Projekt von Reaktionären
8. März 2022
Koloniales Raubgut und extrem rechte Spender: Zum Prunk des Berliner Stadtschlosses
Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses und das Humboldt-Forum waren schon Gegenstand eines antifa-Spezials vom November/Dezember 2019 (siehe kurzelinks.de/stadtschloss2019). Im Januar 2022 schrieb nun Stephan Trüby, Professor für Architektur und Kulturtheorie, im Wiener Standard: »Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss, immerhin das wichtigste deutsche Kulturprojekt seit der Wiedervereinigung, ist in die Hände von Reaktionären und Planlosen geraten«. Dem könnte man zustimmen, wenn die Rekonstruktion des Symbols der Hohenzollern-Herrschaft und des deutschen Imperialismus in der Mitte der alten und neuen Hauptstadt nicht von Anfang ein Projekt von Reaktionären gewesen wäre.
Engagierte Mitstreiter Die Idee dazu hatte der mecklenburgische Adelsspross Wilhelm von Boddien. Schon Ende der 1980er-Jahre hatte er sich dem Kreis der »Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten« um den vormaligen Chefarisierer der Deutschen Bank Hermann Josef Abs angeschlossen und fand dort in Albert-Speer-Verleger und -Verehrer Jobst Siedler sowie Hitler-Biograf Joachim Fest engagierte Mitstreiter für seine Idee. Beide wurden in dem von Boddien initiierten »Förderverein für das Berliner Schloss« aktiv und sammelten mehr als 100 Millionen Euro für die Rekonstruktion der historisierenden Schlossfassade. Spender:innen erscheinen ab 50 Euro auf einer Leuchttafel, ab 100.000 Euro auf einer Sandsteinplakette und werden ab einer Million Euro mit Gipsporträt an einer Innenwand verewigt.
Und genau hier fiel nun eine Reihe extrem rechter Geldgeber:innen auf. So nennt Trüby im Standard etwa den »Verein Gesellschaft Berliner Schloss e. V.«. Der Zeitung aus Wien zufolge besteht dessen dreiköpfiger Vorstand zu zwei Dritteln aus rechten Akteuren: dem Schatzmeister und AfD-Politiker Daniel Krüger sowie Guido Hinterkeuser, der im Jahr 2018 eine Erklärung unterzeichnete, in der extreme Rechte ätzten, es drohe eine »Beschädigung Deutschlands« durch »illegale Masseneinwanderung«. An Bord, fährt Stephan Trüby im Standard fort, seien auch der Chefredakteur der Rechtspostille Junge Freiheit, Dieter Stein, und deren Autor Claus Wolfschlag sowie der Rechtsanwalt und AfD-Kandidat bei den Stuttgarter Gemeinderatswahlen Thomas Sambuc. Mittenmang ebenso Karl-Klaus Dittel, der Mitgründer des AfD-nahen »Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheit« ist. Genannt wird zudem der »Preußenabend München«, von dem es im Standard heißt, er versammele eine Truppe von rechtskonservativen Akademikern, Vertriebenenfunktionären, AfD-Politikern und Neonazis.
Alle diese Spender:innen können unter der prunkvollen Kuppel, mit der historischen Inschrift feinsinnig die Prunkstücke der kolonialen Raubzüge betrachten, die im Humboldt-Forum ausgestellt sind. Gerade erst hat der Historiker Götz Aly nachgewiesen, dass auch das riesige Luf-Boot aus der deutschen Kolonie Papua-Neuguinea, das so groß ist, dass es praktisch in den noch offenen Bau eingemauert werden musst, nicht – wie immer behauptet – »rechtmäßig« erworben wurde, sondern im Zuge einer deutschen »Strafexpedition«, bei der ungefähr die Hälfte der rund 400 Bewohner:innen, die keine Gegenwehr leisteten, ermordet und ihre Häuser und Schiffe niedergebrannt wurden.
Sorry, alles ganz legal!?
In der 3sat-Dokumentation »Alles nur geklaut?« (siehe kurzelinks.de/3satgeklaut) bleibt der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Gründungsdirektor des Humboldt-Forums, Hermann Parzinger, indes ganz der Alte. In Hinblick auf die aktuelle Restitutionsdebatte, die anstehende Rückgabe der aus dem vorkolonialen Königreich Benin im heutigen Nigeria stammenden Bronzen und die seit Jahrzehnten bestehenden Forderungen nach Rückgabe der berühmten Nofretete-Büste an Ägypten oder des Pergamonaltars an die Türkei sagt er unverdrossen: »Sorry, aber das ist ganz legal nach damaligen Gesetzen erworben worden, insofern wird es (gemeint ist Nofretete, Red.) weiter eine wunderbare Botschafterin auch für die Zukunft sein«. Auch »mit dem Pergamonaltar ist es das Selbe wie mit Nofretete«, meint Parzinger. Er sei »völlig legal erworben, da gibt es Papiere und alles. Der wird wohl auch hier bleiben«. Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein?
Übrigens: inzwischen wurde auch bekannt, dass der barocke Schlossbau des 17. Jahrhunderts von Andreas Schlüter selbst wesentlich mit den Gewinnen aus der kurbrandenburgischen Kolonie Groß-Friedrichsburg finanziert wurde, die hauptsächlich im Sklavenhandel erzielt wurden.