Anmut sparet nicht noch Mühe

geschrieben von Jens Wilke

9. November 2025

Irmgard Jasker aus Wedel erhielt das Bundesverdienstkreuz

In ihrer Heimaststadt Wedel, im Süden Schleswig-Holsteins, gibt es wohl nur wenige der 36.000 Einwohner, die Irmgard Jasker nicht auf die eine oder andere Weise kennengelernt haben. Die überzeugte Friedenskämpferin und Antifaschistin hat in den letzten 60 Jahren mit ihrer Arbeit das Bild der Stadt nach innen und außen in vielerlei Hinsicht geprägt. Am 21. Oktober hat sie, aus den Händen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU), das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Irmgard wurde im Mai 1944 in Danzig geboren. Ihre Eltern und die erst wenige Monate alte Irmgard konnten per Schiff nach Dänemark dem Krieg entkommen. Ihre zehn Jahre alte Schwester Hildegard war noch kurz zuvor bei einem Tieffliegerangriff getötet worden. Diese frühen Erfahrungen haben das weitere Leben von Irmgard geprägt, im Sinne von »Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus«.

Das Überleben ermöglicht

In Dänemark kamen sie in ein Internierungslager für deutsche Flüchtlinge. Erst 1948 konnten sie wieder nach Deutschland zurückkehren, nach Lübeck zu Verwandten. Irmgards Eltern haben sich nach dem Krieg sehr dankbar gegenüber den Dänen geäußert, die ihnen mit Lebensmitteln und einer Gesundheitsfürsorge das Überleben ermöglicht hatten, obwohl sie sicher allen Grund gehabt hätten, den deutschen Flüchtlingen nicht freundlich gesinnt zu sein. In Lübeck machte Irmgard ihr Abitur und begann in Kiel ein Lehramtsstudium. Nach einer ersten Anstellung als Lehrerin in Dithmarschen, kam sie nach Wedel. Bis zu ihrer Pensionierung blieb sie Lehrerin und später Rektorin einer Schule in Wedel.

Irmgard Jasker erhielt am 21. Oktober das Bundesverdienstkreuz. Foto: privat

Irmgard Jasker erhielt am 21. Oktober das Bundesverdienstkreuz. Foto: privat

Anfang der 1970er-Jahre gründete sie mit anderen Mitstreitern den Arbeitskreis Eltern und Lehrer, der es ausländischen Kindern, meist aus der Türkei, ermöglichen sollte, Deutsch zu lernen und am Regelunterricht einer Schule teilzunehmen. Spezielle Deutschkurse oder Integrationsklassen gab es zu dieser Zeit noch nicht. Hier lernte sie unter anderem die ersten Kommunisten und dadurch auch Antifaschisten persönlich kennen. Man organisierte gemeinsam Veranstaltungen für Frieden und Abrüstung und gegen neue und alte Nazis.

Als 1973 die faschistische Pinochet-Generalität in Chile gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende putschte, gründete sie umgehend ein »Chile-Solidaritätskomitee«. Sie kümmerte sich sofort um chilenische Flüchtlinge, organisierte Veranstaltungen und sammelte dringend benötigte Spenden. Dieses Komitee existierte 25 Jahre lang, bis 1998. Ihre Verbindung zu den ehemaligen chilenischen Flüchtlingen hat sich bis heute erhalten.

Zusammen mit Christen, Kommunisten und anderen Gleichgesinnten gründete sie angesichts des atomaren Wettrüstens die Wedeler Friedenswerkstatt. Sie organisierte Demos, unzählige Veranstaltungen und sammelte Unterschriften für den Krefelder Appell. Auch als der NATO-Doppelbeschluss, trotz aller Proteste, nicht verhindert werden konnte und die Friedensbewegung deutlich schwächer wurde, ließ sie sich nicht unterkriegen. Da kaum noch zentrale Ostermärsche stattfanden, organisierte sie eben, nunmehr seit 1984, Ostermärsche in Wedel. Bis heute ist der Wedeler Ostermarsch Treffpunkt für viele Friedensfreunde in der Region und ein fester Bestandteil der Friedensbewegung. Die »Oma Körner Band« hat mit ihrem Lied »Die schrägen Vögel« ihr und den anderen Mitstreitern ein Denkmal gesetzt. Als Mitglied des evangelischen Kirchvorstandes in Wedel war Irmgard manchen heftigen Angriffen ausgesetzt. Nach dem Motto »Das weiche Wasser bricht den Stein« lässt sie sich allerdings nie unterkriegen.

Zur VVN-BdA kam Irmgard in den 80er-Jahren. Seite an Seite mit den bekannten Antifaschisten und Kommunisten Marianne und Günther Wilke entwickelten sie antifaschistische Politik in Wedel. Diese Arbeit setzt sie bis heute, mittlerweile 81jährig, fort. Als 1989 die rechte Partei »Die Republikaner« erste Wahlerfolge verzeichnen konnte, veranlasste sie den Wedeler Bürgermeister, Jörg Balack, zur Gründung eines städtischen Arbeitskreises gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Arbeitskreis ist bis heute aktiv und organisiert, zusammen mit der VVN-BdA und der Stadt Wedel, die jährlichen Veranstaltungen zum 27. Januar oder auch Kranzniederlegungen am erkämpften Mahnmal des KZ-Außenlagers Wedel, Veranstaltungen am Grabstein der KZ-Opfer in Wedel oder zum Volkstrauertag.

Für Obdachlose und Arme der Stadt

Nicht zu vergessen, organisiert Irmgard seit Jahrzehnten zusammen mit ihrem Mann Wolfram Weihnachtsfeiern für Obdachlose und Arme der Stadt, auf denen Hunderte Weihnachtspäckchen verteilt werden.

Irmgard ist seit Jahrzehnten mit Wolfram verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne, eine Tochter und sechs Enkelkinder. Nun hat sie das Bundesverdienstkreuz erhalten. Gefragt nach ihrem Lebensmotto, ist ihre Antwort, das Gedicht aus Bert Brechts Kinderhymne »Anmut sparet nicht noch Mühe«. Liebe Irmgard, wir danken dir! Ersetzten werden wir dich nicht können, daher wünschen wir dir und uns, dass du uns noch lange erhalten bleiben mögest.