entlassen werden sollten.
Auffallend ist, dass die AfD fast in allen Parlamenten dieselben kruden Anträge und parlamentarischen Fragen stellt. Besonders weit ist sie dabei 2015 im Thüringer Landtag gegangen, als sie von der Landesregierung wissen wollte, wie viele homosexuelle, bisexuelle und trans Menschen in Thüringen leben würden. Auf diese Kleine Anfrage der AfD antwortete die Thüringer Regierung, dass sie keine Zahlen habe, weil deren Erhebung ein Eingriff in das Privatleben der Bevölkerung wäre.
Zum Schluss ihres Buches fasst Daniela Rüther zusammen: »Im Feindbild Gender sind alle Gefährder*innen der Bevölkerungspolitik, die auf klassischer Geschlechterungleichheit fußt, zusammengefasst: Gender Studies, die erforschen, wie und warum sich geschlechterbedingte Ungleichheitsstrukturen durchsetzen und in der Geschichte durchgesetzt haben, ›Gendersprache‹, die sprachlich geschlechtliche Gleichberechtigung realisiert, vermeintliche ›Frühsexualisierung‹ und ›Ehe für alle‹, womit die Aufklärung über und Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensformen umfasst werden.« (S. 103)
Leider geht die Autorin zu wenig auf das durch das Ehepaar von Storch gebildete Netzwerk um die »Demo für alle« ein. Dieses erfüllt eine Scharnierfunktion zwischen konservativen Christen, religiösen Fundamentalisten und Anhängern der AfD. Die Arbeit von Daniela Rüther ist eine lesenswerte Auseinandersetzung mit der von der AfD betriebenen Instrumentalisierung der Themen Gender und Geschlecht.