Wer erinnert, widerspricht

9. November 2025

Über die Verbindung von Antislawismus und Antifaschismus. Ein Reisebericht

Zwischen Bleiburg (slowenisch: Pliberk) und Ljubljana verläuft keine gewöhnliche Wanderroute. Wer sich zu Fuß über die Karawanken aufmacht, folgt den Wegen des Widerstands. Eine Gruppe junger Antifaschist:innen aus Deutschland macht sich auf eine Reise, die von der VVN-BdA Bayern unterstützt wird. Ihr Ziel ist es, Orte zu besuchen, an denen der antifaschistische Kampf der Kärntner Slowen:innen begann – und bis heute um Anerkennung ringt.

Die Region südlich von Klagenfurt ist landschaftlich ruhig, politisch aber hoch aufgeladen. Hier kreuzen sich Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Identität. Die Route führt über den Kömmelgupf, den Peršmanhof, durch Eisenkappel, Solčava und Luče – Orte, die während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht für Partisan*innen waren.

Die Wandernden treffen Angehörige ehemaliger Kämpfer*innen, besuchen Gedenkstätten und diskutieren über die heutige Bedeutung antifaschistischer Arbeit. Dabei wird schnell klar: Antifaschismus in Kärnten ist ohne den Kampf gegen antislawischen Rassismus nicht zu verstehen.

Die Kärntner Slowen*innen waren die erste Gruppe vor Ort, die im 20. Jahrhundert systematisch ausgegrenzt wurde – lange vor dem Nationalsozialismus. Schon nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 entstand in Kärnten ein deutschnationaler Diskurs, der das Slowenische mit Rückständigkeit, Kommunismus oder »Fremdheit« verband. Die Volksabstimmung von 1920, die Kärnten mehrheitlich bei Österreich beließ, zementierte diese Trennung: Wer Slowenisch sprach, galt fortan als potenziell illoyal.

Als 1938 der »Anschluss« kam, konnte die NS-Ideologie auf diese Ressentiments aufbauen. Das Gebot »Der Kärntner spricht Deutsch« war nicht nur ein Sprachbefehl, sondern ein politisches Signal: Wer Slowenisch sprach, galt als verdächtig, wer Widerstand leistete, als feindlich. Der antifaschistische Kampf war damit immer auch ein Kampf um kulturelle und sprachliche Selbstbestimmung.

Nach 1945 setzte sich diese Spannung fort. Während Österreich sich als »erstes Opfer Hitlers« darstellte, galten die Partisan*innen als Störung dieser Erzählung – insbesondere jene, die slowenisch waren.

Orte, die nicht vergessen lassen

Zu Fuß über die Karawanken.Foto: privat

Zu Fuß über die Karawanken.
Foto: privat

Die Wanderung macht diese Zusammenhänge sichtbar. Am Peršmanhof nimmt Andreas Peršman die Gruppe in Empfang. Er arbeitet für das dortige Museum und sieht seine Arbeit als Vermittlung zwischen Erinnerung und Forschung. In Gesprächen wird der Vorfall von 1945 geschildert, bei dem elf Zivilist*innen – darunter sieben Kinder – von der SS ermordet wurden, weil sie den Partisan*innen geholfen hätten. Ihr Hof ist heute das einzige Museum in Österreich, das den kärtnerischen antifaschistischen Widerstand dokumentiert. Es ist Bildungsort und Streitpunkt zugleich.

Im Sommer 2025 wurde der Hof polizeilich durchsucht – offiziell wegen des dort stattfindenden Kärntner Antifacamps, das antifaschistische Gruppen aus ganz Europa zusammenführte. Der Vorfall machte bundesweit Schlagzeilen (antifa berichtete), gerade auch weil es eine offizielle Gedenkstätte ist. Für viele Beobachter*innen war die Aktion symptomatisch: Antifaschistische Erinnerung wird in Kärnten bis heute misstrauisch beäugt, besonders dann, wenn sie an den slowenischen Anteil erinnert. Die Durchsuchung zeigt, dass die alten Linien der Ausgrenzung fortbestehen – nicht mehr in Sprachverboten, sondern in der Frage, wer über Erinnerung verfügen darf.

Wanderung als Lernprozess

Die Wanderung ist nicht nur eine Gedenkveranstaltung, sondern ein Lernprozess. In Gesprächen mit Angehörigen, Historiker*nnen und Aktivist*innen entstehen Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

In Bleiburg/Pliberk empfängt die Gruppe Maria Koletnik vom Verband der Kärntner Partisan*innen (ZKP). Ihr Haus ist Treffpunkt und Archiv zugleich: an den Wänden Fotos von Gefallenen, auf dem Tisch Karten mit den alten Fluchtrouten. Gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Neffen, der sich in antifaschistischen Netzwerken engagiert, führt sie durch die Geschichte der Region. Während der Bruder von seinem Vater erzählt, der als Partisan kämpfte, beschreibt der Neffe, wie rechte Gedenkpraktiken rund um das Bleiburger Treffen noch heute den öffentlichen Raum dominieren. Für die Familie Koletnik ist der antifaschistische Kampf kein historisches Kapitel, sondern Teil einer alltäglichen Auseinandersetzung mit politischer Realität.

In Bad Eisenkappel trifft die Gruppe auf Willi Oschina vom Kulturverein Zarja, die seit Jahren Kulturprojekte zur slowenischen Minderheit durchführen. Dort werden der Kultursaal und die Ausstellungsräume angeschaut. Später in Lepena, konkreter in der Lepenaer Volksschule, stößt Bredica, die Tochter der Partisanin Jelka, hinzu und spricht über die Nachwirkungen des Kriegs in ihrer Familie – über Angst, Schweigen und das mühsame gesellschaftliche Anerkennen des Slowenischen als Sprache der Würde.      Wanja Musta

Polizeieinsatz am Peršmanhof war rechtswidrig

Der Polizeieinsatz auf dem antifaschistischen Camp am Peršmanhof in Kärnten am 27. Juli war laut einem Ende Oktober veröffentlichten Abschlussbericht einer vom österreichischen Innenministerium eingesetzten Analysekommission rechtswidrig und unverhältnismäßig. Der stellvertretende Leiter des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung habe den Großeinsatz eigenmächtig und ohne Zuständigkeit angeordnet. Auch dem Bezirkshauptmann von Völkermarkt und einem Beamten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wird Fehlverhalten attestiert. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte Konsequenzen und spezielle Schulungen zur Sensibilisierung bei Einsätzen an Gedenkstätten an. Olga Voglauer, Volksgruppensprecherin der Grünen und Landessprecherin der Grünen Kärnten, erklärte darauf: »Es ging nie um falsch aufgestellte Zelte, sondern ausschließlich um Repression. So ein Machtmissbrauch darf in einem Rechtsstaat niemals wieder passieren«.         (red)