Die Weichen zum Krieg
8. März 2022
VVN-BdA-Onlineveranstaltung zu Hitlers Rede vor Düsseldorfs Industrie-Club 1932
Zum 90. Jahrestag des verhängnisvollen Ereignisses, am 26. Januar 2022, fand unsere Online-Veranstaltung »Wie die deutsche Wirtschaft dem Faschismus zur Macht verhalf« statt. Eingeladen war Ulrich Sander, langjähriges Mitglied des VVN-Bundesausschusses, der im Gespräch mit Maxi Schneider, Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA, referierte. 140 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil. Auf YouTube wurde der Mitschnitt weit häufiger aufgerufen. Ziel der Veranstaltung war es, aufzuzeigen, wie die deutsche Wirtschaft den Faschismus fütterte und gedeihen ließ.
Am 26. Januar 1932, ein Jahr vor der Machtübergabe, wetterte Hitler vor dem Düsseldorfer Industrie-Club (einer Vereinigung von Großindustriellen) gegen die Arbeiterbewegung, Gewerkschaften und die Weimarer Demokratie. Er warb in seiner Rede im Parkhotel Düsseldorf bei 650 Industriellen, Managern und Verbandsvertretern für den Aufstieg der NSDAP und stieß dabei auf offene Ohren. Es sollte ein Schlüsselmoment für die Nazipartei werden, die große Spenden aus ebendiesen Kreisen erhielt. Der Andrang war groß und der Saal so voll, dass die Rede in ein Nebenzimmer übertragen wurde. Der damalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr, der nach dem Krieg Bundesinnenminister wurde und in der BRD das Verbotsverfahren gegen die KPD in Gang setzte, eröffnete den Abend.
Werben für Aufrüstung und Krieg
Hitler versprach in seiner Rede, den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen und die Demokratie abzuschaffen. Er biederte sich den Industriellen an und warnte vor der »Gefahr des Bolschewismus«. Von seiner »Politik für den kleinen Mann«, wie er bei Arbeiter*innen Werbung machte, hier keine Spur. Industrielle und Bankiers dankten Hitler mit lang anhaltendem Beifall, denn er versprach ihnen Profite durch die Produktion von Rüstung, Waffen, Kriegsmaterial. Er legte seine Pläne dar, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und »Lebensraum im Osten« zu erobern.
Hitler wollte mit seinem Auftritt noch mehr Unterstützer für seine Partei gewinnen und seinen Einfluss ausweiten, was ihm auch gelungen ist.
Doch die Rede in Düsseldorf war nicht sein einziger Schulterschluss mit Großindustriellen. Sie war nur eine Station – wenn auch eine wichtige – auf dem Weg der Annäherung zwischen Industrie und Faschisten. Vor dem 30. Januar 1933 gab es mindestens 20 weitere Treffen zwischen Hitler und Industrievertretern, unter anderem das Harzburger-Front-Treffen (die Harzburger Front war ein Bündnis von Nazis und Rechtskonservativen) vom 11. Oktober 1931, bei dem unter anderem Hjalmar Schacht, der ehemalige Reichsbankpräsident und spätere Reichswirtschaftsminister, sprach.
Noch bedeutender als Auftritte vor großem Publikum waren jedoch Gespräche in vertrauter Runde. Dafür sollte die Düsseldorfer Rede einige Türen öffnen. Nur einen Tag später, am 27. Januar 1932, traf sich Hitler mit Fritz Thyssen und Ernst Poensgen, um mit den beiden Großindustriellen konkret über die Finanzierung der NSDAP zu sprechen. Hitler und Konsorten lag vieles daran, ihren Wahlkampf von der deutschen Wirtschaft finanzieren zu lassen. Sicher ist, dass es ohne die aktive Unterstützung der Großindustrie, ihrer einflussreichen Verbände, der Großgrundbesitzer und Banken nie zur Machtübergabe an Adolf Hitler gekommen wäre, so Ulrich Sander.
Wer hatte was dagegen?
Doch nicht alle ließen Hitlers Buhlen bei den Industriellen unwidersprochen. Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen, Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen zogen am 26. Januar 1932 vor den Industrie-Club, um lautstark ihren Protest auszudrücken. Und dieser zeigte große Wirkung: Die Besucher*innen, die gekommen waren, um Hitler zu sehen, mussten durch ein Spalier aus Demonstrierenden laufen und Hitler selbst auf den Seiteneingang ausweichen. Unter den Demonstrierenden war auch die Widerstandskämpferin Maria Wachter, die schon früh in die KPD eingetreten war. 1939 wurde sie im Pariser Exil verhaftet. Sie war nach dem Krieg Ehrenvorsitzende der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen und hielt als Zeitzeugin Vorträge vor Jugendlichen. Darin betonte sie stets: »Es müsste im Industrie-Club eine Tafel angebracht werden mit dem Text: ›Hier bekam Hitler von Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld, hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt!‹« Diesen indirekten Auftrag setzte die Landesvereinigung der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen um und brachte symbolisch eine provisorische Infotafel am Industrie-Club an. Denn: »Der Kapitalismus muss nicht zum Faschismus führen, aber bei uns ist es geschehen, und es kann wieder geschehen, daher seien wir wachsam«, schloss Ulrich Sander.
Ulrich Sander ist Mitglied des Bundesausschusses der VVN-BdA und hat sich als engagierter Antifaschist, Journalist und Autor jahrzehntelang mit den Verstrickungen zwischen der deutschen Wirtschaft und dem Faschismus beschäftigt. Aus einem Projekt der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen ist das Buch »Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945« entstanden, das Ulrich Sander herausgegeben und mitverfasst hat. www.verbrechen-der-wirtschaft.de »Wie die deutsche Wirtschaft dem Faschismus zur Macht verhalf« – nachzusehen bei Youtube unter: https://www.youtube.com/watch?v=4i8gJWQflBw. Abonniert auch den Youtube-Kanal »VVN-BdA Bundesorganisation«!