Ergiebiges Kampffeld
13. September 2023
Angriffe von Rechten auf Kultur
Seit Jahren finden Angriffe von Rechten auf Kultureinrichtungen statt. Im Sommer 2021 entstand aus einem Zusammenschluss von Kulturschaffenden das Projekt »Die Vielen«. Der daraus hervorgegangene Verein hat seine Tätigkeit Ende 2022 eingestellt. Wie ein kleines Resümee wirkt das Buch »Volkstheater«, das jetzt im Wagenbach-Verlag erschienen ist.
Der Theaterkritiker Peter Laudenbach schildert in dem Buch solche Angriffe auf Kultureinrichtungen. Ihm ist es wichtig zu zeigen, dass hinter den Angriffen eine Strategie steckt.
»Die Neue Rechte hat die Kultur und Kunst als ergiebiges Kampffeld für sich entdeckt. (…) AfD-Politiker:innen reichern ihre zahlreichen kulturpolitischen Interventionen und öffentlichen Auftritte mit Polemiken und Beleidigungen gegen Künstler an.« (S. 8)
Landtagsabgeordnete der AfD stellen immer wieder Anfragen zur Kulturförderung. Im baden-württembergischen Landtag wollte Rainer Balzer wissen, wie viele der Künstler und Künstlerinnen auf den staatlichen Bühnen einen deutschen Pass besitzen und woher die anderen kommen. In dem Buch wird nicht erwähnt, dass in derselben Anfrage auch danach gefragt wurde, wie das Verhältnis an den Ballett- und Schauspielschulen in Baden-Württemberg zur Zeit ist. Balzer schreibt in der Begründung, dass sich die AfD-Fraktion »den Erhalt deutscher kultureller Werte ganz oben auf die Fahnen geschrieben« habe.
Es geht dabei nicht nur darum, dass Menschen mit einer anderen Herkunft nicht auf deutschen Bühnen auftreten sollen, sondern auch darum, welche Stücke gespielt werden. Hans-Thomas Tillschneider, der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, führte im November 2020 in einer Grundsatzrede aus: »Ein grundsätzliches Bekenntnis zur deutschen Nationalkultur darf und muss allerdings verlangt werden. (…) Das wäre die Aufgabe von staatlicher Kunstförderung, nicht aber ein Lumpenproletariat an Möchtegern-Künstlern mehr recht als schlecht zu alimentieren, während sie eine Kunst produzieren, für die sich niemand wirklich interessiert. (…) Wenn sich jetzt die Vertreter des links-liberalen Kulturestablishments im Land fragen, ob das, was ich soeben vorgetragen habe, nicht eine Kriegserklärung an ihre Adresse ist, so kann ich sie vollkommen beruhigen: Ja das ist es.« (S. 42 f.)
Neben der Analyse der kulturpolitischen Forderungen und Positionen der AfD werden in dem Buch auch konkrete Angriffe auf Kultureinrichtungen geschildert. In Sachsen-Anhalt gibt es ein Festival für Neue Musik – das Impuls Festival, das vom Komponisten und Dirigenten Hans Rotman geleitet wird. Er berichtet von einem Jugendprojekt, das 2016 stattgefunden hat. Neben Jugendlichen aus Magdeburg standen Geflüchtete aus Syrien auf der Bühne. Wegen der Produktion bekam er Mails mit Beleidigungen und Drohungen. Er schreibt weiter in seinem Bericht: »Ich bin Holländer, ein Teil meiner Familie ist jüdisch. In den Mails wurde ich als Ausländer und ›Halbjude‹ beschimpft. (…) Anfang 2020 bekam ich an meine Berliner Privatadresse handgeschriebene Briefe mit widerlichen, antisemitischen Beleidigungen.« (S. 55)
Es ist kaum verwunderlich, dass auch die AfD im Landtag forderte, dass das Festival keine Förderung vom Land mehr bekommen soll.
Ein anderes Beispiel aus dem Buch schildert die Diversitätsbeauftragte des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, Judith Blumberg. Im Oktober 2019 veröffentlichte der extrem rechte Blog »Politically Incorrect News« einen Beitrag über ihre Arbeit. Unter der Überschrift »Agentin Judith sorgt für Umvolkungs-Theater« wurde geschrieben: »Es wartet viel kulturelle Umvolkungsarbeit auf Frl. Blumberg! Diversitäts-agenten sollen dafür sorgen, dass der politisch angestrebte Prozess der Bevölkerungsumwandlung hin zur multiethnischen Manipulationsmasse auftragsgemäß durchgesetzt wird.« (S. 57)
Nach der Veröffentlichung des Artikels sah sich die Theatermacherin vor allem auf den Sozialen Medien massiven Angriffen ausgesetzt.
Der Autor beschreibt die Strategie als Markierung. »Die angestrebte Delegitimierung, die Markierung bestimmter Kunsteinrichtungen als Teil eines feindlichen liberalen ›Establishments‹, gelingt am wirkungsvollsten, wenn die Frontbildung möglichst laut und öffentlich sichtbar stattfindet.« (S. 35) Das Buch wird abgeschlossen von einer Chronik der Angriffe auf Kultureinrichtungen. Ein wichtiger Beitrag zur Diskussion um die Auswirkungen des Kulturkampfs von rechts. Die Demokratie zu verteidigen heißt daher auch, die Freiheit der Kunst und Kultur zu verteidigen.