Irrweg der Moderne

geschrieben von Ulrich Schneider

9. November 2025

100 Jahre Bauhaus in Dessau – Die AfD will es erneut vertreiben

In Dessau und teilweise auch international wurde im Sommer dieses Jahres mit Ausstellungen, Konferenzen und anderen Veranstaltungen an das 100-jährige Jubiläum der Übersiedlung dieser Künstler-, Architekten- und Designergruppe nach Dessau erinnert.

Das Bauhaus war von seiner Konzeption her die Zusammenführung von Kunst und Handwerk – damals etwas völlig Neues. Es gilt weltweit als Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Architektur, der Kunst und des Designs. Bis heute findet man in vielen Ländern Beispiele der Bauhaus-Architektur, nicht nur in Deutschland, auch in Israel, Italien und Spanien. Besonders in den USA wurde nicht zuletzt der Hochhausbau von Architekten des Bauhauses massiv beeinflusst.

Die Verbreitung der Bauhaus-Architektur ist nicht nur Zeichen der internationalen Anerkennung der Designerleistung, sondern war auch Ergebnis des politischen Umgangs mit dem Bauhaus und von dessen Verfolgung durch völkisch-nationalistische Kräfte und später durch die NSDAP.

Dies begann bereits in Weimar, wo die Bauhaus-Schule 1919 unter Walter Gropius mit ihren Werkstätten in der staatlichen Kunstakademie ihren Ausgangspunkt hatte. Bis heute stilbildend sind die in diesen Werkstätten entstandenen Alltags- und Gebrauchsgegenstände, die sich nicht nur durch eine besondere Ästhetik, sondern gleichzeitig durch hohe Funktionalität auszeichneten. Weltberühmt ist bis heute die »Wagenfeld«-Tischlampe. Während die Kunstwelt dieses neue Design feierte, das Motto »Form follows function« (Form folgt der Funktion) vielfältige Gestalter anregte, hetzten reaktionäre Kräfte in Weimar, die diese Kunstrichtung bereits als »entartet« denunzierten, gegen die Kunstschule und ihre Protagonisten.

Als 1923 die Arbeiterregierung in Thüringen von der Reichsregierung durch Militäreinsatz abgesetzt worden war, brachten die Neuwahlen im Februar 1924 eine reaktionäre Mehrheit von deutsch-nationalen und völkischen Kräften hervor. Diese Landesregierung halbierte den Etat des Bauhauses, so dass die Existenz dieser Designschule in Weimar unmöglich wurde. Im Herbst 1925 zog das Bauhaus nach Dessau, eine sozialdemokratisch geprägte Industriestadt, wo man ein besseres Umfeld erhoffte. Aber auch dort war man eher geduldet als geliebt. Die rechten Kräfte setzten ihre in Weimar begonnene Kampagne gegen diese »undeutsche« Kunst fort. Als bei den Kommunalwahlen 1931 die NSDAP in Dessau stärkste Kraft wurde, beantragte sie gemeinsam mit den Deutschnationalen, das staatliche Bauhaus in Dessau zu schließen. Die KPD stimmte gegen den Antrag der Nazis, die SPD enthielt sich. Damit war das Schicksal dieser Einrichtung auch in Dessau besiegelt.

Noch bis Dezember 2026 feiert die Stiftung Bauhaus Dessau das große Jubiläum unter dem Motto »An die Substanz«. Infos: bauhaus-dessau.de

Noch bis Dezember 2026 feiert die Stiftung Bauhaus Dessau das große Jubiläum unter dem Motto »An die Substanz«. Infos: bauhaus-dessau.de

Ludwig Mies van der Rohe versuchte die Bauhaus-Schule auf privater Basis in Berlin bis 1938 fortzusetzen. Das war nach dem 30. Januar 1933 nur möglich, indem er selbst sich dem NS-Regime andiente. Zeitgenossen kritisierten ihn deshalb als »Steigbügelhalter des Faschismus«, da manche seiner Schüler Mitglieder in NS-Organisationen waren.

Andere Vertreter des Bauhauses emigrierten Anfang der 1930er-Jahre in die Vereinigten Staaten, unter ihnen Josef Albers, Herbert Bayer, Walter Gropius und László Moholy-Nagy, der in Chicago 1937 versuchte, eine »New Bauhaus«-Designschule aufzubauen. Vor Beginn des Krieges folgte selbst Ludwig Mies van der Rohe. Zahlreiche jüdische Bauhaus-Architekten emigrierten nach Palästina. In Tel Aviv errichteten sie im Sinne des Bauhaus-Konzeptes mehr als 4.000 Gebäude. Diese »Weiße Stadt« besitzt seit 2003 den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes. Bauhaus-Architekten gingen auch in das republikanische Spanien, wo sie 1934 bis 1936 halfen, in Gava südlich von Barcelona das Gebäude der »Unió de Cooperadors« zu erbauen.

Nicht alle Bauhäusler hatten das Glück, das faschistische Deutschland verlassen zu können. Viele wurden Opfer von Verfolgung. Den absurdesten Umgang mit dem Bauhaus erlebte Franz Ehrlich. Er wurde in der Aufbauphase 1937/38 in das KZ Buchenwald verschleppt und musste – als Häftling und Künstler – das schmiedeeiserne Tor des Lagers mit dem Leitspruch »Jedem das Seine« gestalten. Und so ist bis heute das Bauhaus mit der KZ-Gedenkstätte Buchenwald untrennbar verbunden. Mindestens 21 Künstlerinnen und Künstler des Bauhauses wurden in der NS-Zeit in Konzentrationslagern oder Gefängnissen umgebracht. In ihrem Sinne erinnern auch Antifaschisten an die mehr als 100-jährige Geschichte des Bauhauses.

Dass der Streit um die »entartete« Kunst des Bauhauses bis heute aktuell ist, zeigt die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt. Der Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, Doktor für Islamwissenschaften, denunzierte zum ersten Mal bei einem Wahlkampfauftritt 2023 das Bauhaus als »Irrweg der Moderne«. Später kündigte er in einer Landtagsdebatte an, dass die AfD – wenn sie 2026 in Sachsen-Anhalt die Mehrheit bekäme – die weitere Förderung des Bauhaus-Museums streichen würde. Das wäre eine erneute Vertreibung des Bauhauses aus Dessau – 95 Jahre nach der ersten Vertreibung.