Keine Lehren für heute

geschrieben von Ulrich Sander

6. Juli 2025

8. Mai: Spätes Geständnis von Konzernen zum Naziregime

Auf Initiative des BAYER-Konzerns haben 49 Firmen zum 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich zu ihrer Mitverantwortung für das Regime der Nazis bekennen. »Deutsche Unternehmen« hätten dazu beigetragen, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu »festigen«. Die Machtübertragung – in der Erklärung wird von Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 gesprochen – »wäre ohne das Versagen der damligen Entscheidungsträger in Politik, Militär, Justiz und Wirtschaft nicht denkbar gewesen«, unterschreiben die geschäftsführenden CEOs, also nicht die Eigentümer.

»Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt«, konstatieren die Firmenchefs. Sie ziehen daraus die Lehre, »die Zerbrechlichkeit der Demokratie immer wieder zu erkennen« und Errungenschaften wie Rechtsstaatlichkeit und Freiheit zu schützen. Die Worte Krieg und Rüstung kommen in der Erklärung nicht vor. Rheinmetall hat ebenfalls unterschrieben, auch Thyssenkrupp, BASF, Evonik, Henkel und Siemens sowie Deutsche Bank und Deutsche Bahn. Die Konzerne haben sich demnach an der Demokratie vergangen, nicht am Frieden.

Die Süddeutsche Zeitung fasste das in der Erklärung nicht genau geschilderte Geschehen am 8. Mai so zusammen: »Viele deutsche Unternehmen haben sich mitschuldig gemacht am Massenmord. Indem sie den Nazis jene Mittel überhaupt erst zur Verfügung gestellt hatten, die diese für ihre Gräuel brauchten. Zum Beispiel das KZ-Giftgas Zyklon B. Andere (…) profitierten, indem sie selbst Hunderttausende Zwangsarbeiter in ihre Fabriken holten.« Es fällt auf, dass mit Ausnahme des Oetker-Konzerns die Erklärung nur von leitenden Angestellten unterschrieben wurde. Die Namen von Milliardären, die ihr Vermögen von den Kriegsverbrecherfirmen erbten, fehlen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisierte an der Stellungnahme der Konzerne, dass zum Beispiel BAYER die Aufarbeitung nur halbherzig betreibe und keine Lehren für die Gegenwart ziehe. Zudem spielt der Konzern die aktive Rolle herunter, die die von ihm mitgegründete I. G. Farben in der Diktatur gespielt hat. Das Naziregime habe die I. G. »als einen der ›kriegs- und lebenswichtigen‹ Betriebe der deutschen Wirtschaft« eingestuft, stehe in der offiziellen BAYER-Unternehmensgeschichte. Auch weise die Darstellung viele Lücken auf: Kein Wort zu den Wahlkampfspenden an die NSDAP, kein Wort zur Einbindung von I.G.-Managern in das NS-System, kein Wort zu Zyklon B und kein Wort zu den medizinischen Experimenten an KZ-Häftlingen.

Erinnert wird daran: Der Global Player BAYER unterstützte Trump im Wahlkampf massiv durch Spenden, und sein Vorstandsvorsitzender nahm sogar als einziger Chef eines DAX-Unternehmens persönlich an der Amtseinführung des ultrarechten US-Präsidenten teil.

Marginalie

Den Wortlauf der Erklärung findet sich u.a. auf https://group.mercedes-benz.com/nachhaltigkeit/gesellschaft-governance/haltung/80-jahre-ende-zweiter-weltkrieg.html