Förderer der ersten Stunde
11. Juli 2023
Berliner Schlossspender: Antisemitismus und rechte Äußerungen aus der »Mitte«
Das bislang geheimgehaltene Gutachten über Ehrhardt Bödecker, einen vom Förderverein Berliner Schloss eingeworbenen Großspender des Humboldtforums/Berliner Schloss, hat die Stiftung Humboldtforum Anfang Mai 2023 nach monatelangem medialen Druck und rechtlichem Gezerre veröffentlicht. Zuvor hatte Intendant Hartmut Dorgerloh auf Drängen der Angehörigen des verstorbenen Privatbankiers die Weitergabe verweigert, selbst gegenüber seinem Stiftungsrat, welcher die Erstellung des Gutachtens durch das Münchner Institut für Zeitgeschichte überhaupt erst veranlasst hatte.
Anlass für die Veröffentlichung des zuvor geheimgehaltenen Gutachtens über den Großspender Ehrhardt Bödecker war ein Bericht im Berliner Tagesspiegel vom Oktober 2021, der auf das antisemitische und rechte Gedankengut Bödeckers aufmerksam gemacht hatte, in dessen Folge auch die Spenderehrung im Eosanderportal auf Bitten der Familie entfernt wurde. Von der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist keine Rede mehr – das Gutachten wurde nun vollumfänglich ohne jegliche Schwärzung freigeben –, aber seine Lektüre zeigt eine für alle Beteiligten unerfreuliche, ja belastende Geschichte auf. Die Behauptung von Hartmut Dorgerloh, das Gutachten spreche Bödecker vom Vorwurf des Rechtsradikalismus frei, ist frei erfunden. Die Gutachter waren gar nicht beauftragt worden, hierzu Stellung zu nehmen, doch das 146 Seiten umfassende Gutachten entkräftet die zuvor erhobenen Vorwürfe nicht, sondern untermauert sie kenntnisreich durch neue Quellen und Einblicke. Die Familie Bödecker hatte den Autoren umfangreich Auskunft gegeben, was sie später offenbar bitter bereute, war deren Fazit doch wenig schmeichelhaft. Ehrhardt Bödecker habe als missionarischer Botschafter in »klischeevoller Unbedarftheit« und mit »kenntnisfernen Schlagworten« eine »Retrofiktion« propagiert, die verschwörungs-ideologische Züge aufweise. Bödecker stehe in einer Tradition von Weltbildern »in denen anonyme Mächte und klandestine Gruppen als eigentliche Bestimmungsfaktoren politischer und gesellschaftlicher Prozesse imaginiert werden«.
Zum Ideal erhebt er die Monarchie des deutschen Kaiserreichs, der gegenüber er die parlamentarische Demokratie der BRD einer radikalen Kritik unterzieht. In seinem Geschichtsbild ist Preußen-Deutschland 1918 und dann wieder nach 1945 zum Opfer einer angelsächsischen Verschwörung, des Marxismus, der Frankfurter Schule, aber auch der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften und der freien Medien geworden. Das Gutachten weist darauf hin, dass Bödeckers rechtslastige Ansichten schon lange vor dem Bericht im Tagesspiegel-Artikel Aufsehen erregt hatten. Bereits 2004 hat der Rechtsextremismusexperte Anton Maegerle in einem Text Ehrhardt Bödecker als typischen Fall einer neurechten Positionierung zwischen Konservativismus und Rechtsradikalismus benannt. Vier Jahre später kritisierte der damalige Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Erardo Cristoforo Rautenberg, Bödeckers Verherrlichung des undemokratischen Wilhelminischen Kaiserreichs als »führenden Rechtsstaat« und »modernen Sozialstaat«.
Das Gutachten zeigt auch auf, welche Erlebnisse und Gedanken auf die Entstehung einer solchen Geisteshaltung Einfluss genommen haben mögen. Geboren 1925, war Bödecker zunächst HJ-Jungscharführer und Offiziersbewerber der Luftwaffe, bevor er als Infanterist der Fallschirmjäger im April 1945 in der Nähe von Wien schwer verwundet wurde. Prägend für ihn war eine enge Verbindung zu seinem Großvater Bruno Pozdziech, einem überzeugten Monarchisten, der bis zu seinem Tod 1968 Kaiser Wilhelm verehrte. Bödeckers Geschichtsbild war unter anderem durch den Historiker Gerhard Richter, aber auch durch die Ideologen der »Neuen Rechten« Hellmut Diwald und Caspar von Schrenck-Notzing stark beeinflusst. Und in diesen Kreisen erfuhr er den größten Widerhall und umfangreiche publizistische und propagandistische Unterstützung. So rezensierten die Junge Freiheit und die Preussische Allgemeine Zeitung nicht nur euphorisch seine Publikationen und druckten Texte von ihm ab. Die Junge Freiheit vertrieb auch seine Bücher und organisierte einen Betriebsausflug zu Bödeckers privatem Preußenmuseum in Wustrau. Zuspruch erhielt Bödecker auch von extrem rechten Zeitschriften wie Nation und Europa und Soldat im Volk sowie von dem Geschichtsrevisionisten Reinhard Uhle-Wettler, dessen Text »Wie Political Correctness unser Geschichtsbild verzerrt« er in der Schriftenreihe seines Museums nachdruckte, nachdem dieser in einem Sammlerband des extrem rechten FPÖ-Politikers Otto Scrinzi erschienen war.
Im Gutachten erfährt man auch, dass Ehrhardt Bödecker ein Schlossunterstützer der ersten Stunde war. Schon 1989 thematisierte er in einer Festschrift den Verlust des Berliner Schlosses und unterstützte den Förderverein Berliner Schloss seit seiner Gründung im Sommer 1992 finanziell. Der Förderverein seinerseits bleibt seinem einstigen Großspender bis heute treu. Er bekennt sich »ohne jede Einschränkung« zu seinen Spendern, und wird für diese Standfestigkeit von der Jungen Freiheit gelobt. Mehr noch: Der Vorsitzende des Vereins Richard Schröder behauptete, die im Tagesspiegel veröffentlichte Kritik an dem Antisemitismus Bödeckers beruhe auf verfälschten Zitaten, denen erst durch eigenmächtige Zusätze ein antisemitischer Drall verpasst worden sei. Das Landgericht Berlin untersagte Schröder diese wahrheitswidrige Darstellung, aber Dank Hartmut Dorgerlohs Behauptung, einige der in der Presse geäußerten »Verdächte« hätten sich nicht erhärtet, jubelte der Förderverein, die einst im Tagesspiegel veröffentlichen Vorwürfe seien haltlos. Und so arbeiten Förderverein und Stiftung Humboldtforum konstruktiv zusammen, wie die Stiftung nochmals im November 2022 bekräftigte.
Eine ausführlicher Befassung mit der Thematik findet sich unter kurzelinks.de/merkur-boedecker
Das Gutachten des IfZ ist abrufbar unter: schlossdebatte.de/?p=847