Isolieren und blockieren

geschrieben von Florian Gutsche und Conny Kerth

6. November 2021

Die AfD nach der Wahl

Kassel, Halle, Hanau: Drei schwere Fälle von rechtem Terror haben 2019 und 2020 dazu geführt, dass die Öffentlichkeit sich intensiv mit den Tätern und ihrem politischen Hintergrund befassen musste. Der einer Hinrichtung gleichenden Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke war eine massive Hasskampagne im Netz vorausgegangen, der Mörder eng verbunden mit der militanten Naziszene in Nordhessen. Die Attentäter von Halle und Hanau teilten mit ihm das ideologische Konstrukt vom »großen Austausch«, das Rechtsterroristen rund um den Globus mit den extrem rechten Rassisten eint, die überall in Parlamenten sitzen – wie die AfD. Ziele ihrer Hetze und ihrer Anschläge sind in erster Linie alle, die sie als »fremd« markieren, ebenso diejenigen, die sie für deren unerwünschte Anwesenheit verantwortlich machen. Als die AfD 2017 zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen ist, hat Gauland mit der Drohung »Wir werden sie jagen« genau diese Richtung für die parlamentarische Arbeit der AfD vorgegeben. Worte, aus denen Taten wurden.

Wer AfD wählt, wählt Nazis

Im September 2021 wurde die AfD erneut in den Bundestag gewählt. Zwar hat sie flächendeckend Stimmen verloren, konnte jedoch offensichtlich gerade dort, wo der offen faschistische »Flügel« die Partei prägt, eine Stammwähler:innenschaft entwickeln, zu der nahezu ein Viertel der Wahlberechtigten im Südosten der Republik zählt. Zudem haben die 16 Direktmandate, die die AfD gewinnen konnte die Zahl ihrer Abgeordneten von 69 auf 82 erhöht; nach Recherchen von »Monitor« müssen davon mindestens 43 dem »Flügel« zugeordnet werden.

Nun steht der nächste Bundesparteitag der AfD im Dezember in Wiesbaden an. Was sich schon 2020 in Kalkar und später bei den Parteitagen zu Wahlprogramm und Kandidierendenaufstellung angekündigt hat, wird sich dort vermutlich im neuen Bundesvorstand abbilden: Der »Flügel« kann bestimmen, wo es langgeht. Über die Beweggründe für Jörg Meuthen, nicht wieder zu kandidieren, kann man spekulieren, muss man aber nicht. Sicher ist, die Karten werden neu gemischt.

Wahlkampfabschluss des Bundesvorstands der AfD in Berlin-Charlottenburg am 24. September 2021. Foto: RechercheNetzwerk Berlin

Wahlkampfabschluss des Bundesvorstands der AfD in Berlin-Charlottenburg am 24. September 2021. Foto: RechercheNetzwerk Berlin

Einer, der sich anbietet, Meuthens Sitz zu übernehmen, ist der Oberst a. D. Rüdiger Lucassen, der hohe Funktionen unter anderem im Bundesministerium der Verteidigung und bei der NATO bekleidete, bevor er 2006 den Dienst bei der Bundeswehr quittierte und als Unternehmer in Sachen »Ausbildung und Beschaffung für militärische und polizeiliche Organisationen« tätig wurde. 2016 – also zu Zeiten der Vorsitzenden Frauke Petry, die Schusswaffengebrauch an den Grenzen als »Ultima Ratio« nicht ausschließen wollte – trat er in die AfD ein. Er ist Landesvorsitzender in NRW und als Sprecher des »Arbeitskreises Verteidigung« der Fraktion maßgeblicher Autor der programmatischen Schrift »Streitkraft Bundeswehr«, mit der »eine Novellierung der grundgesetzlichen Vorgaben« angestrebt wird. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem bekennenden Faschisten Bernd Höcke sagte er, die beiden Strömungen in der AfD, seien sich »in ihrer politischen Aussagekraft viel einiger«, als es manchen klar wäre.

Steuermillionen und Bildungsurlaub

Neben Wahlkampfkostenerstattung und der Finanzierung hunderter hauptamtlicher Mitarbeiter:innen von Abgeordneten und Fraktion aus dem gesamten Spektrum der extremen Rechten könnte nun mit der Wiederwahl der AfD auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung mit 50 bis 70 Millionen Euro aus Steuermitteln finanziert werden. Das wären nicht nur weitere hunderte hauptamtliche Nazis, die durch die Eröffnung von Auslandsbüros ihre internationale Vernetzung erweitern und vertiefen könnten, sondern damit würden rechte Ideologiebildung und Hetze auch noch als »Bildung« geadelt und zu Bildungsurlaub berechtigen. Allerdings führt der vom Anne-Frank-Zentrum und den Grünen auf den Weg gebrachte »Demokratie-TÜV« in Form des »Wehrhafte-Demokratie-Gesetzes« direkt zurück zur »Extremismusklausel« und der faktischen Kontrolle jeder Art von Fördermitteln durch den Inlandsgeheimdienst.

Ebenso wichtig wie die ständige Begleitung der AfD mit Analyse, Kritik und Aktion, wo immer sie sich öffentlich zeigt, ist das entschiedene Eintreten für klare Abgrenzung. Daran müssen wir mit vielen Bündniskräften weiter arbeiten, »Aufstehen gegen Rassismus« spielt dabei eine zentrale Rolle.

Keine Kooperation in den Parlamenten – egal auf welcher Ebene, keine Stimme für AfD-Kandidat:innen – egal für welche Position, keine gemeinsamen Auftritte mit der AfD – schon gar nicht beim Gedenken an die Opfer des Naziregimes, das müssen unsere Forderungen an die demokratischen Parteien sein. Keine Räume für Veranstaltungen und keine Einladungen zu Talkshows, Diskussionsrunden oder Statements. Dafür müssen wir weiter streiten. Dass es sich lohnt, zeigt sich in Städten wie Berlin (8,4 %) und Hamburg (5,0 %), aber auch in Chemnitz, Leipzig oder Dresden, wo die Ergebnisse für die AfD deutlich unter dem Landesschnitt liegen.

Darstellung des verteidigungspolitischen Programms der AfD von »Aufstehen gegen Rassismus«: aufstehen-gegen-rassismus.de/wp-content/uploads/AfD_Militarismus.pdf

Schon mal vormerken

  • Im nächsten Jahr gibt es Landtagswahlen im Saarland (27. März), in Schleswig-Holstein (8. Mai), Nordrhein-Westfalen (15. Mai) und Niedersachsen (9. Oktober)
  • Auch die Betriebsratswahlen finden ab März 2022 statt