Wegläufer Geert Wilders

geschrieben von Gerrit Hoekman

9. November 2025

Niederlande: Sozialliberale Democraten gewinnen Parlamentswahlen

Es war ein guter Abend für alle niederländischen Antifaschistinnen und Antifaschisten: Bei den Parlamentswahlen am 29. Oktober musste der rechte Islamhasser und Asylgegner Geert Wilders eine herbe Schlappe hinnehmen. Seine Partij voor de Vrijheid (PVV) verliert elf Sitze. Nach seinem Erdrutschsieg vor zwei Jahren wurde Wilders nun wieder auf Normalmaß gestutzt. Großer Gewinner ist diesmal Rob Jetten, der Spitzenkandidat der sozialliberalen Democraten 66 (D 66). Der 38-Jährige hat nun gute Chancen, Premierminister zu werden. Die erste Prognose am Wahlabend sah Jetten mit zwei Sitzen vorne. Dem vorläufigem Endergebnis vom 1. November zufolge blieb ein Sitz Vorsprung, und D 66 errang einen Stimmenanteil von knapp 17 Prozent. Kurz vor antifa-Drucklegung waren die rund 90.000 Briefwahlstimmen noch nicht ausgezählt, doch auch dort wurde ein Vorsprung für D 66 prognostiziert.

Wer nach Stimmen gewonnen hat, darf in den Niederlanden zuerst versuchen, eine regierungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen. Daran erinnerte Wahlverlierer Wilders am Tag nach der Wahl mehrmals. Natürlich hoffend, dass er das sein wird.

Er würde wohl schnell merken (müssen): Mit ihm will so gut wie niemand mehr zusammenarbeiten. In der vorherigen Koalition schoss er ununterbrochen quer gegen die eigene Regierung. Es herrschte Dauerstreit, vor allem um die Asylpolitik, die Wilders nicht annähernd streng genug war. Deshalb ließ er die Koalition nach nur elf Monaten platzen. Im Wahlkampf hatten alle gewichtigen Parteien ein Bündnis mit Wilders kategorisch ausgeschlossen. Deshalb wird sich sein Lebenstraum auch diesmal nicht erfüllen – einmal Premierminister der Niederlande zu sein.

Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im niederländischen Parlament, der Tweede Kamer, dürfte auch ein »Verbot der Antifa« in den Niederlanden vom Tisch sein. Einen Monat vor der Wahl hatte eine knappe Mehrheit im Parlament für einen hanebüchenen Antrag gestimmt, den die extrem rechte Ecke eingebracht hatte. Die Antifa sei eine terroristische Vereinigung, die verboten gehöre.

Rob Jetten zog mit dem Schlachtruf »Het kan wel!« in den Wahlkampf. Eine deutliche Anlehnung an Barak Obamas »Yes we can!«-Kampagne. Ein klarer Gegenentwurf zu Wilders, der permanent betonte, er setze »die Niederländer wieder an erster Stelle«. Wohnungsnot und Krise bei der Pflegeversicherung? Für Wilders sind an allem die »Fremden« schuld. »Unser ganzes Land ist ein Auffanglager«, behauptete er polemisch. Der Saldo zwischen Zu- und Abwanderung müsse unterm Strich stets null sein.

Lange Zeit sah es nicht danach aus, als könnten die Linksliberalen die Wahlen gewinnen. Im Laufe des Wahlkampfs entwickelte sich ganz allmählich eine gewisser Hype um Rob Jetten. Auch in den Medien. Das hatte er indirekt auch Wilders zu verdanken. Weil er wohl ernstzunehmende Morddrohungen erhalten hatte, setzte Wilders seinen Wahlkampf am 10. Oktober vorübergehend aus. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Wilders erteilte erst einmal allen TV-Debatten mit den Spitzenkandidaten der anderen großen Parteien eine Absage. Nutznießer war Rob Jetten, der für Wilders in die illustre Runde nachrücken durfte und seine unverhoffte Chance zu nutzen wusste. Jetten und D66 wurden zum Geheimtipp für die Unentschiedenen.

Als Wilders in der Woche vor der Wahl seine Kampagne wieder aufnahm, war es bereits zu spät, um den Schaden abzuwenden. Mit jedem seiner Auftritte in den wenigen noch verbleibenden TV-Debatten sanken Wilders Umfragewerte. Den anderen Parteien gelang es, Wilders als »Wegläufer« darzustellen, weil er die letzte Koalition nach nur elf Monaten platzen ließ, als er die »strengste Asylpolitik aller Zeiten in den Niederlanden« nicht umfassend durchsetzen konnte. Auf den Vorwurf, verantwortungslos zu sein, reagierte Wilders wie immer: mit Hasstiraden gegen den politischen Gegner von links und rassistischer Hetze gegen Asylsuchende, vor allem mit muslimischem Glauben.

Das schlechte Abschneiden der Wilders-Partei bedeutet nicht, dass die Niederlande das Problem starker rechter Kräfte los sind. Das noch extremere Forum voor Democratie (FvD) von Thierry Baudet konnte sich von drei auf sieben Sitze steigern. Baudet und seine Gefolgsleute sind mehrfach durch antisemitische Ausraster aufgefallen. Die Partei JA21, die sich vor einigen Jahren vom Baudets Forum abgespalten hat, konnte sich von einem auf neun Sitze steigern. Auch sie muss aktuell dem rechten Lager zugerechnet werden. Eine Koalition links der Mitte unter Einschluss des christdemokratischen CDA wäre möglich gewesen, wenn die Linke nicht weiterhin im Niedergang begriffen wäre. Die Socialistische Partij (SP) verlor zwei Sitze und steht jetzt bei nur noch drei. Die grünen Sozialdemokraten von GroenLinks-PvdA verloren im Vergleich zu 2023 fünf Sitze. Es bleiben 20. Eigentlich wollte sie stärkste Kraft werden. Spitzenkandidat Jan Timmermans übernahm noch am Wahlabend die Verantwortung für das Desaster und trat zurück. »Ich habe es nicht geschafft, genügend Menschen davon zu überzeugen, dass sie uns ihre Stimme geben«, erklärte er zerknirscht gegenüber den Medien. Die Tierschutzpartei Partij voor de Dieren (PvdD) verteidigte ihre drei Sitze. Sie hat sich zweifellos zur radikalsten Partei im linken Spektrum entwickelt.