Unsere Wut gibt uns Kraft

6. September 2025

Polizeiüberfall auf Antifacamp auf dem Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof (Kärnten). Ein Gespräch

antifa: Ende Juli 2025 kam es in Österreich auf dem Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof in Kärnten zu einem martialischen Polizeiüberfall auf ein antifaschistisches Sommercamp. Eingesetzt wurden auch ein Polizeihubschrauber, Drohnen und eine Hundestaffel. Was ist geschehen, und wie habt ihr diesen Angriff erlebt?

Maria Knez: Es war Sonntagvormittag, gegen elf Uhr. Wir saßen gerade auf der Wiese in einem Workshop, hatten uns nach dem Frühstück versammelt, um einem Programmpunkt zuzuhören. Die meisten Campteilnehmer:innen waren dort. Plötzlich kam die Polizei, zunächst zwei Streifenwagen, zwei schwarze Zivilfahrzeuge und ein Mannschaftswagen.

Zuerst versuchte das Organisationsteam, Kontakt aufzunehmen, um abzuklären, was die Polizei wollte. Wir wollten das Programm nicht sofort unterbrechen, sondern erst verstehen, was los ist. Wir hatten nicht mit einer Störung gerechnet – schließlich fand das Camp schon im zweiten Jahr in Folge dort statt, im Vorjahr ohne Zwischenfälle. Damals war nur einmal ein Polizeiauto kurz aufs Gelände gefahren und gleich wieder umgedreht. Dieses Mal war es anders. Dabei war das Programm vielfältig und stark mit dem Gedenkort verbunden, es gab Führungen im Museum in drei Sprachen.

antifa: Du hattest von den Streifenwagen und den Zivilautos erzählt. Wie ging es dann weiter?

Žiga Horvat: Einige von uns gingen mit der Polizei ein Stück abseits, damit das Gespräch nicht direkt neben dem Workshop stattfinden musste. Dort kamen die ersten Vorwürfe: Verdacht auf Verwaltungsübertretungen – angeblich Verstöße gegen das Campingplatzgesetz, das Naturschutzgesetz und das Kärntner Landessicherheitsgesetz.

Schon zu Beginn forderte die Polizei, dass sich alle Anwesenden ausweisen sollten. Wir fragten nach, warum alle. Als Organisationsteam wären wir bereit gewesen, aber warum alle Teilnehmenden? Ging es wirklich nur ums Camping? Das wirkte völlig unverhältnismäßig. Warum nicht einfach ein Polizeiauto hochschicken, das Gespräch suchen oder das Museum anrufen? Doch seitens der Polizei wurde auf Eskalation gesetzt.

Der Einsatzleiter erklärte uns, dass nur er ansprechbar sei, die übrigen Beamten müssten sich nicht ausweisen – zu ihrem Schutz. Wir forderten auch, dass jemand die Amtshandlung auf Slowenisch erläutert, da dies hier gesetzlich vorgesehen ist. Doch Dolmetscher:innen waren nicht von Anfang an dabei – was an diesem Ort besonders unverständlich ist.

Nach einer halben Stunde kam polizeiliche Verstärkung: drei weitere Polizeiwannen. Parallel verständigten wir den Anwalt Rudi Vouk, der für die Vertretung der slowenischen Volksgruppe bekannt ist. Er traf etwa 50 Minuten nach der Polizei ein. Wir wollten auf ihn warten, bevor wir mit den Beamten weiter kommunizieren. Doch darauf wollten sie sich nicht einlassen. Der Ort war abgelegen, mit schlechtem Empfang und fast ohne Internet – man fühlte sich hilflos, ohne juristische Expertise.

Die Polizei zeigte uns nur einen auf Deutsch ausgedruckten Zettel mit Paragrafen – angeblich sei es ihre Pflicht, alles zu kontrollieren. Bald begannen sie, Fotos zu machen: von den Autos, Schuhen, dem Biomüll, einer alkoholfreien Bierdose. Es wirkte bizarr. Wir baten sie, zumindest auf den Wegen zu bleiben, da die Zeltplätze Privatgrund seien. Einen Durchsuchungsbefehl hatten sie nicht. Also filmten und fotografierten wir selbst, als einzige Möglichkeit der Dokumentation. Als der Anwalt kam, lief die Kommunikation größtenteils über ihn. Irgendwann kam auch der Pächter dazu. Die Situation eskalierte auf der Wiese, als wir Beamte begleiteten und der Einsatzleiter plötzlich schrie: »Gehen Sie von den Beamten weg!« – als würden wir sie angreifen, was nicht stimmte. Wir blieben alle ruhig. Dann kam die Verstärkung mit einem Polizeihund, der bellte und auf Menschen gehetzt wurde. Dazu schrie der Einsatzleiter – eine extrem bedrohliche Geräuschkulisse. Mit der Verstärkung erschien auch die »Schnelle Interventionsgruppe«, SIG, die angeblich auch ohne Durchsuchungsbefehl Hausdurchsuchungen durchführen darf.

antifa: Ein Durchsuchungsbefehl wurde nie vorgelegt. Hat diese Spezialeinheit weitere Maßnahmen durchgeführt?

Z. H.: Ja. Sie öffneten Zelte, schauten mehrfach hinein – selbst wenn sie schon offen waren. Ich habe das persönlich beobachtet. Von Anfang an war auch Alexander Scharfegger vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anwesend. Erst mit der SIG durften die Beamten ins Haus des Museums.

Der Anwalt riet uns schließlich, sich auszuweisen. Draußen fotografierte und notierte die Polizei unsere Dokumente. Irgendwann hieß es, sie suchten eine bestimmte Person – ohne zu sagen, wen. Dann drängten sie alle von der Tür weg, stießen Menschen hinaus. Eine Person wurde dabei in der Tür eingeklemmt und verletzt. Schließlich sperrten sie das Museum ab, viele konnten nicht hinein, einige – darunter der Anwalt und der Pächter – blieben drinnen. Drinnen liefen die Identitätsfeststellungen weiter. Vorher waren sie schon durch die Museumsräume gegangen, aber mit der SIG drangen sie in private Räume ein. Verstörend war, dass Leute ihre Ausweise vor Museumstafeln abfotografieren lassen mussten – das macht mich bis heute fassungslos. Alle Räume wurden aufgesperrt, alles fotografiert. Insgesamt dauerte der Einsatz vier Stunden. Das hat das Programm des Tages also völlig durcheinandergebracht.

antifa: Wer ist für das Museum verantwortlich?

Z. H.: Es gibt den Verein Društvo Peršman und den Verband der Kärntner Partisanen/Zveza koroških partizanov, die gemeinsam das Museum und die Gedenkstätte betreuen.

antifa: Wie viele Teilnehmende waren ungefähr auf dem Camp, und von wie vielen hat die Polizei die Personalien aufgenommen?

M. K.: Auf dem Camp waren insgesamt um die 100 Personen, aber nicht zur gleichen Zeit. Zur Zeit des Polizeieinsatzes waren einige Teilnehmer:innen auf einer Kräuterwanderung oder halfen einer Nachbarin beim Honigschleudern. Das Wetter war regnerisch und einige Campteilnehmer:innen fuhren früher als geplant ab. Wahrscheinlich waren um die 30 bis 40 Personen vor Ort. Laut Polizei gab es 62 Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen – jede Person wurde doppelt angezeigt. Es soll 32 Identitätsfeststellungen gegeben haben, auch wenn es uns mehr vorkam.

antifa: Also nicht nur die Orga, sondern auch Teilnehmende und sogar Museumsmitarbeitende wurden kontrolliert?

Z. H.: Ja, auch die Vermittlerin des Museums, die einfach ihrer Arbeit nachgehen wollte und gerade mit Besucher:innen beschäftigt war, wurde als Erste kontrolliert und vor den Gästen schikaniert. Der Museumsbetrieb wurde massiv gestört, die Gäste waren schockiert über den Polizeieinsatz und fragten, ob sie irgendwie helfen könnten.

antifa: Das Camp wurde vom Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung ins Visier genommen. Wie erklärt ihr euch das?

M. K.: Wir können nur spekulieren. Uns wurde Extremismus unterstellt, dabei wollen wir demokratisch mitgestalten, uns austauschen, für eine bessere Welt kämpfen. Wir wollen keinesfalls mit extrem rechten Gruppen gleichgesetzt werden. Wir vermuten, dass es am Begriff »Antifa« liegt, um den sich ja viele Mythen ranken. Oft wird Antifa fälschlich als einheitliche Organisation dargestellt. Dabei gibt es viele unterschiedliche Gruppen, Ansätze und Praktiken. Dieses Unwissen – auch in der Gesellschaft – ist ein großes Problem.

antifa: Woran wird auf dem Gelände der Gedenkstätte Peršmanhof erinnert?

Z. H.: Der Peršmanhof war der Bergbauernhof der Familie Sadovnik und ein wichtiger Stützpunkt des Widerstands gegen die Nazis. Am 25. April 1945 verübte das SS- und Polizeiregiment 13 dort ein Massaker, bei dem elf Mitglieder der Familie Sadovnik, darunter Kinder, ermordet wurden.

Heute ist der Ort ein zentraler Erinnerungs- und Lernort für die Kärntner slowenische Minderheit und international anerkannt. Das Museum erhielt 2024 das Museumsgütesiegel. Es gibt Führungen, Bildungsarbeit, Veranstaltungen, und jedes Jahr finden Gedenkfeiern mit politischer Beteiligung statt. Besonders wichtig ist auch das Denkmal für die Partisan:innen, das in Österreich einmalig ist, weil es eine bewaffnete Frau im Widerstand zeigt. Es stand früher an einem zentralen Ort in Völkermarkt und wurde dort gesprengt. Es wurde nie aufgeklärt von wem.

antifa: Der Polizeieinsatz hat viele Reaktionen ausgelöst. Was ist euch besonders in Erinnerung geblieben?

M. K.: Besonders schön war die große Solidarität, die auf den Schock folgte: viele Besucher:innen, Spenden, Solidaritätsfotos, umfangreiche Berichterstattung, in der unsere Sicht vorkam. Belastend sind hingegen Aussagen der FPÖ, die einer Täter-Opfer-Umkehr sehr nahe kommen, oder die polizeilichen Rechtfertigungen für den Angriff.

antifa: Der Staatsschutz sprach im Hinblick auf das antifaschistische Camp von einem »sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte«. Wie steht ihr zu dieser Darstellung?

Z. H.: Für uns ist unerklärlich, wie man die Faktenlage so umdrehen kann. Wir haben viele offene Fragen an die Behörden und die Verantwortlichen in der Politik. Warum beispielsweise der Bezirkshauptmann von Völkermarkt und ein Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl von Anfang an den Einsatz begleitet haben? Wir fordern eine rasche Aufklärung, statt zu spekulieren.

antifa: Wie schätzt ihr die politische Lage in Kärnten ein?

M. K.: Kärnten ist klar blau – die FPÖ ist sehr stark, aber auch Mitglieder andere Parteien stehen weit rechts, zum Beispiel in der SPÖ. In der Gemeinde des Peršmanhofs ist die FPÖ zwar nicht dominant, aber in Behörden und Polizei gibt es viele rechte Tendenzen. Auffällig war zum Beispiel, dass bei einem so sensiblen Einsatz fast niemand Slowenisch sprach – obwohl das in der Region selbstverständlich ist.

antifa: Welche weiteren Aktivitäten organisiert der Klub Slowenischer Student*innen in Wien/Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju, und wie kann man euch unterstützen?

Z. H.: Der Klub veranstaltet Lesungen, Konzerte, Bildungsangebote zu Minderheitenthemen, ein jährliches Straßenfest und vieles mehr. Infos gibt es auf Instagram, Facebook und der Homepage. Wir waren nicht alleinige Veranstalter*innen des Camps, beteiligt waren auch andere Gruppen und Einzelpersonen. Außerdem gibt es slowenische Studierendenklubs in Graz/Gradec und Klagenfurt/Celovec. Der KSŠŠD ist sehr aktiv, vor kurzem etwa wurde ein Minderheitenstreik/Manjšinski štrajk in Form einer Demonstration organisiert, bei dem wir versucht haben, auch nicht-anerkannte Minderheiten einzubeziehen.

antifa: War das Camp also auch ein gemeinsames Projekt verschiedener antifaschistischer Gruppen?

M. K.: Ja, absolut. Vor allem das Programm wurde zu einem großen Teil von den Campteilnehmer*innen gestaltet – Skill-Sharing, Sport, Workshops, Diskussionen.

antifa: Wird es das Camp nächstes Jahr wieder geben?

Z. H.: Ja. Für uns ist dieser Polizeieinsatz ein Beweis für die Wichtigkeit unserer Arbeit. Wir müssen noch einen Ort finden, es wird also nicht mehr in dieser Form am Peršmanhof stattfinden. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern. Unsere Wut gibt uns Kraft weiterzumachen.

Maria Knez und Žiga Horvat sind aktiv im Klub Slowenischer Student*innen in Wien/Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju und waren Mitorganisator:innen des Antifacamps Ende Juli auf dem Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof.

Das Gespräch führte Andreas Siegmund-Schultze.

Infos: www.persman.at, instagram.com/rdeca_vrata/?hl=de und www.ksssd.org

Das Gespräch erscheint hier in einer umfangreicheren Fassung als in der Printversion der antifa