Wo gibt es das schon?
6. Juli 2025
Die »Aktion 3. Welt Saar« will verschiedene Kämpfe miteinander verbinden. Gespräch mit Roland Röder
antifa: Die Anfänge Eurer Organisation liegen jetzt rund 40 Jahre zurück. Wie kam es zur Gründung?
Roland Röder: Der Konsens war damals die Wut und Empörung darüber, dass Menschen verhungern, obwohl schon seit Jahrzehnten genügend Nahrungsmittel produziert wurden. Dagegen wollten wir etwas tun. Wir haben mit der Gründung der »Aktion 3.Welt Saar« diesen moralischen Impuls verstetigt und ihm eine Struktur gegeben. Wir ahnten damals schon, dass der Grund des Übels, also des Verhungerns, im »Herzen der Bestie« liegt, also in den sogenannten entwickelten Ländern des globalen Nordens.
antifa: Euer Name lässt den Eindruck entstehen, Ihr seid vorwiegend im Bereich Unterstützungsarbeit für den globalen Süden tätig …
R. R.: … ja ja, die Sache mit unserem Namen: Damit beziehen wir uns auf den dritten Stand der Französischen Revolution. Das war der Stand, der erst einmal nichts hatte und aufbrach, sich das zu nehmen, was ihm, salopp gesagt, zustand. Wir haben bewusst kein Projekt im globalen Süden, weil wir uns nicht anmaßen möchten, über Tausende von Kilometern hinweg andere zu »entwickeln«. Wir entwickeln diese Gesellschaft. Und so sehr man auch diese Projektarbeit oft und gern mit dem Begriff »Hilfe zur Selbsthilfe« umschreibt, bleibt es in meinen Augen oft Paternalismus und Eurozentrismus.
Zudem sind wir bewusst keine Ein-Punkt-Organisation, sondern definieren uns als allgemeinpolitische Organisation. Wir haben 12 bis 14 Themen, je nach Zählweise. Das sind sehr unterschiedliche Schwerpunkte wie beispielsweise Landwirtschaft, Fairer Handel, Antifaschismus, Fußball, der Türkei-Kurdistan-Konflikt, die Themenbereiche Migration, Rassismus, aber auch Klima- und Umweltfragen, Energiepolitik und Antisemitismus sowie Islamismus. Das ist also eine sehr große Themenvielfalt, die, wenn man sich einzelne herauspickt, ideologisch und kulturell weit auseinander liegen.
antifa: Die Ermordung von Samuel Yeboah 1991 – also in Zeiten, die viele mit dem Terror von Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock verbinden – ist Euch ein wichtiges Anliegen. Wer war Samuel Yeboah?

Roland Röder ist Geschäftsführer der »Aktion 3.Welt Saar« und außerdem Kleingärtner, Hausbesitzer, Familienvater, Fußballfan und (immer seltener) Autofahrer. Als Autor der Gartenkolumne »Der letzte linke Kleingärtner« zeigt er der politischen Linken, dass Gemüse nicht auf Bäumen wächst. Sein Verein ist seit Jahren an der Aufarbeitung des Mordfalls Samuel Yeboah beteiligt.
R. R.: Samuel Yeboah war ein Geflüchteter aus Ghana, der 1991 durch einen von Nazis verübten Brandanschlag in Saarlouis ermordet wurde. Die Stadt Saarlouis war damals im Westen das, was die Nazis bundesweit als »national befreite Zonen« titulierten, wo sie selbst die politische und kulturelle Hegemonie hatten. Es gab in der Regierungszeit von Oskar Lafontaine in den 1990er-Jahren im kleinen Saarland rund 20 verschiedene Bomben-, Brand-, Mord- und Terroranschläge, die nie aufgeklärt worden sind. Das bezeichnen wir heute als saarländisches Staatsversagen.
Wir haben 30 Jahre lang zusammen mit anderen wie dem Saarländischen Flüchtlingsrat und der Antifa Saar der offiziellen Legende und Lüge widersprochen, dass das Ganze kein rassistischer Mord war. Erreicht haben wir 2020, dass die Polizei angefangen hat, Zeug*innen zu befragen sowie neu zu ermitteln und dies seriös und professionell geschah. Es kam daraufhin zu zwei Prozessen vor dem Oberlandesgericht in Koblenz, die mit der Verurteilung eines der Nazis endeten. Wir haben über die Prozesse hinaus und die Ermittlungsarbeit der Polizei erreicht, dass es einen Untersuchungsausschuss im saarländischen Landtag, einen Opferentschädigungsfonds sowie einen Antirassismusbeauftragten gibt. Damit rücken die Opfer in den Fokus. Alles in allem war es ein großer antifaschistischer Erfolg, an dem wir beteiligt waren.
antifa: In einer Broschüre schreibt Ihr ein wenig provokativ »Juden und Radfahrer beherrschen die Welt – Wieso Radfahrer?«. Was wollt Ihr damit ausdrücken?
R. R.: Dieser Spruch wird in ähnlicher Form einem Rabbiner in den 1930er-Jahren zugeschrieben. Es ist, wenn man so will, eine spezifische Form jüdischen Humors. Denn manchmal ist die Realität so abgrundtief beschissen, dass man sie nur noch mit einem Lachen im Mundwinkel ertragen kann. Für uns heißt dieser Spruch, dass wir uns gegen jeden Antisemitismus wehren, also gegen rechten, muslimischen, aber auch gegen linken. Und gemeinsam ist diesen verschiedenen Spielarten des Antisemitismus, dass Juden als geheime Mächte halluziniert werden, die die Welt mit Krieg und anderen Bösartigkeiten überziehen. Um diesem Kampf gegen Antisemitismus eine Struktur zu geben, gründeten wir 2002 das Kompetenzzentrum Islamismus. Das ist ein einzigartiges Projekt in der Linken, weil wir damals schon angefangen haben, uns mit Islam und mit Islamismus zu beschäftigen.
antifa: Gibt es Euch nur im Saarland, und wie kann man Euch unterstützen?
R. R.: Unseren Sitz haben wir im Saarland, aber wir arbeiten bundesweit und haben in vielen Orten Mitglieder. Aus meiner Sicht sind wir eine einzigartige linke politische Organisation. Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber wo gibt es das schon, dass der Kampf für eine soziale und ökologische Agrarpolitik oder gegen Faschismus, Islamismus und Antisemitismus zusammengedacht wird? Konkret unterstützen kann man uns beispielsweise durch eine Fördermitgliedschaft. Und vielleicht ergibt sich dann, wenn jemand Fördermitglied wird, auch noch ein bisschen mehr. Herzlich willkommen also.