Keine Nazis ins Parlament!
5. November 2023
Dokumente aus den Archiven der VVN-BdA. Diesmal passend zur EU-Wahl
Ist es Zufall oder »Wink des Schicksals«? In unserem Bundesarchiv ist vor wenigen Wochen ein Dokument aufgetaucht, das an Aktualität – bedauerlicherweise – nichts eingebüßt hat. In den Unterlagen der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) findet sich ein Aufruf einer erweiterten Leitungstagung (Büro der FIR), die im April 1989 in Madrid stattfand, auf der sich die Organisation mit den anstehenden Wahlen zum Europaparlament beschäftigte.
Die FIR-Leitung traf sich nicht nur zu Tagungen in Wien, dem damaligen Sitz der Dachorganisation, sondern tagte in Absprache mit nationalen Mitgliedsverbänden in verschiedenen Ländern und lud Mitgliedsverbände und Gäste aus umliegenden Ländern zu den Beratungen ein. So sollte ein lebendiger Kontakt zu den jeweiligen Verbänden entwickelt werden. Solche Tagungen waren nicht nur mit politischen Debatten verbunden, sondern gemeinsam wurde an die Opfer faschistischer Verfolgung sowie die Frauen und Männer aus dem Widerstand erinnert. In Spanien verband sich damit nicht nur die Ehrung der Opfer der Franco-Diktatur, sondern insbesondere die Würdigung der Internationalen Brigaden.
Im Rahmen solcher Treffen wurde die politische Situation der jeweiligen Länder erörtert und in einem Erfahrungsaustausch gute Praxis der jeweiligen Mitgliedsverbände vorgestellt. Natürlich debattierte man auch tagesaktuelle Fragen, was sich dann in Erklärungen und Dokumenten niederschlug. In diesen Wochen stand die mittlerweile dritte Wahl zum Europaparlament Mitte Juni 1989 auf der Tagesordnung. Noch hatte die FIR nur geringe Erfahrungen mit diesen Wahlen. Sie fanden nur in den Mitgliedsländern der damaligen Europäischen Gemeinschaft statt, also nicht in Österreich. Auch gab es keine Überlegungen, wie man als außerparlamentarische Kraft in diese Wahlen eingreifen könnte. Aber klar war, dass die FIR angesichts der politischen Entwicklung ihre Stimme erheben müsse.
In der Erklärung warnte man, »dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus als Hauptbestandteile neonazistischer Ideologie und Politik erneut ihr Haupt erheben«. Mit Hinweis auf den Aufschwung der extremen Rechten in der BRD, die damals als »Republikaner« auftraten, wurde diese Gefahr beschrieben. »Auch in anderen Ländern Europas treten sie unter verschiedenen Namen und Losungen auf, stiften Verwirrung und rufen zur Gewalt. Gemein ist aber allen, dass sie die Verbrechen der Nazifaschisten leugnen oder verniedlichen, einen Führerstaat anstreben, die universellen Menschenrechte ebenso wie die Demokratie als gesellschaftliche Grundordnung ablehnen. Ihre Propaganda wird durch wirtschaftliche Krisenerscheinungen begünstigt, die für beträchtliche Teile der Bevölkerung Entbehrungen und Unsicherheit mit sich bringen, vor allem aber großen Teilen der jungen Generationen die Zukunft für ein menschenwürdiges Leben versperren.«
Der Appell endet mit dem Aufruf zur Wachsamkeit gegen solche Tendenzen und, »dem nazi-faschistischen und rassistischen Treiben in allen Ländern entschieden entgegenzutreten und ihrem weiteren Vordringen den Weg zu versperren«.
Dieser Aufruf wurde über die Mitgliederorgane der FIR-Verbände und ihnen nahestehende Zeitungen wie die Deutsche Volkszeitung in der BRD veröffentlicht. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass bei dieser Wahl die »Republikaner« mit über zehn Prozent der Wählerstimmen sieben Abgeordnete in das Europaparlament entsandten.
Für heute interessant ist, wie schon vor 35 Jahren die extreme Rechte mit rassistischen Kampagnen Stimmung machte und damit Mandate erzielte. Es waren nicht politische Programmpunkte, die ihnen Zustimmung brachten, sondern die Aktivierung xenophober Ressentiments. Die gegenwärtige Migrations- und Flüchtlingskampagne ist der heutige Ausdruck dieser »Deutsche zuerst«-Stimmung, von der diesmal die AfD profitiert.
Positiv ist jedoch zu vermerken, dass die FIR bezogen auf die Europawahlen handlungsfähiger geworden ist. Schon vor fünf Jahren wurde eine gemeinsame Plakatkampagne gestartet. Für die Europawahl 2024 beschloss der XIX. FIR-Kongress – diesmal in Barcelona – nicht nur einen Appell, sondern zudem eine internationale Öffentlichkeitskampagne.