Das neue Normal

9. November 2025

Auszüge der inhaltlichen Beiträge beim Bundeskongress der VVN-BdA 2025

Wir dokumentieren hier Auszüge aus den vier Beiträgen unserer Referent:innen auf dem VVN-BdA-Bundeskongress in Stuttgart. Die kompletten Skripte sind auf vvn-bda.de/category/buko zu finden.

Fritz Burschel, »AfD-Verbotsverfahren und gesellschaftlicher Druck«

Ich will hier nun nicht noch das Panorama der deutschen Politik des zurückliegenden Dreivierteljahres auffächern, die Sprengung der Brandmauer Ende Januar, als die Union mit den Stimmen von AfD, FDP und den anwesenden BSWler*innen den Entschließungsantrag für das »Einwanderungsbeschränkungsgesetz« in den Bundestag einbrachte; die rhetorische und politische Angleichung (…) von Unions- und AfD-Positionen (…). Da muss die AfD gerade gar nichts machen. (…) Eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Hetzpresse (…), ganz zu schweigen natürlich auch von Social Media, die uns alle mit rechtem Shit überfluten, flankiert diese problematische Entwicklung (…). Das Verhalten der Union und das Mittun der Sozialdemokrat*innen dabei macht die Umsetzung etwa eines Verbotsverfahrens gegen die faschistische AfD fast unmöglich. (…) Normalisierung (…) hat eingesetzt, und nur diejenigen zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen wie VVN-BdA oder die »Omas gegen rechts«, »Widersetzen«, Campact und andere, die im denunziatorischen 551-Fragen-Katalog der CDU gegen eine politisch profilierte Zivilgesellschaft auftauchen, bemühen sich weiter, den Protest nicht einschlafen zu lassen.

Tobias Pflüger, »Auf dem Weg in die (rechte) Militärrepublik – Teil des Protestes gegen Aufrüstung und Militarisierung sein«

Im Bereich der Bundeswehr werden gerade sämtliche Wünsche erfüllt. Die Finanzplanung ist sehr konkret: Der eigentliche »Verteidigungshaushalt« soll nach dem gültigen Finanzplan folgendermaßen steigen: 2025: 62,4, 2026: 82,7, 2027: 93,3, 2028: 136,5 und 2029 152,8 Milliarden Euro. Der Gesamthaushalt des Bundes beträgt 2025 ungefähr 500 Milliarden. (…) Ausgaben für das Militär und Rüstung dominieren den Bundeshaushalt immer mehr. Deshalb auch meine These, die Bundesrepublik ist auf dem Weg in eine Militärrepublik. Friedrich Merz und Co. haben angekündigt, dass es Sozialkürzungen geben wird. Auch die Entwicklungshilfe wird derzeit zusammengestrichen. Der einzige Bereich, der sein Geld immer bekommt, ist der Militärbereich.

Diese militärpolitische Priorisierung wird gerade auf alle gesellschaftlichen Bereiche durchdekliniert, und das ist gefährlich: Es gibt eine Militarisierung des Gesundheitswesens, eine Militarisierung des ganzen Bildungsbereiches. Der Verkehrsbereich wird militarisiert. (…) Alle Bereiche werden quasi durchzogen von der Militarisierung, und wenn es einzelne Menschen gibt, die erfreulicherweise da nicht mitmachen wollen, gibt es auch Repressionen.

Paul Schäfer, »Herausforderungen durch Militarisierung und Aufrüstung«

Die Sorge um die Gefährdungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist berechtigt. Aber allen weltpolitisch einflussreichen Akteuren ist bewusst, dass ein solcher Krieg das Ende unserer Zivilisation wäre und tunlichst vermieden werden muss. Eines wird man mit großer Gewissheit sagen können: Die Panikmache, die wir heute (…) erleben, ist völlig fehl am Platze und ihrerseits bedrohlich. Es geht stattdessen um eine nüchterne Bedrohungsanalyse, aus der besonnene Maßnahmen abgeleitet werden können. Dies macht eine seriöse, von Greenpeace vorgelegte Studie (…) deutlich. Darin wird gezeigt, dass allein die europäischen NATO-Staaten Russland in nahezu allen Bereichen deutlich überlegen sind. (…)

Es trifft zu, dass Russland unter Putin ein atemberaubendes Tempo in der Rüstungsproduktion vorgelegt und die gesamte Wirtschaft dort auf den Krieg ausgerichtet hat. Ob man, wie westliche Quellen behaupten, inzwischen mit der NATO kräftemäßig gleichgezogen habe, darf bezweifelt werden. Für ein Angriffs-szenario wäre auch dies völlig unzureichend. Und dass man das Aufrüstungstempo auf Dauer durchhalten kann, darf mit Blick auf die neueren Zahlen doch als unwahrscheinlich gelten. (…)

Maxi Schneider, »Herausforderungen in der Geschichtspolitik«

Je intensiver sich die Leute mit der NS-Geschichte auseinandersetzen, desto kritischer stehen sie der AfD gegenüber. (…) Die Menschen interessieren sich nach wie vor für (…) die Geschichte der Opfer des deutschen Faschismus, und gerade den Jüngeren ist durchaus bewusst, dass es an ihnen liegt, die Erinnerung und das Gedenken selbst mitzugestalten. Daran können und müssen wir als VVN-BdA anknüpfen. Gerade in der Fläche sind wir als (…) Verband nach wie vor in einer guten Position, die Erinnerung an die Nazizeit breit zu verankern – ganz konkret und vor Ort, da wo die Menschen leben und Bezüge herstellen können. Eine Sache möchte ich an dieser Stelle noch besonders hervorheben: Und zwar zum Thema des vieldiskutierten »Endes der Zeitzeugenschaft«. (…) Die Überlebenden konnten Wissen vermitteln, sie konnten Empathie herstellen, ihre Stimme hatte politisches Gewicht, sie haben Unglaubliches geleistet, und so manch einer würde ohne diese Begegnungen oder familiären Bezüge hier heute wahrscheinlich nicht sitzen. Diese Stimmen sind unersetzbar. Gesamtgesellschaftlich muss man aber sagen, dass die Zeitzeug*innen immer gegen Windmühlen gekämpft haben. Diesen Kampf gilt es weiterzuführen (…). Das Wissen ist da, die Zeugnisse und Quellen sind da.