Strukturen des Aufstands
6. Juli 2025
Der Deutsche Bauernkrieg als soziale und militärische Bewegung
Der Deutsche Bauernkrieg von 1524 bis 1526 war einer der bedeutendsten sozialen Konflikte des ausgehenden Mittelalters. Er speiste sich aus wirtschaftlicher Not, politischen Spannungen und religiösen Umbrüchen – und war keineswegs ein unorganisierter Aufruhr. Vielmehr entstand eine komplexe soziale Bewegung mit militärischen, politischen und kulturellen Ausdrucksformen.
Die Aufständischen organisierten sich in sogenannten Haufen – lose militärische Verbände wie der Seehaufen, der Oberallgäuer, der Schwarze Haufen oder der Helle Haufen. Zwar fehlte eine überregionale Koordination, doch viele dieser Einheiten verfügten über kampferfahrene Mitglieder, etwa ehemalige Landsknechte. Oftmals wurden ihre Anführer von allen Beteiligten gewählt – nicht nach Stand, sondern nach Kompetenz, Charisma oder Erfahrung. Bauern, Söldner, Gastwirte und sogar Adlige übernahmen Führungsrollen.
Die Bewegung war sozial heterogen: Neben bäuerlichen Akteur:innen beteiligten sich städtische Unterschichten, Handwerksgesellen, verarmte Söldner, Geistliche und marginalisierte Gruppen wie Vagabund:innen. Diese Vielfalt führte zu Spannungen und erschwerte einheitliche Strategien. Radikale Prediger wie Thomas Müntzer prägten Teile der Bewegung ideologisch – mit Forderungen nach sozialer Umwälzung –, blieben aber zahlenmäßig begrenzt.
Forderungen und Selbstorganisation
Durch die Reformation und den auch damit verbundenen Zugang der Bevölkerung zu Heiligen Schriften, entstand ein politisches Verständnis von der Gleichheit der Menschen, da, laut der Bibel, Gott alle Menschen gleich geschaffen habe. Ein zentrales Instrument des Widerstands waren politische Programme wie die Zwölf Artikel von 1525, die in gemäßigtem Ton grundlegende Verbesserungen verlangten: gerechte Pachten, Abschaffung willkürlicher Abgaben, freie Pfarrerwahl. Daneben existierten zahlreiche regionale Kataloge wie die Hegauer Artikel oder die Memminger Artikel, die teils weitergehende Forderungen nach Vergemeinschaftung von Eigentum oder Aufhebung des Feudalrechts stellten. In Städten wie Heilbronn wurde versucht, überregionale Strategien zu entwickeln. Delegierte richteten Koordinierungszentren ein, die sich direkt an Kaiser und Reichsstände wandten.
Neben militärischem Widerstand entwickelte die Bewegung vielfältige Protestformen. Frauen spielten eine zentrale Rolle: Sie organisierten Nahrungsmittelaufstände, plünderten Getreidelager, verteilten Lebensmittel und kämpften auch vereinzelt. Besonders herausragend war Margarete Renner, bekannt als die »Schwarze Hofmännin«. Sie trat als Kämpferin und Anführerin hervor und symbolisierte die gesellschaftliche Sprengkraft des Aufstands.

Die Schwarze-Hofmännin-Skulptur von Dieter Klumpp in Heilbronn nimmt Bezug auf eine historische Frauengestalt während des Bauernkriegs. Foto: Wikimedia
Auch in anderen Regionen wirkten Frauen als lokale Führungskräfte – etwa im Widerstand gegen Einhegungen oder den Verlust gemeinschaftlicher Nutzflächen. Rituale, Lieder und Erzählungen dienten der Identitätsbildung und kollektiven Erinnerung. Spirituelle Bewegungen wie die Täufer verbreiteten soziale Ideen und ein egalitäres Christentum – oft in bewusster Abgrenzung zur offiziellen Reformation.
Die Aufständischen suchten wiederholt Verhandlungen mit der Obrigkeit, überreichten Forderungskataloge – doch wurden oft nur hingehalten. Viele Fürsten nutzten die Gespräche taktisch und reagierten schließlich mit brutaler Gewalt. Zehntausende wurden getötet, ganze Dörfer zerstört.
Ein einschneidender Wendepunkt war der Verrat Martin Luthers an der Bewegung. Obwohl sich viele Bauern auf seine Lehren beriefen, wandte sich Luther in seiner berüchtigten Schrift »Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern« (1525) radikal gegen sie. Er rief dazu auf, die Aufständischen »wie tollwütige Hunde zu erschlagen«. Damit legitimierte er die Repression ideologisch und entzog dem Protest jede religiöse Rückendeckung – ein Schritt, den viele Historiker:innen als fundamentalen Verrat an der sozialen Dimension der Reformation werten.
Hexenverfolgung als Konterrevolution
In engem ideologischen Zusammenhang mit der Niederschlagung des Bauernkriegs steht der Anstieg der Hexenverfolgung. Vor allem in ländlichen Regionen wurden Frauen verfolgt, deren Selbstständigkeit oder Heilwissen als Bedrohung für die entstehende patriarchal-kapitalistische Ordnung galten. Die Prozesse zielten auf die Disziplinierung reproduktiver Arbeit, die Zerschlagung gemeinschaftlicher Netzwerke und die Ausschaltung weiblicher Autonomie.
In vielen Fällen verschwammen die Grenzen zwischen der Verfolgung von Hexen und von Häretiker:innen. Dissidente religiöse Gruppen wie die Täufer oder spiritualistische Reformatoren galten ebenso als Feinde der Ordnung. Beide Gruppen wurden systematisch unterdrückt. Verhöre, Folter und Hinrichtungen waren Mittel zur gewaltsamen Etablierung neuer Herrschaftsverhältnisse im Zeichen von Staat, Kirche und Kapital.
Unterdrückte Geschichte
Wie in einigen internationalistischen Organisierungen, z.B. der Jineolojî (kurdische Wissenschaft der Frauen), hebt auch dieser Text unterdrückte Geschichte hervor. Bäuerlicher Widerstand, weibliche Autonomie, soziale Selbstorganisation – allesamt Kämpfe, die im herrschenden Geschichtsbild marginalisiert wurden. Statt 1933 zum einzigen Bezugspunkt zu machen, braucht es mehr Aufmerksamkeit für jene Bewegungen, die Alternativen zu Staat, Kapital und Patriarchat entwarfen – und brutal zerschlagen wurden.
Literaturhinweise:
– Peter Blickle (1985): Der Bauernkrieg. Die Revolution des gemeinen Mannes
– André Weikard: Es braucht ein Jubiläum. Erschienen in junge Welt, 3. Mai, siehe kurzlinks.de/weikard-jw
– Heinz Schilling (1983): Martin Luther und die deutsche Reformation
– Heinz Schilling (1992): Aufbruch und Krise. Deutschland 1517–1648
– Heide Wunder (1980): Armer Konrad und Bundschuh. Frühformen bäuerlicher Protestbewegungen
– Wolfgang Reinhard (1996): Macht und Ohnmacht der frühen Neuzeit
– Silvia Federici (2004): Caliban and the Witch: Women, the Body and Primitive Accumulation