Unbekannter Massenmord

geschrieben von Gerald Netzl

11. Januar 2024

Das Massaker von Korjukiwka 1943

Selbst Menschen mit viel Wissen über die Naziverbrechen sagt Korjukiwka kaum etwas. Vor 80 Jahren fand in der Ukraine die größte »Strafaktion« gegen die nicht-jüdische Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg in ganz Europa statt. 6.700 Zivilistinnen und Zivilisten wurden ermordet. Täter waren SS- und ungarische Armeeangehörige sowie einheimische »Hilfspolizisten«.

Angriff sowjetischer Partisanen

In der Nacht zum 27. Februar 1943 griffen sowjetische Partisanen eine deutsch-ungarische Garnison am Bahnhof von Korjukiwka (etwa 230 Kilometer nordöstlich von Kiew) an. Theodosius Stupak, der Kommandeur der Partisanen, hatte ein starkes persönliches Motiv für den Kampf: Seine Frau war in der Kaserne am Vortag erschossen worden, seine beiden Söhne im Alter von 12 und 13 Jahren dort inhaftiert.

In Korjukiwka erinnert ein Denkmal an das Verbrechen vom März 1943.

In Korjukiwka erinnert ein Denkmal an das Verbrechen vom März 1943.

Es war allgemein bekannt, dass Wehrmacht und SS für jeden von Partisanen getöteten deutschen Soldaten bis zu 100 Menschen hinrichteten. Manche EinwohnerInnen unterstützten die Partisanen freiwillig, andere unter Zwang. Die Partisanen töteten nach eigenen Angaben 78 Soldaten und nahmen einige gefangen. Alle 97 Gefängnisinsassen konnten sie befreien, darunter die Söhne des Kommandeurs Stupak. Er selbst starb bei der Aktion. Die Partisanen zerstörten, wie sie in einem Bericht nach Moskau meldeten, unter anderem eine Telefonstation, eine mechanische Werkstatt, ein Kraftstofflager mit Benzin, -18 Eisenbahnwaggons und das Gebäude der Staatsbank.

Die Rache und Vergeltung der SS und der ungarischen Feldjäger richtete sich gegen die EinwohnerInnen von Korjukiwka. Den Befehl dazu erteilte Oberstleutnant Bruno Franz Beyer. Die SS-Männer hatten schon zahlreiche Kriegsverbrechen und Massenmorde begangen, unter anderem das Massaker an den jüdischen Menschen aus Kiew in Babyn Jar, das mehr als 33.000 Opfer forderte, und in Poltawa mit mehreren tausend Opfern. Am Morgen des 1. März 1943 umstellten SS- und ungarische Einheiten, wahrscheinlich unterstützt von einheimischer »Hilfspolizei«, die Siedlung Korjukiwka. Die Todeskommandos durchsuchten die Gebäude der Stadt, zündeten Häuser an, trieben die Menschen in große Gebäude wie das Theater oder ein Restaurant und erschossen sie dort oder warfen sie lebendig ins Feuer.

6.700 Menschen ermordet

Im Restaurant wurden etwa 500 Menschen getötet, nur fünf überlebten. Insgesamt wurden am 1. und 2. März 1943 sage und schreibe 6.700 Menschen ermordet. 1.290 Häuser wurden niedergebrannt, nur zehn Backsteingebäude blieben erhalten. ZeugInnen sagten aus, dass Rauch und Feuer von den Bränden noch mehr als 20 Kilometer entfernt in anderen Siedlungen zu sehen waren. Am 9. März kehrten die Mordkommandos zurück, um die überlebenden Einwohner zu töten.