Festung Österreich
9. März 2023
Wie sich auch in der Alpenrepublik der Rassismus breit macht
Ende Januar wurde in Niederösterreich – nach Wien das bevölkerungsreichste Bundesland Österreichs – der Landtag gewählt. Wenig überraschend verlor dabei die ÖVP zehn Prozentpunkte ihrer Stimmen, während die FPÖ zehn Punkte dazugewann. Überrascht hat das niemanden, weil die Österreichische Volkspartei – auch wenn sie es vielleicht nicht wahrhaben möchte – seit mehreren Jahren in einem oder mehreren Korruptionsskandalen steckt, während die Freiheitlichen vor ihren Wähler*innen behaupten können, dass sie sich der Verantwortlichen des Ibiza-Skandals entledigt hätten. Und auch vor 2019 hatte die ÖVP große Schwierigkeiten, als glaubwürdig zu gelten, was wohl daran liegen mag, dass es sich bei der Zielgruppe der ÖVP überwiegend um Arbeitgeber*innen und Landwirt*innen (=Großgrundbesitzer*innen) handelt – volksnah ist lediglich die Macht, die von der immer autoritärer werdenden Führung ausgeht. Im Vergleich dazu ist die FPÖ ein undisziplinierter Haufen.
Leider sind beide Parteien gezwungen, sich öffentlich zu äußern und ein Themenfeld zu wählen. Und eigentlich gibt es nur ein Themenfeld, das man ungestraft und aufbauschend beackern kann, ohne unbeliebte Lösungen zu liefern. Das Thema Asylrecht und Migration.
Der Diskurs in Österreich ist so geprägt von einer Durchmischung der Begrifflichkeiten, dass es nicht einmal den grünen Regierungspartner*innen in Diskussionen gelingt, auf die Unterschiede zwischen jenen hinzuweisen, die um Asyl ansuchen, und jenen, die es bereits erhalten haben. Zwischen jenen, die ohne Visum nach Österreich kommen müssen, und jenen, die ein Visum haben bzw. deren Kindern.
Und so kam es Ende Jänner in der österreichischen TV-Diskussion »Pro und Contra« zu einer Konfrontation zwischen Petar Rosandic (Gründer des Flüchtlingshilfevereins »SOS Balkanroute«) bzw. Ewa Ernst-Dziedzic (Menschenrechtssprecherin der Grünen) und Gottfried Waldhäusl (FPÖ-Politiker und Landesrat für Tierschutz, Gemeindeärzte, Asyl und Mindestsicherung).
Auf die Aussage einer Schülerin aus dem Publikum: »Wenn Sie Ihre Maßnahmen schon vor Jahren durchgeführt hätten, dann würde diese ganze Klasse nun nicht das Gymnasium in Wien besuchen, weil die Hälfte oder eigentlich alle aus dieser Klasse Eltern mit Migrationshintergrund haben und darum nicht hier sitzen würden« antwortete Waldhäusl: »Wenn das geschehen wäre, dann wäre Wien noch Wien.«
In der folgenden Woche reagierte die österreichische Zivilgesellschaft zwar empört, und es kam zu Formen der Solidaritätsbekundung, die wir von Protesten gegen verschiedene Kindesabschiebungen kennen (die Klasse der Schülerin wurde ins Parlament eingeladen, es gab ein paar Demos und viele Bekundungen, dass Waldhäusl so etwas nicht hätte sagen dürfen), aber selten wurde besprochen, dass Waldhäusls Aussage eigentlich keine Eskalation mehr darstellt.
Bereits während des Wahlkampfs posierte FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl im tarnfarbenen Anorak auf Plakaten neben der Losung »Festung Österreich«. Folgerichtig bekräftigte er, gemeinsam mit anderen FPÖ-Größen die vermeintliche Richtigkeit und Wichtigkeit von Waldhäusls Aussagen.
Und auch die Volkspartei wird nicht müde, das Thema Grenzschutz und Einwanderung zu strapazieren, während gesamteuropäische Lösungen zur Verteilung Geflüchteter von ihr blockiert und sabotiert werden.
Häufig nutzt die Volkspartei ihre Macht als Regierungspartei, um sich durch Message-Control und Aktionismus auf dem europäischen Parkett in Szene zu setzen. So legte Österreich im Dezember ein Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ein. Die ÖVP-Spitze rechtfertigte das nicht mit der fehlenden Erfüllung von Beitrittskriterien, sondern formulierte stattdessen den gefühlt fünften Hilferuf, dass man nun endlich den österreichischen Vorstellungen punkto EU-Grenzpolitik zu folgen hätte.
In Zeiten der Unsicherheit versuchen rechte bzw. autoritaristische Parteien (in Österreich sind sowohl FPÖ als auch ÖVP als Nachfolgeparteien einer faschistischen Strömung zu bezeichnen) der Bevölkerung Sicherheit zu verleihen, indem marginalisierte Gruppen weiter marginalisiert und kontrolliert werden. Korruptionsaffären, Corona oder die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine kann man nicht kontrollieren, die Zuwanderung – angeblich – schon. Und so setzt sich weiter fort, was Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits 2018 beobachtet hat. Über Positionen, die 2015 noch als extrem rechts wahrgenommen wurden, konnte man – so merkte er damals in mehreren Interviews freudig an – im Jahr 2018 schon »sachlich« diskutieren. Die beschriebene Diskursverschiebung macht jedoch diejenigen, die Jahr um Jahr rabiatere Maßnahmen gegen an europäische Außengrenzen Geflüchtete verlangen, nicht zu Menschen mit Weitblick. Vielmehr ist sie ein Zeichen dafür, dass es selbst in Zeiten der Krise nicht mehr darum geht, Menschen Hilfe zu leisten und ihre Not zu verhindern, sondern darum, die starke Faust zu präsentieren, indem man Bevölkerungsgruppen, die man eigenhändig marginalisiert hat, zur Bedrohung für die innere Sicherheit zu erklären.
Mehr zum Thema findet sich auf der Seite der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU) www.fipu.at
Heide Hammer ist Redakteurin der Volksstimme und LINKS-Aktivistin.
Diana Leah Mosser ist Transfeminist*in, Aktivist*in bei LINKS-Wien und Mitglied der Volksstimme-Redaktion.