Meldungen

9. März 2023

674 Rechte flüchtig

Zum Stichtag 30. September 2022 meldete die Bundesregierung auf Anfrage von Martina Renner und weiterer Abgeordneter der Partei Die Linke, dass es 915 nicht vollstreckte Haftbefehle gegen 674 Personen, die dem politisch rechten Lager zugerechnet werden, existieren. 156 Personen wurden wegen eines Gewaltdeliktes gesucht. 91 Gesuchte sollen sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden im Ausland aufhalten.

Silvester in Borna

Rund 200 Menschen hatten in Borna (Sachsen) in der Silvesternacht auf dem Marktplatz randaliert. Sie haben Raketen auf das Rathaus abgefeuert und anrückende Polizei- und Einsatzkräfte mit Böllern angegriffen. Ein Polizeiauto wurde beschädigt. AnwohnerInnen berichten auch von lauten »Sieg Heil«-Rufen und Jugendlichen mit Sturmhauben in der 20.000-Einwohner-Stadt. Der Bürgermeister Oliver Urban berichtete von ähnlichen Attacken 2018 und 2019. Die Stadt wird über weitere Maßnahmen diskutieren.

Nazijugendlager

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die extrem rechte Jugendorganisation »Sturmvogel – deutscher Jugendbund« vom 27. Dezember bis zum 1. Januar ein Jugendlager im »Jugendheim Hohenlohe« (Rems-Murr, Baden-Württemberg) durchgeführt hat. Knapp 50 Personen – hauptsächlich Kinder und Jugendliche – nahmen daran teil. Der »Sturmvogel« hatte sich 1987 von der »Wiking-Jugend« abgespalten und wurde anders als jene nie verboten. Der »Sturmvogel« ist eng mit dem antisemitischen »Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)« verbunden, den Erich Ludendorff zusammen mit seiner Ehefrau Mathilde gegründet hatte.

Rechtswidriger Einsatz

Die Hamburger Polizei hat Anfang Februar die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg (VG) ohne Begründung zurückgenommen. In dem Urteil von Mai 2022 hatte das VG das Verbot und den nachfolgenden Polizeieinsatz gegen ein Protestcamp auf der Halbinsel Entenwerder für rechtswidrig erklärt. Das Antikapitalistische Camp hatte sich gegen den G20-Gipfel gerichtet, der 2017 in Hamburg stattfand. Das angemeldete Camp war verboten worden, und am 2. Juli 2017 verhinderte die Polizei den Aufbau des Camps.

»Die Rechte« aufgelöst

Der nordrhein-westfälische Landesparteitag von »Die Rechte« hat Anfang Januar den Landesverband aufgelöst. Eine Mehrheit der örtlichen Aktivisten unterstütze den Weg der NPD hin zur Heimatbewegung, so die NPD. Zahlreiche Funktionäre und Mitglieder von »Die Rechte« in NRW sind bereits in die NPD eingetreten. Der Kreisverband Duisburg hat dagegen Mitte Februar den Verbleib in »Die Rechte« beschlossen. Allerdings ist NRW der größte Landesverband der Partei und teilt sich seine Niederlassung mit dem Bundesverband.

Polizeianwärter entlassen

Das Verwaltungsgericht Mainz hat die Entlassung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis am 3. Januar bestätigt. Der Mann war im März 2022 in den Vorbereitungsdienst der Bundespolizei aufgenommen worden. Eine Überprüfung ergab, dass er von 2013 bis 2021 zahlendes Mitglied der Nazipartei »Der III. Weg« gewesen sei. Er wurde wegen mangelnder charakterlicher Eignung mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst entlassen. Der Eilantrag des Mannes wurde zurückgewiesen, da er neben seinem Austritt, sich zusätzlich ausdrücklich von der Partei hätte distanzieren müssen.

Kreistag angegriffen

Einige von rund 700 Teilnehmern einer Protestversammlung versuchten Ende Januar eine außerordentliche Sitzung des Kreistages Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) zu stürmen. Auf der nicht öffentlichen Sitzung wurde der Bau einer Container-Flüchtlingsunterkunft im Dorf Upahl beschlossen. 120 Polizisten mussten den Sitzungssaal vor den Angreifern schützen. Während Innenminister Christian Pegel die Angreifer strafrechtlich verfolgen will, sehen der örtliche CDU-Landrat und die CDU-Opposition in Schwerin die Schuld beim Bund und Land.

»Nordkreuz«-Ermittlungen

Wie kurz vor Redaktionsschluss bekanntwurde, sind in Mecklenburg-Vorpommern Wohnungen und Diensträume von fünf Polizisten durchsucht worden. Gegen die fünf Beamten – aus dem Amtsbereich des Polizeipräsidiums Rostock und von der Wasserschutzpolizei – wird wegen mutmaßlicher Verbindungen zum extrem rechten Netzwerk »Nordkreuz« ermittelt. Die Ermittlungen stützen sich auf Chat-Auswertungen der »Nordkreuz«-Gruppe. Alle fünf wurden suspendiert.

Trauerspiel

Erneut durften in Dresden etwa 850 Neonazis einen »Trauermarsch« wegen der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 durchführen. Statt um 14 Uhr konnten die Faschisten erst um 15.30 Uhr starten, nachdem die Polizei ihnen die Straße freigeräumt hatte. International durften sich der »Nationale Widerstand Böhmen« (Tschechien) und »Casa Pound« (Italien) neben deutschen NeonazivertreterInnen äußern.

Verstorben

Am 2. Februar verstarb im Alter von 97 Jahren Sally Perel. Perel 1925 im heutigen Niedersachsen geboren, verzog auf Grund des Naziterrors 1935 nach Lodz und nach dem Überfall auf Polen in den Westen des Landes. Dort verhaftet, gab sich der jüdische Junge als Volksdeutscher aus und überlebte so. Seine Eltern und Schwester wurden ermordet. 1948 zog er nach Israel. 1990 gab er seine Erinnerungen als »Hitlerjunge Salomon« heraus, die noch im selben Jahr verfilmt wurden.

Am 4. Februar verstarb Sonja Reichert (63 Jahre). Sie war von 2008 bis 2015 Generalsekretärin des Internationalen Sachsenhausen-Komitees. Stiftungsdirektor Axel Drecoll erklärte zu ihrem Tod: »Als ISK-Generalsekretärin ist Sonja Reichert mit unerschöpflichem Engagement und großer emotionaler Beteiligung für die Belange der Überlebenden und ihrer Angehörigen eingetreten.«

Am 11. Februar ist der letzte Überlebende des Massakers von Oradour-sur-Glane (Frankreich), Robert Hébras, verstorben. Am 10. Juni 1944 ermordeten die Männer des SS-Panzerregiments 4.643 Menschen in dem Ort. Hébras war einer von fünf Männern, die das Massaker überlebten. Hébras ging zur Resistance. Er sagte in Prozessen in der BRD und der DDR gegen Täter aus.

Anklage erhoben

Gegen fünf der PolizistInnen, die vergangenen August den suizidgefährdeten Mouhamed Lamine Dramé durch Schüsse getötet haben, ist jetzt Anklage in Dortmund erhoben worden. Die Anklage lautet auf Totschlag und Körperverletzung. Die zuständige Staatsanwaltschaft hält den Einsatz mit Pfefferspray, Tasern und Maschinenpistolenschüssen für völlig unverhältnismäßig und sieht auch keine Rechtfertigungsgründe.

Zusammengestellt von Ulrich Stuwe (in memoriam P. C. Walther)