Wahlen unnötig?
13. Mai 2022
Lesenswerte Analyse über den radikalisierten Konservatismus
Die Wiener Politikwissenschaftlerin Natascha -Strobl hat 2021 eine Untersuchung über den radikalen Konservatismus vorgelegt. Sie untersucht dabei die Parallelen zwischen Donald Trump und Sebastian Kurz (ÖVP). Dabei legt sie einen Schwerpunkt auf die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Politikern und kommt zu Parallelen, die auch in Deutschland für die Auseinandersetzung mit der AfD wichtig sind.
Der radikale Konservatismus nimmt dabei Anleihen bei der Neuen Rechten. »Radikaler Konservatismus übernimmt die Strategien und die Sprache des Rechtspopulismus bzw. des parteiförmigen und außerparlamentarischen modernen Rechtsextremismus. Er setzt dabei auf Polarisierung statt auf Konsens und möchte das bestehende politische System zu seinen Gunsten umgestalten.« (S. 39) Ihnen geht es nicht mehr darum, eine konservative Weltsicht zu vertreten, sondern eine Partei und letztendlich einen Staat zu formieren, in denen demokratische Grundregeln nicht mehr gelten. Das Ziel ist, eine Partei hinter einer führenden Person zu vereinen und die Politik auf diese Person auszurichten. Debatten über die Ausrichtung der Partei treten immer mehr in den Hintergrund, stattdessen wird eine Person als der einzige Weg zur »Rettung« aufgebaut. Natascha Strobl dazu: »Zugleich ist es ein bekanntes Muster der traditionellen Rechten. Statt verschiedener Parteiflügel kämpfen dort Cliquen rund um eine Galionsfigur gegeneinander und putschen diese an die Macht.« (S. 74) Ein weiterer Bezug zur Neuen Rechten. Der Jurist Carl Schmitt war ein Vordenker der Konservativen Revolution in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Er hat das Modell der »identitären Demokratie« entwickelt. Für ihn besteht eine »geistige Einheit zwischen Führenden und Geführten« (S. 82). Wahlen sind dann nicht mehr nötig, weil die Zustimmung durch öffentlich gezeigte Unterstützung ausgedrückt wird. Diese jeweilige Führungsperson wird dann so überhöht, dass ihr ein fast religiöser Status zugeschrieben wird. Natascha Strobl beschreibt dieses Vorgehen anhand von Donald Trump. »Er ließ sich gern als Heiland einer konservativen, christlichen USA feiern. Der dreimal verheiratete New Yorker, der sich selbst goldene Türme baut, versprach die darniederliegenden echten, konservativen Werte und damit Amerika selbst ›wieder groß zu machen‹. Besonderen Wert legte er darauf, sich als Anti-Establishment-Figur zu inszenieren, als Heilsbringer und Künder eines neuen Zeitalters.« (S. 85) Besonders wichtig für diese Inszenierung ist das deutliche Überzeichnen von Feindbildern. Dabei werden linke und antifaschistische Gruppen zu gefährlichen Feinden hochstilisiert, um gegen diese vorgehen zu können. Trump forderte nach dem Aufmarsch neo-nazistischer Gruppen in Charlottesville 2020, die »Antifa« als Terrororganisation einzustufen und damit verbieten zu können. Natascha Strobl schreibt dazu: »›Antifa‹ ist zugleich unspezifisch und präzise genug; unspezifisch genug, um ihr alle möglichen unliebsamen Einzelpersonen und Gruppierungen zuordnen zu können; präzise genug, um für die breite Masse der Trump-Anhänger:innen das Bild einer anonymen, marodierenden Horde zu evozieren. Unter diesem Label kann nun alles und jede:r eingeordnet und damit auch alles und jede:r kriminalisiert oder als Terrorist:in diffamiert werden.« Nach der Hetze von Trump gegen antifaschistische Gruppen hat die AfD sofort reagiert und im Bundestag ebenfalls ein Verbot der »Antifa« gefordert. Jens Maier (AfD) hat in der Begründung des Antrags ausdrücklich Trump dafür gedankt, der »Antifa« den Kampf angesagt zu haben.
Daneben werden noch andere Gruppen als Feindbilder aufgebaut. Bei Trump war es die afroamerikanische Protestbewegung Black Lives Matter (BLM), die nach dem Mord eines weißen Polizisten an George Floyd im Frühjahr 2020 entstanden ist. Bei Kurz standen die Migranten und Geflüchteten im Fokus der Hetze.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt Natascha -Strobl in ihrem Buch auf die Medienstrategie der radikalen Konservativen. Bei Veröffentlichungen und Äußerungen soll es nicht um Informationen, sondern um »Aufreger« gehen. Bewusst provozieren die Politiker mit dem Ziel, in die Schlagzeilen zu kommen. »Ein spalterischer und auf Minderheiten abzielender, übertriebener Aufreger wird als Beleg für eine harte Wahrheit präsentiert, die endlich jemand auszusprechen wagt.« (S. 116)
Auch wenn Natascha Strobl die AfD in dem Buch nur selten erwähnt, wurden mir beim Lesen Parallelen deutlich. Höcke, Gauland und Kalbitz geben sich gerne als national gesinnte Rebellen, die so tun, als seien sie diejenigen, die sich trauen zu sagen, was eine schweigende Mehrheit denkt. Natascha Strobls Buch über den radikalen Konservatismus gibt uns Werkzeuge an die Hand, um dieses Vorgehen noch besser analysieren zu können.