Eine Frage der Haltung

geschrieben von Janka Kluge

13. Mai 2022

Zur ausbleibenden Solidarität mit Antifaschist*innen

Die VVN-BdA hat im letzten Jahr viel Solidarität erfahren. Diese Solidarität reichte von Spenden, öffentlichen Äußerungen bis zum Eintritt in die Organisation. Wir waren und sind zu Recht immer noch begeistert von dieser Welle der Solidarität. Wie sieht es aber mit unserer Solidarität gegenüber anderen antifaschistischen Gruppen und Einzelpersonen aus? Sind wir als Organisation und als Einzelne solidarisch mit anderen antifaschistischen Gruppen?

Natürlich gibt es Aktionsformen, die wir als Organisation ablehnen. Es gibt auch Unterschiede in der Einschätzung wie eine »richtige« antifaschistische Politik und sich dann daraus ergebende Praxis aussieht. Der VVN wird beispielsweise immer wieder vorgeworfen, die These zu vertreten, dass der Faschismus fest in der Demokratie verankert ist und es nur eine Frage der Zeit ist, bis er zutage tritt. Genauso regelmäßig widersprechen wir dieser durch und durch falschen Analyse. Wir betonen, dass in der VVN unterschiedliche Menschen mit völlig verschiedenen Faschismusanalysen Mitglied sind. Obwohl wir dies bei vielen Gelegenheiten tun, bleibt die Gegenseite, wie beispielsweise der Verfassungsschutz, weitgehend bei ihrer Behauptung.

Machen wir es anders, wenn es sich um die verschiedenen Antifagruppen und ihre – aus unserer Sicht – mehr oder weniger gelungenen Aktionen und ihr Auftreten handelt? Nehmen wir überhaupt wahr, dass es sich auch bei ihnen um unterschiedliche Ansätze zur Umsetzung von Politik handelt? Beschäftigen wir uns genügend damit, um nachzuvollziehen, dass es durchaus unterschiedliche Positionen zu einzelnen Aktionen gibt? Es ist nachvollziehbar, dass solche Auseinandersetzungen eher in Gesprächen, sei es im persönlichen Rahmen oder bei Veranstaltungen, und nicht über Presseerklärungen geführt werden. Mein Eindruck ist, dass wir dies alles gar nicht wahrnehmen können, weil wir den Dialog mit der jungen antifaschistischen Bewegung nicht führen. Ich weiß durchaus, dass das nicht für alle unserer Mitglieder gilt. Wir sind, gerade im ländlichen Raum, oft auf junge Antifaschist*innen angewiesen und gehen natürlich Bündnisse ein.

Unterschiedliche Ansätze

Viele erfahren von den Aktionen und Demonstrationen der antifaschistischen Gruppen dennoch nur aus der Presse und wissen dabei sehr wohl, dass die Presse in der Regel nicht vor Ort war, sondern lediglich aus dem Polizeibericht abgeschrieben hat. Wir nehmen nicht zur Kenntnis, dass viele Prozesse vor Gericht gegen diese Antifas wegen Bagatellen geführt werden. Solidarität heißt nicht, alles gutzuheißen, was die anderen gemacht haben. Es heißt, sich auf die Logik »der guten und der bösen« Antifa nicht einzulassen, sondern einzelne Aktionen zu kritisieren und trotzdem die Prozesse gegen die Akteur*innen zu begleiten. Hilfreich kann es sein, wenn wir während oder nach dem Prozess eine eigene Einschätzung veröffentlichen und nicht einfach ignorieren, was im antifaschistischen Spektrum passiert. Es gibt aber noch viel mehr, was wir machen könnten. Prozesse kosten für die Betroffenen auch viel Geld. Es kostet auch immer wieder Geld, bundesweit zu den Demonstrationen zu fahren, Plakate und Flyer zu drucken. Mit dem Sammeln und Mobilisieren haben wir doch viel Erfahrung – da könnten wir mehr unterstützen.

Gegenseitig unterstützen

Wir haben viele Möglichkeiten, uns gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen. In meiner persönlichen Entwicklung als Antifaschistin waren die Gespräche mit der Gründergeneration der VVN sehr wichtig. Geprägt haben mich unter anderem Gespräche mit Alfred Hausser (1912–2003). Er hat dabei betont, dass wir die Fehler der 1920er- und 1930er-Jahre nicht wiederholen sollten. Trotz aller Unterschiede sollen wir uns nicht spalten lassen. Also lasst uns daran denken, es gibt nicht nur viele Möglichkeiten der Entsolidarisierung, sondern auch ebenso viele Formen der Solidarität. Es bleibt eine Frage der Haltung.

Nur ein Beispiel: Kampagne gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus und zur Freilassung der Antifaschistin Lina, die seit dem
5. November 2020 in Untersuchungshaft sitzt. Ihr wird vorgeworfen, an Angriffen auf Neonazifunktionäre beteiligt gewesen zu sein.

Informationen:

www.wirsindallelinx.com