Haltung zeigen
6. Juli 2025
Ann Wiesental mit Grundlagenbuch über Awarenessarbeit
Ann Wiesental hat bereits im Jahr 2017 mit »Antisexistische Awareness« das Grundlagenbuch für Menschen, die sich als Betroffene oder Unterstützer_innen mit dem Thema Gewaltprävention beschäftigen wollen, veröffentlicht. Nun liegt mit »Haltung zeigen« eine Erweiterung vor, die auf die aktuellen Entwicklungen eingeht, praktische Tipps für die Unterstützungsarbeit bietet und die Kommerzialisierung von Awareness kritisch hinterfragt.
Awareness wurde als Ansatz von Betroffenen entwickelt, um Unterstützungsstrukturen bei Sexismus und sexualisierter Gewalt zu schaffen. Grundlage dieser Arbeit sind Betroffenenzentrierung, Parteilichkeit und Definitionsmacht. Das bedeutet, dass Betroffene selbst festlegen, was passiert ist, und dass ihr Wohlergehen im Mittelpunkt der Unterstützung steht. Awareness wird oft bei linken Politcamps und Festivals als temporäre, begleitende Praxis genutzt. Es umfasst aber auch die grundlegenden Strukturen einer Gruppe oder Organisation, um Diskriminierung und Gewalt vorzubeugen sowie angemessen damit umzugehen.
Ann Wiesental beleuchtet verschiedene Fachansätze aus der Sozialen Arbeit und von feministischen Fachberatungsstellen. Sie zeigt zudem die Notwendigkeit und Herausforderungen intersektionaler Unterstützung. Anhand von Fallbeispielen und Aufzählungslisten werden den Leser_innen Handlungsmöglichkeiten für eigene Awarenessarbeit an die Hand gegeben. Für ein Erstgespräch und nächste Schritte im Kontakt mit Betroffenen bietet das Buch ein konkretes Vorgehen und verbindet dieses gleichzeitig immer wieder mit einer betroffenenzentrierten Perspektive, die unabdingbar für jede Form der Awarenessarbeit ist. Daneben wird auch auf Awareness in Organisationen eingegangen, bei der es darum geht, stumme Ausschlüsse von Betroffenen zu verhindern und nachhaltig Strukturen zu schaffen, in denen gegen Diskriminierung vorgegangen wird und dabei auch einen der Gruppe oder Organisation angemessenen zwischenmenschlichen Rahmen zu finden.

Ann Wiesental: Haltung zeigen. Awareness als Antwort auf Diskriminierung und Gewalt. Unrast Verlag, Münster 2025, 136 Seiten, 14 Euro
Ein großer Gewinn des vorliegenden Buches ist die klare und immer wieder formulierte Haltung, die Betroffene nicht auf ihr Betroffensein reduziert, sondern sie als handelnde Subjekte wahrnimmt. Gute Awarenessarbeit nimmt Betroffene wahr und stärkt deren Handlungsperspektiven. Zeitgleich behandelt ein Kapitel auch die Grenzen der Definitions-macht und den Umgang mit psychischen Krisen sowie eigenen Grenzen in der Unterstützungsarbeit. Es macht Mut, dass diese Kontroverse angesprochen und trotzdem der Grundtenor nicht infrage gestellt wird: Den Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt zu stärken.
Während die Professionalisierung und Bekanntheit von Awareness neue Perspektiven eröffnet, bringt eine zunehmende Kommerzialisierung auch Probleme mit sich. So werden grundlegende Eckpfeiler der Awarenessarbeit verwässert oder das Konzept als eine Art »Wohfühloase« verstanden, weil die kritische Perspektive auf Machtverhältnisse und Gesellschaftskritik fehlt. Wiesental spricht sich hier gegen die Verflachung von Ansätzen aus; bei gleichzeitiger Notwendigkeit, breiter über Präventions-arbeit zu sprechen. Das vorliegende Buch ist für alle interessant, die wissen wollen, was Awareness eigentlich ist. Ebenso ist es ein sehr zu empfehlendes Arbeitshandbuch für alle jene aus der praktischen Gewaltpräventionsarbeit.