Jenseits des Schlachtfelds

geschrieben von Siddharth Tripathi

9. November 2025

80 Jahre UNO und die menschlichen Kosten des Krieges. Von Siddharth Tripathi

Vor 80 Jahren, im Jahr 1945, versammelten sich Vertreter verschiedener Staaten in San Francisco, um die Charta der Vereinten Nationen (UNO) zu unterzeichnen. Dabei gelobten sie, »künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren«. Die Trümmer Europas und Asiens schwelten noch, während Millionen von Zivilisten in dem verheerendsten Krieg der Menschheitsgeschichte ums Leben gekommen waren. Die Gründung der UNO war vor allem ein Versprechen: Nie wieder. Doch wenn die Organisation 2025 ihr 80-jähriges Bestehen feiert, erscheinen diese Worte für unzählige Zivilisten von Gaza über die Ukraine bis nach Südsudan und vielen anderen Regionen leer. Bis heute sind weltweit Millionen Menschen getötet oder gewaltsam vertrieben worden, so viele wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Die überwiegende Mehrheit davon sind keine Soldaten, sondern Mütter, Kinder, Bauern, Lehrer, ganz normale Menschen, deren Leben durch Kriege völlig zerstört wurde. UN-Generalsekretär António Guterres warnte in seiner Rede vor der Generalversammlung 2024: »Frieden herzustellen ist unsere Existenzberechtigung, aber heute ist Frieden abwesender denn je.« Seine Frustration spiegelt eine umfassendere und bedauerliche Wahrheit wider: Die UNO, die zum Schutz der Menschheit gegründet wurde, kämpft nun darum, ihren Kern vor denen zu schützen, die sie ursprünglich ins Leben gerufen haben.

Hinzu kommen der Aufstieg von Populismus, Nationalismus und geopolitischer Rivalität, die potenzielle Militarisierung neuer Technologien, wachsende Ungleichheiten, schrumpfender zivilgesellschaftlicher Raum und die Klimakrise, die die moralischen und rechtlichen Beschränkungen untergraben haben, die einst Zivilisten vor dem Schlachtfeld schützen sollten. In Konflikten von Khartum bis Kiew, von Gaza bis Myanmar ist die vorsätzliche oder gleichgültige Tötung von Nichtkombattanten zu einer düsteren Konstante der Kriege geworden. Präzisionswaffen und Drohnen versprechen »sauberere« Kriege, doch die Daten zeigen eine andere Geschichte und Realität: Allein in den letzten fünf Jahren wurden Tausende von Zivilisten getötet und noch viele mehr verstümmelt oder vertrieben, während die Frontlinien verschwimmen und humanitäre Normen zusammenbrechen. Die menschlichen Kosten des Krieges lassen sich nicht nur an der Zahl der Todesopfer messen, sondern auch an der langsamen Zerstörung von Familien, Gemeinschaften und der Umwelt; etwas, das kein Vertrag und kein Waffenstillstand leicht heilen kann.

Der Schatten des Krieges: Mehr als nur Statistiken

Aktuelle Konflikte zeigen deutlich, wie weit die Welt von den Idealen des Völkerrechts und dessen humanitären Normen abgekommen ist. Zivilisten tragen die schwerste Last der Kriegsführung, da politische und militärische Zweckmäßigkeit zunehmend Vorrang vor rechtlichen und moralischen Verpflichtungen hat. Daten des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) zeigen, dass die Zahl der Todesopfer in bewaffneten Konflikten von 179.099 im Jahr 2023 auf 233.597 im Jahr 2024 gestiegen ist, was einem Anstieg von fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Fast ein Drittel dieser Todesfälle entfällt auf die besetzten palästinensischen Gebiete, gefolgt von Sudan und Myanmar. Diese Zahlen stellen jedoch nur einen Bruchteil des Leids dar: Indirekte Folgen des Krieges wie Hunger, Krankheiten und Vertreibung fordern zivile Opfer lange über Friedensdeklarationen hinaus.

Zusätzlich zu den direkten Opfern und Todesfällen unter der Zivilbevölkerung, die nicht eindeutig messbar sind (Davies et al. 2025), ist das Ausmaß der Vertreibung erschütternd. Die Vereinten Nationen berichten, dass derzeit über 114 Millionen Menschen aufgrund von Konflikten und Verfolgung gewaltsam vertrieben wurden. Der Bürgerkrieg in Syrien hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes entwurzelt, während in der Ukraine mindestens 6,3 Millionen Flüchtlinge die Grenzen überschritten haben und weitere Millionen innerhalb des Landes vertrieben wurden. Der anhaltende Genozid in Gaza (Ambos/Bock 2025) hat über zwei Millionen Menschen (rund 80 Prozent der Bevölkerung) aus ihren Häusern vertrieben. Die Zusammenstöße im Sudan im Jahr 2023 haben über neun Millionen Zivilisten vertrieben und damit die weltweit größte Vertreibungskrise ausgelöst. In Äthiopien sind aufgrund des Krieges in Tigray 5,4 Millionen Menschen dringend auf Nahrungsmittelhilfe, in Jemen sind nach Jahren der Bombardierungen und Blockaden fast 80 Prozent der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Afghanistan leidet weiterhin unter jahrzehntelangem Krieg, wirtschaftlichem Zusammenbruch und Menschenrechtsverletzungen, wodurch mehr als 28 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Wenn Konflikte ausbrechen, sind Zivilisten sowohl Zeugen als auch Opfer, unfreiwillige Teilnehmer an Kriegen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon stellte vor einem Jahrzehnt fest, dass »es die Zivilisten, nicht die Soldaten sind, die in den heutigen Kriegen den höchsten Preis zahlen« – eine Aussage, die nach wie vor schmerzlich aktuell ist.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, betonte: »Hinter jeder Statistik steht eine Geschichte. Hinter jedem Datenpunkt steht ein Mensch.« Hinter jeder Zahl verbirgt sich eine unbekannte menschliche Geschichte. Die Weltgesundheitsorganisation hat dokumentiert, dass in vielen Konflikten nach Beendigung der Kämpfe mehr Menschen sterben als währenddessen, weil sie Hunger, Krankheiten und zerstörter Infrastruktur zum Opfer fallen. In Gaza arbeiten Krankenhäuser ohne Strom, im Südsudan sind Flüchtlingslager zu semi-permanenten Wohnstätten geworden. Die heutigen Kriege sind immer weniger ein »Ereignis«, sondern eher ein andauernder Zustand — nicht nur aufgrund ihres hybriden, vernetzten und kontinuierlichen Charakters, sondern auch aufgrund der Normalisierung von Gewalt, die sowohl bei den Menschen als auch in den Gesellschaften bleibende Spuren hinterlässt.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen bewaffneter Konflikte sind tiefgreifend und nachhaltig. Staaten, die einen Konflikt hinter sich haben, verzeichnen häufig einen erheblichen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, oft zwischen 15 und 30 Prozent, wobei eine vollständige wirtschaftliche Erholung ein Jahrzehnt oder länger dauern kann. Wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan betonte: »Wir können Kriege gewinnen, aber wir verlieren den Frieden, wenn wir es nicht schaffen, das Leben wieder aufzubauen.« Damit unterstrich er, dass ein militärischer Sieg nicht automatisch zu gesellschaftlicher Stabilität oder nachhaltiger Entwicklung führt. Allerdings werden bei den Wiederaufbaumaßnahmen häufig die Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht berücksichtigt. Humanitäre Hilfe, die derzeit von staatlicher Seite weltweit erheblich gekürzt wird, unterliegt oft politischen Einflüssen. Bei Wiederaufbauprojekten werden Auftragnehmer und externe Interessengruppen gegenüber lokalen Gemeinschaften bevorzugt, und vorübergehende Flüchtlingssiedlungen können sich zu langfristigen, marginalisierten Lebensräumen entwickeln. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen werden durch umfangreiche Umweltzerstörung noch verschärft. Zahlreiche Studien haben beispielsweise gezeigt, wie in der Ukraine industrielle und militärische Aktivitäten zu einer erheblichen Verschmutzung der Flüsse geführt haben, wie in Gaza und vielen anderen Kontexten die Grundwassersysteme kritisch erschöpft und kontaminiert sind und wie im Sudan ausgedehnte verbrannte Flächen die landwirtschaftliche Produktivität untergraben haben, was zu Ernährungsunsicherheit und Hungersnöten geführt hat. Infolgedessen verursachen bewaffnete Konflikte generationenübergreifende und vielfältige Verwüstungen und untergraben gleichzeitig die Umwelt, die Infrastruktur und das Humankapital, selbst wenn die kriegerischen Auseinandersetzungen beendet sind.

Politik der (Un-)Sichtbarkeit und Hierarchien des Leidens

Das anhaltende Leiden der Zivilbevölkerung ist nicht nur ein humanitäres Versagen, sondern auch ein epistemisches Versagen in Bezug auf Sichtbarkeit, Empathie und narrative Rahmenbedingungen. Die moralische Geografie von Empathie und Apathie zeigt sich in aktuellen Krisen, in denen einige »Opfer« gegenüber anderen bevorzugt werden. Die aktuellen Kriege legen die ungleiche Verteilung von Mitgefühl über Klassen-, »Rassen«-, Geschlechts- und regionale Grenzen hinweg offen und verdeutlichen sie. Die internationale Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 erfolgte verständlicherweise umgehend, die Sanktionen waren umfangreich und die Flüchtlingshilfe beispiellos. Die weltweite Reaktion auf die anhaltenden, vermeidbaren Tragödien im Jemen, im Sudan, in Palästina oder in der Demokratischen Republik Kongo war jedoch unzusammenhängend und verhalten. Diese Diskrepanz verdeutlicht, was Wissenschaftler als Hierarchien des Leidens bezeichnen: Strukturen, die bestimmte Leben als Kollateralschäden normalisieren, während andere sichtbar gemacht und betrauert werden.

Epistemische und strukturelle Vorurteile im Hinblick darauf, was als gültiges Wissen gilt und alternative Perspektiven zum Schweigen bringt, in akademischen Debatten, Mediendiskursen und der globalen Governance haben zu dieser Asymmetrie beigetragen. Eine koloniale Sichtweise, die Tragödien anhand ihrer Nähe zu westlichen Interessen oder ihrer Affinität zu westlichen Werten betrachtet, wird in Mainstream-Narrativen häufig wiederholt. Während Konflikte in der sogenannten Peripherie an den Rand des Bewusstseins der Menschen gedrängt werden, werden diejenigen, die im »europäischen Garten« stattfinden, wie einige Führer der EU es bezeichnet haben, als existenzielle Bedrohung für die globale Ordnung dargestellt (Tripathi 2024). Jahrhunderte kolonialer Vorherrschaft haben ganze Bevölkerungsgruppen als zweitrangig oder peripher zur Zivilisation eingestuft. Dies führte dazu, dass sie auch in Bezug auf Mitgefühl, das die Grundlage dieser Hierarchien bildet, als peripher angesehen werden.

Die Berichterstattung in den Medien spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser moralischen Ökonomie der Aufmerksamkeit. Die epistemische Dominanz euro-atlantischer Denkweisen und kolonialer Vorstellungen über den Krieg in der Ukraine hat die sedimentierten rassistischen und imperialistischen Geschichten (Barkawi 2022) wieder ans Licht gebracht und ist in den Diskursen der US-amerikanischen und europäischen Medien sichtbar. Die unverhältnismäßige Sichtbarkeit bestimmter Konflikte führt zu einer unverhältnismäßigen humanitären Mobilisierung, Finanzierung und politischen Bereitschaft. So nahmen die europäischen Länder innerhalb weniger Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine Millionen von Flüchtlingen mit beispielloser Solidarität auf, während Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten und anderen Regionen oft mit Inhaftierung, Abschiebung oder dem Tod auf See rechnen müssen. Moky Makura (2022) diskutiert die Doppelmoral des globalen Nordens und kommt zu dem Schluss: »Die ›undenkbaren Dinge‹, die an verschiedenen Orten auf dem afrikanischen Kontinent geschehen, werden in der Regel in Form von Problemen, Zahlen und Trends berichtet – und nicht in Form von Menschen, Emotionen und zerstörten Leben.« Der Kontrast offenbart die kolonialen und rassistischen Annahmen, die zugrunde liegen, wenn es darum geht, wer es verdient, in Sicherheit zu leben, und wessen Vertreibung als unvermeidlich gilt.

Diese Hierarchien prägen auch die institutionellen Reaktionen innerhalb der Vereinten Nationen und internationaler NGOs. Humanitäre Hilfe folgt tendenziell geopolitischen Prioritäten: Konflikte, die weltweit Schlagzeilen machen, erhalten mehr finanzielle Mittel und politische Aufmerksamkeit, während langwierige Krisen vernachlässigt werden. Die daraus resultierende »Aufmerksamkeits-ökonomie« des Leidens verwandelt Empathie in eine knappe und politisierte Ressource, nicht nur seitens der Staaten, sondern auch seitens ihrer Bevölkerung. Dies wiederum verstärkt genau die Ungleichheiten, die durch Friedensbemühungen überwunden werden sollen. Das Schweigen über manche Kriege ist nicht neutral, sondern eine Form der Komplizenschaft, die selektive Empörung normalisiert und globale Ungleichheiten in Bezug darauf aufrechterhält, wessen Leben geschützt, dokumentiert, in Erinnerung behalten oder vergessen wird (ebenda). Kritiker aus dem globalen Süden weisen seit langem darauf hin, dass diese ungleiche Politik und Geografie der Fürsorge die Kolonialität des internationalen Systems selbst widerspiegelt. Institutionen, die Universalität beanspruchen, reproduzieren oft eurozentrische Standards der Legitimität und moralischen Beurteilung. Die Rhetorik, »westliche Werte« zu verteidigen, ohne sie wirklich zu praktizieren, offenbart eine Kontinuität zwischen kolonialen Hierarchien und zeitgenössischen humanitären Diskursen und Reaktionen – oder deren Abwesenheit. Die Forderung des globalen Südens nach moralischer Konsistenz ist daher nicht nur rhetorisch, sondern auch epistemologisch: eine Forderung nach Anerkennung, dass Leiden universell ist und nicht von geopolitischen Zwängen abhängt.

Um diese Politik der Unsichtbarkeit neu zu gestalten, bedarf es nicht nur einer ausgewogenen Berichterstattung in den Medien, sondern umfassender und struktureller Gerechtigkeit. Das bedeutet, den Stimmen der von Kriegen betroffenen Gemeinschaften mehr Gehör zu verschaffen, westliche Erkenntnistheorien zu dezentrieren und die Pluralität menschlicher Erfahrungen anzuerkennen, die das »globale« Leiden ausmachen. In der Praxis erfordert dies auch, dass die UNO und humanitäre Organisationen, die sich für den Frieden einsetzen, inklusive Entscheidungsprozesse einführen, die zunächst den lokalen Akteuren und betroffenen Bevölkerungsgruppen Handlungsspielraum geben. Nur durch die Abschaffung dieser Hierarchien des Leidens kann die internationale Gemeinschaft beginnen, das Prinzip zu wahren, das der UN-Charta selbst zugrunde liegt: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Die UNO mit 80 Jahren: Ein Scheideweg des Gewissens?

Lange nachdem die Kameras verschwunden sind und »Frieden« herrscht, werden Kriege in den Körpern, Köpfen und Erinnerungen der direkt Betroffenen weiterleben. In diesem Sinne ist das 80-jährige Bestehen der Vereinten Nationen kein Triumph, sondern eine Abrechnung und ein Weckruf. Ihre Friedensmissionen haben Leben gerettet, ihre Organisationen haben Millionen Menschen ernährt, und ihre Menschenrechtsmechanismen sind trotz aller Kritik für viele nach wie vor ein moralischer Kompass. Doch mit der Zunahme der Kriege hat sich die Kluft zwischen Prinzip und Praxis mehr denn je vergrößert. Tatsächlich hat die moralische Autorität der Organisation stets ihre politische Macht übertroffen. Aber diese moralische Autorität und die Überzeugung, dass das menschliche Leben und nicht nationale Interessen der ultimative Maßstab für Zivilisation sind, bleiben die wertvollste Ressource der UNO. An diesem Meilenstein und mit der neuen Agenda für den Frieden steht die Institution wie viele andere vor einer einfachen, aber existenziellen Frage: Werden die nächsten 80 Jahre von Zynismus, Hilflosigkeit oder einer aktiven Rolle in der internationalen Politik geprägt sein?

»Das Streben nach Frieden und Fortschritt, mit seinen Versuchen und Irrtümern, seinen Erfolgen und Rückschlägen, darf niemals nachlassen und niemals aufgegeben werden«, die Worte von Dag Hammarskjöld (bis zu seinem Tod 1961 der zweite UN-Generalsekretär, d.Red.), geschrieben inmitten der Turbulenzen des Kalten Krieges, würden mehr bedeuten als nur zu einem Waffenstillstand aufzurufen. Es würde erfordern, die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systeme abzubauen, die Krieg profitabel und Frieden prekär machen. Es bedeutet, sich zu weigern, das Leiden der Zivilbevölkerung als unvermeidlich hinzunehmen, und die jeweiligen nationalen Regierungen dafür zur Verantwortung zu ziehen. Die menschlichen Kosten des Krieges sind nicht abstrakt. Sie sind unmittelbar, messbar und moralisch verpflichtend.

Die vielfältigen Kriege der Gegenwart zwingen uns, die grundlegenden Fragen der internationalen Politik über staatliche Souveränität, Intervention und die globale Ordnung neu zu überdenken, aber auch die menschlichen Auswirkungen zu untersuchen. Können wir den Rahmen für die Betrachtung von Kriegen und Konflikten von Staaten und Realpolitik auf die gelebten Erfahrungen von Menschen verlagern? Denken wir ausreichend darüber nach, wie Konflikte Ungleichheit, Vertreibung, Desinformation und wirtschaftliche Unsicherheit verschärfen? Während euro-atlantische Narrative und Schweigen weiterhin die Weltpolitik prägen, bleibt die wesentliche Frage: Kann die Menschheit lernen, Frieden nicht als Abwesenheit von Krieg, sondern als Präsenz von Gerechtigkeit zu schätzen? Frieden ist letztlich kein Dokument, das in New York, Washington oder Brüssel unterzeichnet wird, sondern eine gemeinsame Mahlzeit in Juba, eine wiedereröffnete Schule in Charkiw, das unbeschwerte Lachen eines Kindes in Rafah … Wenn die Vereinten Nationen es erfolgreich angehen würden, ihre Mission wieder auf die Menschenwürde auszurichten, dann könnte vielleicht der Gründungsgedanke »Nie wieder« endlich seine verlorene Bedeutung zurückgewinnen.

Dr. Siddharth Tripathi ist im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) und Mitherausgeber des »Handbook on Peace and Conflict Studies: Perspectives from the Global South(s)«. Foto: privat

Redaktionelle Mitarbeit: Kristin Caspary. Übersetzung des englischsprachigen Originaltexts: antifa-Redakion

Referenzen

Andersin, Emelie (2025), The Use of the ›Lavender‹ in Gaza and the Law of Targeting: ai-Decision Support Systems and Facial Recognition Technology, Journal of International Humanitarian Legal Studies https://doi.org/10.1163/18781527-bja10119

Ambos, K., Bock, S. (2025) Genocide in Gaza?, Verfassungsblog https://verfassungsblog.de/genocide-in-gaza/

ACLED Data: https://acleddata.com/conflict-data

Barkawi, Tarak (2022), War and Decolonization in Ukraine, New Perspectives 30(4): 317-322.

Davies, S., Pettersson, T., Sollenberg, M., & Öberg, M. (2025), Organized violence 1989–2024, and the challenges of identifying civilian victims. Journal of Peace Research, 62(4).

Guterres (2023), A New Agenda for Peace, https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/our-common-agenda-policy-brief-new-agenda-for-peace-en.pdf

Makura, Moky (2022), Media Coverage of Ukraine Shows It’s Time to Rethink What We Know About Africa, in: https://edition.cnn.com/2022/03/03/opinions/racist-media-coverage-ukraine-africa-
makura-lgs-intl/index.html; 4.3.2022.

Tripathi, S. (2024), Whose war is it (or not)? Who speaks for whom? Discourses and Absences in the War on Ukraine, Zeitschrift für Internationale Beziehungen (zib).