Maja ist weiter in Isolation
6. September 2025
Vater setzt sich für Überstellung von Maja T. in BRD ein. Gespräch mit Wolfram Jarosch
antifa: Du forderst als Vater von Maja T., dass dein aktuell in Ungarn in einem Haftkrankenhaus gut 200 Kilometer von Budapest entfernt inhaftiertes 24jähriges Kind nach Deutschland überstellt wird. Wie sehen die Bedingungen für Maja aktuell aus?
Wolfram Jarosch: Es ist nach wie vor so, dass sich Maja in Isolationshaft befindet – das änderte sich also auch nicht nach der Überführung ins Haftkrankenhaus, das nahe der rumänischen Grenze liegt. Es gibt winzige kosmetische Erleichterungen, die recht wahllos auch wieder zurückgenommen werden. Maja bekam zum Beispiel mal einen Ungarisch-Kurs oder war vereinzelt mit anderen auf einem gemeinsamen Hofgang. Das sah dann so aus, dass sich einige Gefangene in Käfigen von vielleicht sechs mal sechs Metern aufhalten dürfen, quasi wie im Zoo. In Majas Nachbarkäfig waren vier Leute aus einer anderen Zelle, von denen sich einer dann mit Maja auf Englisch unterhalten hat.
Isolationshaft heißt, dass Maja quasi 24 Stunden am Tag allein ist – und das jetzt seit 14 Monaten. Deutlich ist, wie politisch aufgeladen dieser Prozess ist, die Richter sind stark voreingenommen. Dem Land sind 20 Milliarden Euro an Geldern seitens des EU-Parlaments gesperrt worden, weil Ungarn immer wieder gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt. Und trotzdem wird Maja jetzt in Ungarn der Prozess gemacht. Richter und Staatsanwälte spielen sich permanent gegenseitig die Bälle zu. Man kann also überhaupt nicht davon sprechen, dass hier die Unschuldsvermutung ernst genommen wird.
Aktuell dürfen wir zwei Stunden im Monat zu Besuch kommen. Maja darf wöchentlich noch 80 Minuten telefonieren, aber das ist einfach viel zu wenig. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er braucht andere Menschen, mit denen er reden kann, mit denen er sich unterhalten kann, die einen auch mal in den Arm nehmen oder irgendwie eine Rückkopplung ergeben. Und das ist ja bewusst auch eine Foltermethode, um Menschen zu zermürben und zu zerstören. Und ich merke auch von Monat zu Monat, dass es Maja zunehmend schwerfällt, damit umzugehen, wie Maja wirklich extrem unter dieser sozialen Isolation leidet. Und deswegen muss das ein Ende haben!
antifa: Maja befand sich ja wochenlang im Hungerstreik, der mit einer extremen Gewichtsabnahme verbunden war. Wie ist die gesundheitliche Lage jetzt nach mehreren Wochen Haftkrankenhaus?
W. J.: Maja geht es gesundheitlich wieder besser und hat wieder zugenommen. Ein 40tägiger Hungerstreik ist gesundheitlich nicht so leicht zu verkraften, danach waren also noch einige Nachfolgen zu erwarten. Ende August oder Anfang September soll Maja nach Budapest in die Haftanstalt zurückkommen.
antifa: Am 24. Januar 2025 bewertete das Bundesverfassungsgericht die im Juni 2024 wie eine Entführung abgelaufene Auslieferung von Maja nach Ungarn als rechtswidrig. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) kündigte vor wenigen Wochen an, sich für bessere Haftbedingungen von Maja einzusetzen. Was ist da bisher geschehen?
W. J.: Zuvor möchte ich auf den Ablauf der Auslieferung eingehen. Die war vor knapp 14 Monaten und ein riesiger Justizskandal. Das fing damit an, wie das Kammergericht Berlin geurteilt hat und es sich völlig hinweggesetzt hat über eine ganze Reihe von eidesstattlichen Erklärungen, also Berichten, die ganz deutlich machten, wie die Haftsituation in Ungarn ist. Dem Gericht war die fehlende Rechtsstaatlichkeit egal, die Ungarn ja selbst von der EU attestiert worden ist. Dies betrifft zusätzlich die völlig unangemessene Haftandrohung oder Strafandrohung gegenüber Maja von bis zu 24 Jahren.
Und dann, als das Berliner Urteil gefällt wurde, ist die Auslieferung seitens der sächsischen Behörden offenbar bewusst so gestaltet worden, dass Maja keine Möglichkeit hatte, rechtzeitig vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Anscheinend wurde das höchste deutsche Gericht bewusst umgangen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht selbst in einem Urteil klargemacht, dass Maja keinerlei Möglichkeit hatte, rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen. Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass Maja im Grundrecht nach Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta, das ist der Anti-Folter-Paragraf, verletzt wird – und das nun seit über einem Jahr. Seitdem werden Maja also grundlegende Menschenrechte wie menschenwürdige Haftbedingungen oder das Recht auf einen fairen Prozess vorenthalten. Und das muss endlich beendet werden!
Wie beschrieben, hat sich Dr. Wadephul vor einigen Wochen geäußert und gesagt, dass sich das Außenministerium entsprechend einsetzt. Es ist dann auch der Staatssekretär Dr. von Geyr in Ungarn gewesen, hat dort Gespräche geführt. Von Resultaten weiß ich nichts. Im Gegenteil: Majas Anwalt hatte erneuten Antrag auf Hausarrest gestellt, womit beispielsweise eine elektronische Fußfessel in einer Wohnung in Budapest gemeint sein könnte. Der Antrag ist aber abgelehnt worden. Somit ist die Isolationshaft auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Der deutsche Außenminister hat am 24. August auf einer Veranstaltung in Berlin gesagt, dass er sich persönlich für Rechtsstaatlichkeit und eine Rückkehr von Maja einsetzen will. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken und ich erwarte nun auch von der deutschen Regierung, dass dieser Justizskandal endlich beendet wird und Maja zurück nach Deutschland geholt wird.
antifa: Du hast deinen langen Fußmarsch nach Budapest vor kurzem beendet, der auf die Situation von Maja aufmerksam machen sollte. Möchtest du ein paar Eindrücke davon teilen?
W. J.: Ich bin fast 800 Kilometer von Dresden bis Budapest gelaufen und zwar deswegen, weil Maja aus der Dresdner Haftanstalt ausgeliefert worden ist. Dabei habe ich auch 18 Tage lang gehungert. Meine Frau hat mich auf dem Fahrrad begleitet, das Gepäck transportiert, sonst wäre das gar nicht so einfach möglich gewesen. Das Ganze war natürlich körperlich anstrengend, ich bin ja damit jeden Tag mehr als einen Marathon gelaufen. In der letzten Woche habe ich gemerkt, dass das Hungern mich auch ganz schön geschwächt hat. Wir sind an der Elbe lang durchs Erzgebirge, an der Moldau, durch das böhmisch-mährische Hochland, dann größtenteils an der Donau, von Wien über Bratislava bis nach Budapest. Wir haben vor allem in den großen Städten viel Solidarität erfahren: in Dresden, Prag, Wien, Bratislava, auch in Budapest. Manchmal haben Leute, die einfach an der Straße standen und uns da gesehen haben, spontan »Free Maja« gerufen. Negative Erfahrungen haben wir kaum gemacht.
antifa: Seit der Inhaftierung gibt es viel Solidarität mit Maja. Wie geht es jetzt weiter?
W. J.: Also vielleicht erst mal zu Solidarität: Natürlich tue ich als Vater mein Möglichstes. Daneben gibt es viele, viele andere Menschen. Das sind nicht nur Verwandte, Freunde, Bekannte hier aus Jena, sondern aus ganz Deutschland. Selbst als wir in Prag, in Wien, in Bratislava, in Budapest waren: Überall sind Leute, die sich dort einsetzen, die demonstrieren oder die versuchen, Briefe zu schreiben beziehungsweise Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Und das ist es, was in dieser extrem schwierigen Situation Maja Kraft gibt. Einfach allen Leute, die helfen, die unterstützen, soll ich dafür den allerherzlichsten Dank aussprechen. Diese Solidarität in der schwierigen Situation ist das Wichtigste, was den Rücken stärkt und das hilft, die lange Isolation dort durchzustehen.
Wie geht es weiter? Wir sind gerade am Beratschlagen über weitere juristische und politische Schritte. Dazu möchte ich mich momentan noch nicht so genau äußern, weil einiges noch in der Schwebe ist. Was ich auf jeden Fall sagen kann: Am 22., 26. und 29. September sowie am 2. und 8. Oktober sind die nächsten Prozesstermine in Budapest.
Ich weiß, es ist nicht gerade um die Ecke: Aber falls jemand vielleicht Zeit hat oder zum Beispiel zufällig auch gerade in Budapest an diesen Tagen ist, dann wäre er hochwillkommen, zu den Prozessterminen zu gehen. Wir werden auch kleinere Demos vor dem Gerichtsgebäude machen. Gern einfach an uns wenden, und wir unterstützen beispielsweise auch bei der Unterkunftssuche oder der Anmeldung im Gericht.
Das Gespräch führte Andreas Siegmund-Schultze
Wolfram Jarosch ist Vater von Maja T. Der antifaschistisch orientierten und nonbinären1 Person wird vorgeworfen, sich im Februar 2023 an militanten Protesten gegen einen geschichtsrevisionistischen Aufmarsch von Neonazis in Budapest beteiligt zu haben. Im Dezember 2023 wurde Maja T. festgenommen, im Juni 2024 folgte die Auslieferung nach Ungarn. Kontakt über die Website des Elternvereins www.kanu.me. Infos: basc.news und free.maja (auf Instagram)
1 Menschen, die sich nicht in den Kategorien »Frau« oder »Mann« repräsentiert sehen
Das Gespräch erscheint hier in einer umfangreicheren Fassung als in der Printversion der antifa