Facettenreiches Gedenken

geschrieben von Bernd Kant

6. Juli 2025

Erinnerung an den 8./9. Mai – international

Politische Debatten um den 80. Jahrestag der Befreiung gab es nicht nur in der Bundesrepublik, auch in vielen europäischen Ländern und darüber hinaus wurde der Umgang mit diesem historischen Datum zum Ausdruck, welche Perspektive auf die Befreiungsleistung der Anti-Hitler-Koalition das Bild prägte.

Italien feiert die Befreiung schon am 25. April, dem Tag, als Mussolinis Herrschaft endgültig besiegt war. In diesem Jahr torpedierte die faschistische Regierung von Giorgia Meloni das öffentliche Gedenken, indem sie aus Anlass des Todes von Papst Franziskus eine fünftägige Staatstrauer anordnete, die bis zum 26. April reichte, sodass manche Stadt- und Regional-verwaltung geplante Gedenkveranstaltungen absagte. Trotzdem wurde durch vielfältige Aktivitäten von ANPI (Associazione Nazionale Partigiani d’Italia, Nationale Vereinigung der Partisanen Italiens) und anderen deutlich, dass im gesellschaftlichen Bewusstsein der italienischen Linken dieser Tag verankert ist.

Auch in Frankreich wurde der 8. Mai als politischer Feiertag begangen, obwohl der wichtigere Tag für das französische Gedenken sicherlich der 25. August 1944 ist, an dem Paris von den vereinten Kräften der Résistance und der französischen Armee befreit werden konnte. In Strasbourg erinnerte das Europäische Parlament nicht an die Befreiung, sondern nur an das Ende des Zweiten Weltkrieges. Man lud zu dieser Feierstunde drei Veteranen ein, einen aus den USA, einen aus Großbritannien und einen aus Frankreich, so als habe es keinen militärischen Anteil der Roten Armee an der Befreiung gegeben. Solche Umwidmung der Erinnerung folgt der skandalösen Resolution vom September 2019, mit der die Mehrheit des EU-Parlaments als Geschichtsbild festlegte, der 23. August 1939, der Tag der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags, sei die Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges und der 8. Mai 1945 sei keine Befreiung für die osteuropäischen Staaten gewesen, denn diese seien von einer Diktatur in eine andere übergegangen. Und die baltischen Republiken ernennen – basierend auf solchem Geschichtsnarrativ – SS-Kollaborateure zu »Helden der nationalen Befreiung«.

Anders dagegen im früheren Jugoslawien. Auch wenn die Befreiung der Balkanregion vor dem 8. Mai erfolgte und jede heutige Republik ihren Anspruch darauf erhebt, die Hauptlast getragen zu haben, trafen sich die antifaschistischen Verbände des früheren Jugoslawien am 10. Mai 2025 gemeinsam in Tuzla, um den Tag des Sieges zu feiern. Auch die FIR war mit ihrem Präsidenten bei dieser gesellschaftlichen Zeremonie vertreten.

In Großbritannien fand mit Pomp und militärischem Gepräge der »V-Day« (Victory-Day) statt. Die britische Regierung hatte im Vorfeld angekündigt, dass bei der Militärparade neben 1.000 britischen Soldaten auch Einheiten der heutigen ukrainischen Armee paradieren würden, jedoch ausdrücklich nicht als Würdigung der Befreierrolle der sowjetischen Streitkräfte 1945, sondern um zu betonen, dass die Ukraine heute auf der Seite der »Freiheitsfront« kämpfe. Es störte die britische Regierung nicht, dass in den Reihen der ukrainischen Abordnung Bandera-Anhänger und Freunde der Nazikollaborateure mitmarschierten. Anscheinend wollte man mit diesem Aufmarsch ein Gegensignal zu der traditionellen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau aus Anlass des »Tages des Sieges« am 9. Mai setzen, nachdem die Einladung zum 9. Mai in die Ukraine auf wenig Begeisterung bei europäischen Regierungschefs gestoßen war.

In Moskau paradierten in diesem Jahr am 9. Mai neben russischem Militär und wenigen noch lebenden Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges auch Abordnungen verbündeter Staaten. Eingeladen hatte die russische Regierung zudem Regierungsvertreter aus aller Welt. Im Vorfeld dieser Feierlichkeiten hatte die Außenbeauftragte der EU, die ehemalige estnische Politikerin Kaja Kallas, alle Regierungschefs der EU aufgefordert, dieser Einladung nicht Folge zu leisten, weil mit dieser Zeremonie der Ukraine-Krieg legitimiert werden würde. Auch Staaten, die sich um eine Mitgliedschaft in der EU bemühten, sollten durch Nichtteilnahme deutlich machen, dass sie sich der antirussischen Linie des (west-)europäischen Gedenkens unterordnen. Es war erkennbar, dass trotz dieser Aufforderung sowohl europäische Regierungsvertreter als auch in größerer Zahl Abordnungen von anderen Kontinenten nach Moskau zu diesen Feierlichkeiten anreisten.

In Israel wurde vor zehn Jahren der »Tag des Sieges« (9. Mai 1945) auf Beschluss der Rabbinate Israels und des Auslands sowie der Knesset als Tag der Rettung und Befreiung des jüdischen Volkes in den jüdischen Kalender aufgenommen. Damit verbunden waren in diesem Jahr zahlreiche öffentliche Veranstaltungen.

Auch international wurde der 80. Jahrestag begangen. So gab es auf allen Kontinenten größere öffentliche Aktionen des »Unsterblichen Regiments«, früher eine zivilgesellschaftliche Initiative, jetzt eine von der russischen Regierung geförderte Erinnerungsinitiative. Im Internet findet man Videos aus verschiedenen US-amerikanischen Städten, aus Asien und Australien. Selbst aus acht afrikanischen Staaten gibt es Bilder solcher Aktionen, die nicht nur von der russischen Gemeinschaft, sondern auch von einheimischen Kräften begleitet wurden.

Erklärung der VVN-BdA zum diesjährigen 8. Mai unter kurzlinks.de/vvnbda-8mai