Kampfthema der Rechten
7. November 2022
Ein Sachbuch über Klimapolitik liefert gut lesbar Argumente
Neben der Untätigkeit der Politik und Ignoranz gegenüber dem Thema ist die Einflussnahme rechter Bewegungen eines der größten Risiken, die dem Erreichen der weltweiten Klimaziele im Weg stehen – und somit auch sozialer Gerechtigkeit und Demokratie für alle. Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser bieten mit dem vorliegenden Buch eine verständlich ausformulierte Argumentation, warum der Kampf der politischen Rechten gegen Klimapolitik zugleich eine Auseinandersetzung um rassistische und neoliberale Vorherrschaft ist. Der zentrale Begriff, den die Autoren dabei neu prägen, ist Klimarassismus. Er beschreibt die Gründe und durchweg negativen Auswirkungen des Klimawandels, die rassistisch diskriminierte Menschen, gerade im globalen Süden, besonders stark treffen. Die Kosten des industriellen Wohlstands in den westlichen Ländern werden dabei überproportional von Menschen im globalen Süden getragen. Ein Hauptgrund dafür liegt darin, dass der Wohlstand des Westens seit der Industrialisierung auf der Ausbeutung des globalen Südens und dem Verbrauch fossiler Energieträger aufbaut. Die Lebensweise, an die wir uns alle gewöhnt haben, so stellen die Autoren klar, ist weder nachhaltig noch dauerhaft haltbar, wenn wir die Klimakrise verlangsamen möchten.
Gerade aus einer sozialen Perspektive sollte -dies jedoch unbedingt angestrebt werden, trifft doch die Klimakrise genau wie der Kapitalismus nicht alle gleich. Menschen, die in Deutschland von Rassismus betroffen sind, sind in ihren Wohngebieten auch überproportional Luftverschmutzung und Umweltrisiken ausgesetzt. Das gleiche gilt für arme und armutsbedrohte Menschen. Studien belegen, dass arme Menschen häufiger in einer Umwelt leben, die sie krank macht. Wer reich ist, kann sich langfristig besser vor den Folgen der Klimakrise schützen als Menschen ohne hohes Einkommen. Und auch beim Klimaschutz gibt es einen klaren Gender Gap: Frauen achten häufiger auf Klimaschutz, fahren weniger Auto, und viele von ihnen sind aktiv in der Klimagerechtigkeitsbewegung – wodurch ihnen sexistische und antifeministische Anfeindungen entgegenschlagen.
Das Autorentrio geht darauf ein, dass es auch innerhalb rechter Strömungen unterschiedliche Positionen in Bezug auf die Klimakrise gibt. Nicht überall wird der menschengemachte (oder besser: industrielle) Klimawandel abgelehnt oder infrage gestellt. Gerade in der völkischen Rechten lassen sich unter dem Begriff des »Ökofaschismus« Positionen zusammenfassen, die Umwelt- und Klimaschutz auf Basis von Blut-und-Boden-Ideologie interpretieren und den Klimawandel als eine Folge der liberalen Moderne sehen. Eine zweite, sehr viel weiter verbreitete Position ist der Anti-Ökologismus. Demnach existiere der Klimawandel entweder nicht, oder wenn er doch anerkannt wird, dann seien die negativen Auswirkungen und der Einfluss von Mensch und Industrie zu vernachlässigen. Diese Position, zugespitzt in dem Satz »Das Klima hat sich schon immer verändert«, ist gesellschaftlich weiter verbreitet, als man denkt. Ein Grund hierfür ist die seit Jahrzehnten andauernde Lobbyarbeit von neoliberalen, rechtskonservativen und extrem rechten Kräften, die das Ziel eint, die Ausbeutung von Menschen und Natur aufrechtzuerhalten. Neoliberale Thinktanks wie das Heartland Institute, das Cato Institute oder in Deutschland das – namentlich irreführende – Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) beeinflussen die öffentliche und politische Debatte mit ihrer Lobbyarbeit und Desinformationskampagnen. In den USA so erfolgreich, dass diese unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgetreten sind. Hörbar werden solche Positionen beispielsweise in Medien wie Tychis Einblick, Compact oder eigentümlich frei. Während komplette Leugnung des Klimawandels in diesen Sphären langsam aus der Mode kommt, so wird sich doch weiterhin »klimaskeptisch« an Schutzmaßnahmen abgearbeitet und diese – genauso wie eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energiequellen – abgelehnt. Es wird über vermeintliche »Verbotspolitik« und eine »Klimadiktatur« Stimmung gegen Klimaziele und Klimaaktivist*innen gemacht und gleichzeitig durch Fake-Fachleute, Manipulation und Angriffe auf kritische Wissenschaften versucht, die öffentliche Debatte zu beeinflussen.
Stellenweise liest man die Wut des Autorentrios über die Verzögerungen und Untätigkeiten beim effektiven Klimaschutz heraus, was dem Sachbuchcharakter keinen Abbruch tut, sondern erfrischend ehrlich ist. Dabei geht es ihnen nicht darum, eine moralisch überlegene Position einzunehmen, sondern sie folgen dem simplen Grundgedanken, dass es ohne Erreichen der Klimaziele keine gerechte, soziale Zukunft für alle geben kann – unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Geschlecht. Und die Zeit rennt uns buchstäblich davon.
Unbedingte Leseempfehlung für alle, die verständliche und gut lesbar Argumente brauchen, warum der Kampf für Klimagerechtigkeit und gegen extrem rechte Ideologie Hand in Hand gehen müssen, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu gestalten.